Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweytes Schreiben
beklagte, hatte selbst den Kopf a la Caraffe, und eine andre
ganz a l' Andalousienne. O! dachte ich, der gute Bischof
würde euch nicht viel neues gesagt haben! und meine Ant-
wort war: es thut mir leid, daß ich den Töchtern etwas ge-
lehret habe, was die Mütter gern für sich allein behalten
hätten.

Noch eine andre und zwar, im Vertrauen gesagt, eine al-
te und heßliche hat sich mir in einer so altfränkischen und fast
mögte ich sagen eckelhaften Gestalt angepriesen, daß ich mich
gewiß durch ihre Hand für hinlänglich bestraft halten könnte,
wenn ich auch eine Satyre gegen das Heyrathen überhaupt
geschrieben hätte; Sie glaubte, daß weil ich nur den großen
Aufwand beym Heyrathen zu befürchten schiene: so würde
ich kein Bedenken haben, sie in ihrem 49ten Jahre als eine
solche zu wählen, die sich mir in ihrer Großmutter Braut-
kleide antrauen lassen könnte, und mir sechs große Haarbeutel
aus ihrer Eltermutter Falbeblas machen lassen wollte .....

Ich habe mir also mit meiner Offenherzigkeit viele Unruhen
zugezogen; und mögte wohl noch größere erleben, wenn ich
mich endlich bewegen ließe den gefährlichen Schritt zu thun,
wozu mich die letztere mit den süßesten Worten bereden will.
Am besten ist es, ich bleibe auf meinem Entschlusse, bis sich
die Zeiten ändern; und das wird so bald noch nicht geschehen,
da meine Jungfer Nachbarin eine völlige Pantagonianerin,
nun sogar eine Laterne a) auf den Kopf gesetzt hät, worinn

ein
a) Beyläufig muß ich hier einen patriotischen Wunsch anbrin-
gen. Wenn man die Heiligen, vor welchen in den catho-
lischen Kirchen ein ewiges Licht oder eine beständige Lampe
brennet, auf die Gassen setzte: so würde die Stadt ge-
zieret und erleuchtet seyn, die Andacht aber nichts ver-
lieren.

Zweytes Schreiben
beklagte, hatte ſelbſt den Kopf à la Caraffe, und eine andre
ganz à l’ Andalouſienne. O! dachte ich, der gute Biſchof
wuͤrde euch nicht viel neues geſagt haben! und meine Ant-
wort war: es thut mir leid, daß ich den Toͤchtern etwas ge-
lehret habe, was die Muͤtter gern fuͤr ſich allein behalten
haͤtten.

Noch eine andre und zwar, im Vertrauen geſagt, eine al-
te und heßliche hat ſich mir in einer ſo altfraͤnkiſchen und faſt
moͤgte ich ſagen eckelhaften Geſtalt angeprieſen, daß ich mich
gewiß durch ihre Hand fuͤr hinlaͤnglich beſtraft halten koͤnnte,
wenn ich auch eine Satyre gegen das Heyrathen uͤberhaupt
geſchrieben haͤtte; Sie glaubte, daß weil ich nur den großen
Aufwand beym Heyrathen zu befuͤrchten ſchiene: ſo wuͤrde
ich kein Bedenken haben, ſie in ihrem 49ten Jahre als eine
ſolche zu waͤhlen, die ſich mir in ihrer Großmutter Braut-
kleide antrauen laſſen koͤnnte, und mir ſechs große Haarbeutel
aus ihrer Eltermutter Falbeblas machen laſſen wollte .....

Ich habe mir alſo mit meiner Offenherzigkeit viele Unruhen
zugezogen; und moͤgte wohl noch groͤßere erleben, wenn ich
mich endlich bewegen ließe den gefaͤhrlichen Schritt zu thun,
wozu mich die letztere mit den ſuͤßeſten Worten bereden will.
Am beſten iſt es, ich bleibe auf meinem Entſchluſſe, bis ſich
die Zeiten aͤndern; und das wird ſo bald noch nicht geſchehen,
da meine Jungfer Nachbarin eine voͤllige Pantagonianerin,
nun ſogar eine Laterne a) auf den Kopf geſetzt haͤt, worinn

