Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.zu bestimmen. thumsordnung keine Regel festgesetzt hat, nach welchersolche gefordert oder bezahlt werden mögen; welches nothwendig zu unzähligen Processen Anlaß geben muß, wobey so wenig der Gutsherr als der Leibeigne gewinnet, indem die Gerichtskosten gewiß allezeit eben so viel wo nicht ein mehrers wegnehmen, als worüber beyde Theile streiten. Der Gutsherr leidet 14) doppelt dabey, da er so lange seine Forderung keine bestimmte Gränzen hat, nach einer ganz natürlichen Folge alle Richter wider sich haben muß; und hiernächst wenn sein Leibeigner alles der Chicane aufgeopfert hat, entwe- der einen schlechten Wirth oder einen elenden Sterbfall findet. Der Leibeigne hat aber 15) auch keine Freude davon, wenn er endlich nach vielen und schweren Kosten eine mildere Auffahrt erhalten hat; indem ihm der Gutsherr solches gewiß beym Sterbfall und bey andern Gelegenheiten wieder gedenket. Ueber- haupt liegt es 16) in der menschlichen Natur, und zwar in dem edelsten Theile derselben, daß man sich der schwächern und dem Scheine nach unterdrückten gern annimmt; und die ge- rechtesten Forderungen der Gutsherrn müssen darunter leiden, so lange einige derselben unbestimmet sind. Die Eigenthumsordnung hat 17) den Gutsherrn in Ansehung der Auffahrten die Bil- ligkeit empfohlen, und in deren Ermangelung, die rich- terliche Billigkeit zu Hülfe gerufen; die Begriffe der Billigkeit in dem fordernden, bezahlenden und richtenden Theile sind aber so von einander unterschieden, daß man nie eine Einigkeit hoffen darf, sondern allezeit eine Will- kühr M 3
zu beſtimmen. thumsordnung keine Regel feſtgeſetzt hat, nach welcherſolche gefordert oder bezahlt werden moͤgen; welches nothwendig zu unzaͤhligen Proceſſen Anlaß geben muß, wobey ſo wenig der Gutsherr als der Leibeigne gewinnet, indem die Gerichtskoſten gewiß allezeit eben ſo viel wo nicht ein mehrers wegnehmen, als woruͤber beyde Theile ſtreiten. Der Gutsherr leidet 14) doppelt dabey, da er ſo lange ſeine Forderung keine beſtimmte Graͤnzen hat, nach einer ganz natuͤrlichen Folge alle Richter wider ſich haben muß; und hiernaͤchſt wenn ſein Leibeigner alles der Chicane aufgeopfert hat, entwe- der einen ſchlechten Wirth oder einen elenden Sterbfall findet. Der Leibeigne hat aber 15) auch keine Freude davon, wenn er endlich nach vielen und ſchweren Koſten eine mildere Auffahrt erhalten hat; indem ihm der Gutsherr ſolches gewiß beym Sterbfall und bey andern Gelegenheiten wieder gedenket. Ueber- haupt liegt es 16) in der menſchlichen Natur, und zwar in dem edelſten Theile derſelben, daß man ſich der ſchwaͤchern und dem Scheine nach unterdruͤckten gern annimmt; und die ge- rechteſten Forderungen der Gutsherrn muͤſſen darunter leiden, ſo lange einige derſelben unbeſtimmet ſind. Die Eigenthumsordnung hat 17) den Gutsherrn in Anſehung der Auffahrten die Bil- ligkeit empfohlen, und in deren Ermangelung, die rich- terliche Billigkeit zu Huͤlfe gerufen; die Begriffe der Billigkeit in dem fordernden, bezahlenden und richtenden Theile ſind aber ſo von einander unterſchieden, daß man nie eine Einigkeit hoffen darf, ſondern allezeit eine Will- kuͤhr M 3
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zu beſtimmen.
thumsordnung keine Regel feſtgeſetzt hat, nach welcher
ſolche gefordert oder bezahlt werden moͤgen; welches
nothwendig zu unzaͤhligen Proceſſen Anlaß geben muß,
wobey ſo wenig der Gutsherr als der Leibeigne gewinnet,
indem die Gerichtskoſten gewiß allezeit eben ſo viel wo
nicht ein mehrers wegnehmen, als woruͤber beyde Theile
ſtreiten. Der Gutsherr leidet
14) doppelt dabey, da er ſo lange ſeine Forderung keine
beſtimmte Graͤnzen hat, nach einer ganz natuͤrlichen Folge
alle Richter wider ſich haben muß; und hiernaͤchſt wenn
ſein Leibeigner alles der Chicane aufgeopfert hat, entwe-
der einen ſchlechten Wirth oder einen elenden Sterbfall
findet. Der Leibeigne hat aber
15) auch keine Freude davon, wenn er endlich nach vielen
und ſchweren Koſten eine mildere Auffahrt erhalten hat;
indem ihm der Gutsherr ſolches gewiß beym Sterbfall
und bey andern Gelegenheiten wieder gedenket. Ueber-
haupt liegt es
16) in der menſchlichen Natur, und zwar in dem edelſten
Theile derſelben, daß man ſich der ſchwaͤchern und dem
Scheine nach unterdruͤckten gern annimmt; und die ge-
rechteſten Forderungen der Gutsherrn muͤſſen darunter
leiden, ſo lange einige derſelben unbeſtimmet ſind. Die
Eigenthumsordnung hat
17) den Gutsherrn in Anſehung der Auffahrten die Bil-
ligkeit empfohlen, und in deren Ermangelung, die rich-
terliche Billigkeit zu Huͤlfe gerufen; die Begriffe der
Billigkeit in dem fordernden, bezahlenden und richtenden
Theile ſind aber ſo von einander unterſchieden, daß man
nie eine Einigkeit hoffen darf, ſondern allezeit eine Will-
kuͤhr
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