Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Nichts ist schädlicher
Verdammt seyn alle geschriebene Gesetze und ihre
Ausleger. Hervor du alter Druide und halte deinen
Richterstab in die Höhe; versammle zu dir zwölf und
wenn die Sache wichtig ist, vier und zwanzig ehrliche
Männer aus unserm Mittel. Was diese für das gemei-
ne Beste gut und billig finden, das kan und soll uns
ein Recht seyn. Wer dann leidet, der leide als durch
Gottes Gericht. Allen andern Rechtsprechern aber
thue man wie ich diesem Römer gethan.

So sprachen sie ohne Zweifel, und wann wir nach diesem
Vorgange erstlich alle Rechtsgelehrten, es sey nun als so
viel Aristides, oder als so viel Verräther aus dem Lande
verbanneten, und hiernächst die Auslobungen der Kinder
durch drey oder fünf ehrliche Väter erkennen ließen; wenn
wir ferner jährlich in jedem Kirchspiele einen Aeußertag
hielten, und auf demselben durch drey Gutsherrn und durch
drey der ältesten Gemeinen, unter dem Vorsitze eines von
beyden Theilen erwählten oder vorgesetzten Obmanns, gegen
alle schlechte Wirthe ein Urtheil ohne Gnade finden ließen;
wenn bey diesen Aeußertagen alle Schulden, die einer im
Jahre gemacht, angezeigt, geprüft und nach einer Vorschrift
wieder bezahlt werden müsten; wenn endlich jedesmal, wie
solches geschehen, bey dem nächsten Aeußertage bescheiniget,
und sonst weder Schuld noch Pfandung gestattet würde: so
sollten unsre Höfe gewiß nicht mit Heuerleuten, sondern mit
guten tapfern Wirthen besetzt seyn. Allein wir wollen alles
mit Verordnungen zwingen, und diese besser machen als
Gott sein Wort, über dessen Sinn die verschiednen Partheyen
nun schier über achtzehnhundert Jahre streiten. Die ganze
Weisheit unser Vorfahren gieng auf den großen Grundsatz:

Daß

Nichts iſt ſchaͤdlicher
Verdammt ſeyn alle geſchriebene Geſetze und ihre
Ausleger. Hervor du alter Druide und halte deinen
Richterſtab in die Hoͤhe; verſammle zu dir zwoͤlf und
wenn die Sache wichtig iſt, vier und zwanzig ehrliche
Maͤnner aus unſerm Mittel. Was dieſe fuͤr das gemei-
ne Beſte gut und billig finden, das kan und ſoll uns
ein Recht ſeyn. Wer dann leidet, der leide als durch
Gottes Gericht. Allen andern Rechtſprechern aber
thue man wie ich dieſem Roͤmer gethan.

So ſprachen ſie ohne Zweifel, und wann wir nach dieſem
Vorgange erſtlich alle Rechtsgelehrten, es ſey nun als ſo
viel Ariſtides, oder als ſo viel Verraͤther aus dem Lande
verbanneten, und hiernaͤchſt die Auslobungen der Kinder
durch drey oder fuͤnf ehrliche Vaͤter erkennen ließen; wenn
wir ferner jaͤhrlich in jedem Kirchſpiele einen Aeußertag
hielten, und auf demſelben durch drey Gutsherrn und durch
drey der aͤlteſten Gemeinen, unter dem Vorſitze eines von
beyden Theilen erwaͤhlten oder vorgeſetzten Obmanns, gegen
alle ſchlechte Wirthe ein Urtheil ohne Gnade finden ließen;
wenn bey dieſen Aeußertagen alle Schulden, die einer im
Jahre gemacht, angezeigt, gepruͤft und nach einer Vorſchrift
wieder bezahlt werden muͤſten; wenn endlich jedesmal, wie
ſolches geſchehen, bey dem naͤchſten Aeußertage beſcheiniget,
und ſonſt weder Schuld noch Pfandung geſtattet wuͤrde: ſo
ſollten unſre Hoͤfe gewiß nicht mit Heuerleuten, ſondern mit
guten tapfern Wirthen beſetzt ſeyn. Allein wir wollen alles
mit Verordnungen zwingen, und dieſe beſſer machen als
Gott ſein Wort, uͤber deſſen Sinn die verſchiednen Partheyen
nun ſchier uͤber achtzehnhundert Jahre ſtreiten. Die ganze
Weisheit unſer Vorfahren gieng auf den großen Grundſatz:

