"oder wegen ihrer liederlichen Gemüthsart auf keinen grünen "Zweig kommen, für Freybriefe fordern? Dabey gehen die "Gerechtigkeiten unsrer Höfe bey den Verheurungen vielfältig "verlohren; jederman sucht seinen Weg darüber; und wäh- "render Zeit andre sich in der Mark ausdehnen und ihre "Höfe verbessern, stehen die unsrigen in Gefahr, sogar ihre "alten Grenzen zu verlieren. Das Gehölz auf dem Hofe "wird vollends ein Raub. Die Gebäude, da sie auf Rech- "nung gebessert werden, verzehren entweder die Heuergelder "oder fallen in wenigen Jahren zusammen; und durch die "vielen einzelnen Ausheurungen werden unsre eignen Gründe "zuletzt selbst herunter sinken.
"Mit dem Adel ist es nun leider einmal so weit gekommen, "daß er seine Ehre im Dienste suchen muß. Man will heut "zu Tage keine Edelleute mehr, die ihren Haushalt führen "und selbst auf den Acker gehen sollen. Es geht auch hier "im Stifte gar nicht mehr an, nachdem wir unsre Gründe so "hoch als möglich verheuret, unsern Staat darnach einge- "richtet, und die Erbtheile unser Brüder und Geschwister "darnach bestimmet haben. Wir würden diese und andre "unsre hierauf gemachte Schulden nicht verzinsen können, "wenn wir unsern Acker selbst unternehmen sollten. Denn "dabey kommt für uns, die wir kein Auge, keine Hand und "keinen Fuß mehr dazu haben, nichts heraus als Schade. "Wir müssen also durchaus darauf denken, die Heuer unser "Acker und Wiesen nicht sinken zu lassen; und dies werden "wir wahrlich nicht verhindern, wo man nicht endlich der "Verheuerung unser mit Leibeignen besetzten Höfe ein ver- "nünftiges Ziel setzen, und wenigstens deren Verheuerung "an einzelne schlechterdings verbieten wird.
Dies
G 2
Gedanken uͤber den weſtphaͤl. Leibeigenthum.
„oder wegen ihrer liederlichen Gemuͤthsart auf keinen gruͤnen „Zweig kommen, fuͤr Freybriefe fordern? Dabey gehen die „Gerechtigkeiten unſrer Hoͤfe bey den Verheurungen vielfaͤltig „verlohren; jederman ſucht ſeinen Weg daruͤber; und waͤh- „render Zeit andre ſich in der Mark ausdehnen und ihre „Hoͤfe verbeſſern, ſtehen die unſrigen in Gefahr, ſogar ihre „alten Grenzen zu verlieren. Das Gehoͤlz auf dem Hofe „wird vollends ein Raub. Die Gebaͤude, da ſie auf Rech- „nung gebeſſert werden, verzehren entweder die Heuergelder „oder fallen in wenigen Jahren zuſammen; und durch die „vielen einzelnen Ausheurungen werden unſre eignen Gruͤnde „zuletzt ſelbſt herunter ſinken.
„Mit dem Adel iſt es nun leider einmal ſo weit gekommen, „daß er ſeine Ehre im Dienſte ſuchen muß. Man will heut „zu Tage keine Edelleute mehr, die ihren Haushalt fuͤhren „und ſelbſt auf den Acker gehen ſollen. Es geht auch hier „im Stifte gar nicht mehr an, nachdem wir unſre Gruͤnde ſo „hoch als moͤglich verheuret, unſern Staat darnach einge- „richtet, und die Erbtheile unſer Bruͤder und Geſchwiſter „darnach beſtimmet haben. Wir wuͤrden dieſe und andre „unſre hierauf gemachte Schulden nicht verzinſen koͤnnen, „wenn wir unſern Acker ſelbſt unternehmen ſollten. Denn „dabey kommt fuͤr uns, die wir kein Auge, keine Hand und „keinen Fuß mehr dazu haben, nichts heraus als Schade. „Wir muͤſſen alſo durchaus darauf denken, die Heuer unſer „Acker und Wieſen nicht ſinken zu laſſen; und dies werden „wir wahrlich nicht verhindern, wo man nicht endlich der „Verheuerung unſer mit Leibeignen beſetzten Hoͤfe ein ver- „nuͤnftiges Ziel ſetzen, und wenigſtens deren Verheuerung „an einzelne ſchlechterdings verbieten wird.
Dies
G 2
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Gedanken uͤber den weſtphaͤl. Leibeigenthum.
„oder wegen ihrer liederlichen Gemuͤthsart auf keinen gruͤnen
„Zweig kommen, fuͤr Freybriefe fordern? Dabey gehen die
„Gerechtigkeiten unſrer Hoͤfe bey den Verheurungen vielfaͤltig
„verlohren; jederman ſucht ſeinen Weg daruͤber; und waͤh-
„render Zeit andre ſich in der Mark ausdehnen und ihre
„Hoͤfe verbeſſern, ſtehen die unſrigen in Gefahr, ſogar ihre
„alten Grenzen zu verlieren. Das Gehoͤlz auf dem Hofe
„wird vollends ein Raub. Die Gebaͤude, da ſie auf Rech-
„nung gebeſſert werden, verzehren entweder die Heuergelder
„oder fallen in wenigen Jahren zuſammen; und durch die
„vielen einzelnen Ausheurungen werden unſre eignen Gruͤnde
„zuletzt ſelbſt herunter ſinken.
„Mit dem Adel iſt es nun leider einmal ſo weit gekommen,
„daß er ſeine Ehre im Dienſte ſuchen muß. Man will heut
„zu Tage keine Edelleute mehr, die ihren Haushalt fuͤhren
„und ſelbſt auf den Acker gehen ſollen. Es geht auch hier
„im Stifte gar nicht mehr an, nachdem wir unſre Gruͤnde ſo
„hoch als moͤglich verheuret, unſern Staat darnach einge-
„richtet, und die Erbtheile unſer Bruͤder und Geſchwiſter
„darnach beſtimmet haben. Wir wuͤrden dieſe und andre
„unſre hierauf gemachte Schulden nicht verzinſen koͤnnen,
„wenn wir unſern Acker ſelbſt unternehmen ſollten. Denn
„dabey kommt fuͤr uns, die wir kein Auge, keine Hand und
„keinen Fuß mehr dazu haben, nichts heraus als Schade.
„Wir muͤſſen alſo durchaus darauf denken, die Heuer unſer
„Acker und Wieſen nicht ſinken zu laſſen; und dies werden
„wir wahrlich nicht verhindern, wo man nicht endlich der
„Verheuerung unſer mit Leibeignen beſetzten Hoͤfe ein ver-
„nuͤnftiges Ziel ſetzen, und wenigſtens deren Verheuerung
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/117>, abgerufen am 16.02.2025.
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