ein
a) Beylaͤufig muß ich hier einen patriotiſchen Wunſch anbrin-
gen. Wenn man die Heiligen, vor welchen in den catho-
liſchen Kirchen ein ewiges Licht oder eine beſtaͤndige Lampe
brennet, auf die Gaſſen ſetzte: ſo wuͤrde die Stadt ge-
zieret und erleuchtet ſeyn, die Andacht aber nichts ver-
lieren.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0112" n="94"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zweytes Schreiben</hi></fw><lb/>
beklagte, hatte &#x017F;elb&#x017F;t den Kopf <hi rendition="#aq">à la Caraffe,</hi> und eine andre<lb/>
ganz <hi rendition="#aq">à l&#x2019; Andalou&#x017F;ienne.</hi> O! dachte ich, der gute Bi&#x017F;chof<lb/>
wu&#x0364;rde euch nicht viel neues ge&#x017F;agt haben! und meine Ant-<lb/>
wort war: es thut mir leid, daß ich den To&#x0364;chtern etwas ge-<lb/>
lehret habe, was die Mu&#x0364;tter gern fu&#x0364;r &#x017F;ich allein behalten<lb/>
ha&#x0364;tten.</p><lb/>
        <p>Noch eine andre und zwar, im Vertrauen ge&#x017F;agt, eine al-<lb/>
te und heßliche hat &#x017F;ich mir in einer &#x017F;o altfra&#x0364;nki&#x017F;chen und fa&#x017F;t<lb/>
mo&#x0364;gte ich &#x017F;agen eckelhaften Ge&#x017F;talt angeprie&#x017F;en, daß ich mich<lb/>
gewiß durch ihre Hand fu&#x0364;r hinla&#x0364;nglich be&#x017F;traft halten ko&#x0364;nnte,<lb/>
wenn ich auch eine Satyre gegen das Heyrathen u&#x0364;berhaupt<lb/>
ge&#x017F;chrieben ha&#x0364;tte; Sie glaubte, daß weil ich nur den großen<lb/>
Aufwand beym Heyrathen zu befu&#x0364;rchten &#x017F;chiene: &#x017F;o wu&#x0364;rde<lb/>
ich kein Bedenken haben, &#x017F;ie in ihrem 49ten Jahre als eine<lb/>
&#x017F;olche zu wa&#x0364;hlen, die &#x017F;ich mir in ihrer Großmutter Braut-<lb/>
kleide antrauen la&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnte, und mir &#x017F;echs große Haarbeutel<lb/>
aus ihrer Eltermutter Falbeblas machen la&#x017F;&#x017F;en wollte .....</p><lb/>
        <p>Ich habe mir al&#x017F;o mit meiner Offenherzigkeit viele Unruhen<lb/>
zugezogen; und mo&#x0364;gte wohl noch gro&#x0364;ßere erleben, wenn ich<lb/>
mich endlich bewegen ließe den gefa&#x0364;hrlichen Schritt zu thun,<lb/>
wozu mich die letztere mit den &#x017F;u&#x0364;ße&#x017F;ten Worten bereden will.<lb/>
Am be&#x017F;ten i&#x017F;t es, ich bleibe auf meinem Ent&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;e, bis &#x017F;ich<lb/>
die Zeiten a&#x0364;ndern; und das wird &#x017F;o bald noch nicht ge&#x017F;chehen,<lb/>
da meine Jungfer Nachbarin eine vo&#x0364;llige Pantagonianerin,<lb/>
nun &#x017F;ogar eine Laterne <note place="foot" n="a)">Beyla&#x0364;ufig muß ich hier einen patrioti&#x017F;chen Wun&#x017F;ch anbrin-<lb/>
gen. Wenn man die Heiligen, vor welchen in den catho-<lb/>
li&#x017F;chen Kirchen ein ewiges Licht oder eine be&#x017F;ta&#x0364;ndige Lampe<lb/>
brennet, auf die Ga&#x017F;&#x017F;en &#x017F;etzte: &#x017F;o wu&#x0364;rde die Stadt ge-<lb/>
zieret und erleuchtet &#x017F;eyn, die Andacht aber nichts ver-<lb/>
lieren.</note> auf den Kopf ge&#x017F;etzt ha&#x0364;t, worinn<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ein</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0112] Zweytes Schreiben beklagte, hatte ſelbſt den Kopf à la Caraffe, und eine andre ganz à l’ Andalouſienne. O! dachte ich, der gute Biſchof wuͤrde euch nicht viel neues geſagt haben! und meine Ant- wort war: es thut mir leid, daß ich den Toͤchtern etwas ge- lehret habe, was die Muͤtter gern fuͤr ſich allein behalten haͤtten. Noch eine andre und zwar, im Vertrauen geſagt, eine al- te und heßliche hat ſich mir in einer ſo altfraͤnkiſchen und faſt moͤgte ich ſagen eckelhaften Geſtalt angeprieſen, daß ich mich gewiß durch ihre Hand fuͤr hinlaͤnglich beſtraft halten koͤnnte, wenn ich auch eine Satyre gegen das Heyrathen uͤberhaupt geſchrieben haͤtte; Sie glaubte, daß weil ich nur den großen Aufwand beym Heyrathen zu befuͤrchten ſchiene: ſo wuͤrde ich kein Bedenken haben, ſie in ihrem 49ten Jahre als eine ſolche zu waͤhlen, die ſich mir in ihrer Großmutter Braut- kleide antrauen laſſen koͤnnte, und mir ſechs große Haarbeutel aus ihrer Eltermutter Falbeblas machen laſſen wollte ..... Ich habe mir alſo mit meiner Offenherzigkeit viele Unruhen zugezogen; und moͤgte wohl noch groͤßere erleben, wenn ich mich endlich bewegen ließe den gefaͤhrlichen Schritt zu thun, wozu mich die letztere mit den ſuͤßeſten Worten bereden will. Am beſten iſt es, ich bleibe auf meinem Entſchluſſe, bis ſich die Zeiten aͤndern; und das wird ſo bald noch nicht geſchehen, da meine Jungfer Nachbarin eine voͤllige Pantagonianerin, nun ſogar eine Laterne a) auf den Kopf geſetzt haͤt, worinn ein a) Beylaͤufig muß ich hier einen patriotiſchen Wunſch anbrin- gen. Wenn man die Heiligen, vor welchen in den catho- liſchen Kirchen ein ewiges Licht oder eine beſtaͤndige Lampe brennet, auf die Gaſſen ſetzte: ſo wuͤrde die Stadt ge- zieret und erleuchtet ſeyn, die Andacht aber nichts ver- lieren.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/112
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/112>, abgerufen am 24.11.2024.