Daß
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0140" n="122"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Nichts i&#x017F;t &#x017F;cha&#x0364;dlicher</hi></fw><lb/><hi rendition="#et">Verdammt &#x017F;eyn alle ge&#x017F;chriebene Ge&#x017F;etze und ihre<lb/>
Ausleger. Hervor du alter Druide und halte deinen<lb/>
Richter&#x017F;tab in die Ho&#x0364;he; ver&#x017F;ammle zu dir zwo&#x0364;lf und<lb/>
wenn die Sache wichtig i&#x017F;t, vier und zwanzig ehrliche<lb/>
Ma&#x0364;nner aus un&#x017F;erm Mittel. Was die&#x017F;e fu&#x0364;r das gemei-<lb/>
ne Be&#x017F;te gut und billig finden, das kan und &#x017F;oll uns<lb/>
ein Recht &#x017F;eyn. Wer dann leidet, der leide als durch<lb/>
Gottes Gericht. Allen andern Recht&#x017F;prechern aber<lb/>
thue man wie ich die&#x017F;em Ro&#x0364;mer gethan.</hi><lb/>
So &#x017F;prachen &#x017F;ie ohne Zweifel, und wann wir nach die&#x017F;em<lb/>
Vorgange er&#x017F;tlich alle Rechtsgelehrten, es &#x017F;ey nun als &#x017F;o<lb/><hi rendition="#fr">viel</hi> Ari&#x017F;tides, oder als &#x017F;o viel Verra&#x0364;ther aus dem Lande<lb/>
verbanneten, und hierna&#x0364;ch&#x017F;t die Auslobungen der Kinder<lb/>
durch drey oder fu&#x0364;nf ehrliche Va&#x0364;ter erkennen ließen; wenn<lb/>
wir ferner ja&#x0364;hrlich in jedem Kirch&#x017F;piele einen Aeußertag<lb/>
hielten, und auf dem&#x017F;elben durch drey Gutsherrn und durch<lb/>
drey der a&#x0364;lte&#x017F;ten Gemeinen, unter dem Vor&#x017F;itze eines von<lb/>
beyden Theilen erwa&#x0364;hlten oder vorge&#x017F;etzten Obmanns, gegen<lb/>
alle &#x017F;chlechte Wirthe ein Urtheil ohne Gnade finden ließen;<lb/>
wenn bey die&#x017F;en Aeußertagen alle Schulden, die einer im<lb/>
Jahre gemacht, angezeigt, gepru&#x0364;ft und nach einer Vor&#x017F;chrift<lb/>
wieder bezahlt werden mu&#x0364;&#x017F;ten; wenn endlich jedesmal, wie<lb/>
&#x017F;olches ge&#x017F;chehen, bey dem na&#x0364;ch&#x017F;ten Aeußertage be&#x017F;cheiniget,<lb/>
und &#x017F;on&#x017F;t weder Schuld noch Pfandung ge&#x017F;tattet wu&#x0364;rde: &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ollten un&#x017F;re Ho&#x0364;fe gewiß nicht <hi rendition="#fr">mit</hi> Heuerleuten, &#x017F;ondern mit<lb/>
guten tapfern Wirthen be&#x017F;etzt &#x017F;eyn. Allein wir wollen alles<lb/>
mit Verordnungen zwingen, und die&#x017F;e be&#x017F;&#x017F;er machen als<lb/>
Gott &#x017F;ein Wort, u&#x0364;ber de&#x017F;&#x017F;en Sinn die ver&#x017F;chiednen Partheyen<lb/>
nun &#x017F;chier u&#x0364;ber achtzehnhundert Jahre &#x017F;treiten. Die ganze<lb/>
Weisheit un&#x017F;er Vorfahren gieng auf den großen Grund&#x017F;atz:<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Daß</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0140] Nichts iſt ſchaͤdlicher Verdammt ſeyn alle geſchriebene Geſetze und ihre Ausleger. Hervor du alter Druide und halte deinen Richterſtab in die Hoͤhe; verſammle zu dir zwoͤlf und wenn die Sache wichtig iſt, vier und zwanzig ehrliche Maͤnner aus unſerm Mittel. Was dieſe fuͤr das gemei- ne Beſte gut und billig finden, das kan und ſoll uns ein Recht ſeyn. Wer dann leidet, der leide als durch Gottes Gericht. Allen andern Rechtſprechern aber thue man wie ich dieſem Roͤmer gethan. So ſprachen ſie ohne Zweifel, und wann wir nach dieſem Vorgange erſtlich alle Rechtsgelehrten, es ſey nun als ſo viel Ariſtides, oder als ſo viel Verraͤther aus dem Lande verbanneten, und hiernaͤchſt die Auslobungen der Kinder durch drey oder fuͤnf ehrliche Vaͤter erkennen ließen; wenn wir ferner jaͤhrlich in jedem Kirchſpiele einen Aeußertag hielten, und auf demſelben durch drey Gutsherrn und durch drey der aͤlteſten Gemeinen, unter dem Vorſitze eines von beyden Theilen erwaͤhlten oder vorgeſetzten Obmanns, gegen alle ſchlechte Wirthe ein Urtheil ohne Gnade finden ließen; wenn bey dieſen Aeußertagen alle Schulden, die einer im Jahre gemacht, angezeigt, gepruͤft und nach einer Vorſchrift wieder bezahlt werden muͤſten; wenn endlich jedesmal, wie ſolches geſchehen, bey dem naͤchſten Aeußertage beſcheiniget, und ſonſt weder Schuld noch Pfandung geſtattet wuͤrde: ſo ſollten unſre Hoͤfe gewiß nicht mit Heuerleuten, ſondern mit guten tapfern Wirthen beſetzt ſeyn. Allein wir wollen alles mit Verordnungen zwingen, und dieſe beſſer machen als Gott ſein Wort, uͤber deſſen Sinn die verſchiednen Partheyen nun ſchier uͤber achtzehnhundert Jahre ſtreiten. Die ganze Weisheit unſer Vorfahren gieng auf den großen Grundſatz: Daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/140
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/140>, abgerufen am 21.11.2024.