Haushälter stimmen mit ihm darinn überein. Aber ihn ge- richtlich zu überzeugen, den ganzen Beweis zu übernehmen, sich wohl gar einer Injurienklage oder allen Folgen des Ar- menrechts auszusetzen, das thut der gute Haushalter nicht; dafür schweigt er, und opfert wohl gar dem bösen Manne, der ihm auf mancherley Art schaden kann.
Um diesem Uebel abzuhelfen, ist kein leichter Mittel als eine Anstalt von obiger Art; oder wenn man diese der Absicht nicht angemessen findet: so lasse man es geschehen, daß alle Hofgesessene der Gemeinheit zusammen treten, und mit einer schwarzen und weissen Kugel über die Verweisung eines un- angesessenen Mannes aus dem Kirchspiel, entscheiden mögen. Man mache es zu einem Grundsatze, daß jeder unangesesse- ner Mann sich diesem Urtheile unterwerfen solle, so bald er zum erstenmal am Amte einer Dieberey halben bestrafet wor- den. Dieses letztere ist nöthig, weil es sonst niemand wagen würde, den Namen eines Heuermanns zu einem solchen Seru tinio aufzusetzen; und der Heuermann der einmal als Dieb überzeugt und bestraft ist, hat es sich selbst beyzumessen, wann er eine solche ehrenrührige Untersuchung erleiden muß.
Vielleicht denken einige, die Gerechtigkeit werde hierdurch verletzt; und man könne keinen ohne ordentliches Recht des Kirchspiels oder des Landes verweisen. Allein eben hierinn zeigt sich unser Unverstand, und daß wir nicht bemerken, wie den hofgesessenen Unterthanen oder den ursprünglichen Con- trahenten eines Staats, ein ganz ander Recht als jenen Flücht- lingen zu statten komme. Ein Hofgesessener muß nie des ge- ringsten Theils seines Eigenthums oder seiner Freyheit beraubt werden, ohne eine genaue und vollständige Untersuchung; der gedultete und aufgenommene Fremde hingegen hat hierauf
keinen
Von dem Einfluſſe der Bevoͤlkerung
Haushaͤlter ſtimmen mit ihm darinn uͤberein. Aber ihn ge- richtlich zu uͤberzeugen, den ganzen Beweis zu uͤbernehmen, ſich wohl gar einer Injurienklage oder allen Folgen des Ar- menrechts auszuſetzen, das thut der gute Haushalter nicht; dafuͤr ſchweigt er, und opfert wohl gar dem boͤſen Manne, der ihm auf mancherley Art ſchaden kann.
Um dieſem Uebel abzuhelfen, iſt kein leichter Mittel als eine Anſtalt von obiger Art; oder wenn man dieſe der Abſicht nicht angemeſſen findet: ſo laſſe man es geſchehen, daß alle Hofgeſeſſene der Gemeinheit zuſammen treten, und mit einer ſchwarzen und weiſſen Kugel uͤber die Verweiſung eines un- angeſeſſenen Mannes aus dem Kirchſpiel, entſcheiden moͤgen. Man mache es zu einem Grundſatze, daß jeder unangeſeſſe- ner Mann ſich dieſem Urtheile unterwerfen ſolle, ſo bald er zum erſtenmal am Amte einer Dieberey halben beſtrafet wor- den. Dieſes letztere iſt noͤthig, weil es ſonſt niemand wagen wuͤrde, den Namen eines Heuermanns zu einem ſolchen Seru tinio aufzuſetzen; und der Heuermann der einmal als Dieb uͤberzeugt und beſtraft iſt, hat es ſich ſelbſt beyzumeſſen, wann er eine ſolche ehrenruͤhrige Unterſuchung erleiden muß.
Vielleicht denken einige, die Gerechtigkeit werde hierdurch verletzt; und man koͤnne keinen ohne ordentliches Recht des Kirchſpiels oder des Landes verweiſen. Allein eben hierinn zeigt ſich unſer Unverſtand, und daß wir nicht bemerken, wie den hofgeſeſſenen Unterthanen oder den urſpruͤnglichen Con- trahenten eines Staats, ein ganz ander Recht als jenen Fluͤcht- lingen zu ſtatten komme. Ein Hofgeſeſſener muß nie des ge- ringſten Theils ſeines Eigenthums oder ſeiner Freyheit beraubt werden, ohne eine genaue und vollſtaͤndige Unterſuchung; der gedultete und aufgenommene Fremde hingegen hat hierauf
keinen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0024"n="6"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von dem Einfluſſe der Bevoͤlkerung</hi></fw><lb/>
Haushaͤlter ſtimmen mit ihm darinn uͤberein. Aber ihn ge-<lb/>
richtlich zu uͤberzeugen, den ganzen Beweis zu uͤbernehmen,<lb/>ſich wohl gar einer Injurienklage oder allen Folgen des Ar-<lb/>
menrechts auszuſetzen, das thut der gute Haushalter nicht;<lb/>
dafuͤr ſchweigt er, und opfert wohl gar dem boͤſen Manne,<lb/>
der ihm auf mancherley Art ſchaden kann.</p><lb/><p>Um dieſem Uebel abzuhelfen, iſt kein leichter Mittel als eine<lb/>
Anſtalt von obiger Art; oder wenn man dieſe der Abſicht<lb/>
nicht angemeſſen findet: ſo laſſe man es geſchehen, daß alle<lb/>
Hofgeſeſſene der Gemeinheit zuſammen treten, und mit einer<lb/>ſchwarzen und weiſſen Kugel uͤber die Verweiſung eines un-<lb/>
angeſeſſenen Mannes aus dem Kirchſpiel, entſcheiden moͤgen.<lb/>
Man mache es zu einem Grundſatze, daß jeder unangeſeſſe-<lb/>
ner Mann ſich dieſem Urtheile unterwerfen ſolle, ſo bald er<lb/>
zum erſtenmal am Amte einer Dieberey halben beſtrafet wor-<lb/>
den. Dieſes letztere iſt noͤthig, weil es ſonſt niemand wagen<lb/>
wuͤrde, den Namen eines Heuermanns zu einem ſolchen Seru<lb/>
tinio aufzuſetzen; und der Heuermann der einmal als Dieb<lb/>
uͤberzeugt und beſtraft iſt, hat es ſich ſelbſt beyzumeſſen, wann<lb/>
er eine ſolche ehrenruͤhrige Unterſuchung erleiden muß.</p><lb/><p>Vielleicht denken einige, die Gerechtigkeit werde hierdurch<lb/>
verletzt; und man koͤnne keinen ohne ordentliches Recht des<lb/>
Kirchſpiels oder des Landes verweiſen. Allein eben hierinn<lb/>
zeigt ſich unſer Unverſtand, und daß wir nicht bemerken, wie<lb/>
den hofgeſeſſenen Unterthanen oder den urſpruͤnglichen Con-<lb/>
trahenten eines Staats, ein ganz ander Recht als jenen Fluͤcht-<lb/>
lingen zu ſtatten komme. Ein Hofgeſeſſener muß nie des ge-<lb/>
ringſten Theils ſeines Eigenthums oder ſeiner Freyheit beraubt<lb/>
werden, ohne eine genaue und vollſtaͤndige Unterſuchung; der<lb/>
gedultete und aufgenommene Fremde hingegen hat hierauf<lb/><fwplace="bottom"type="catch">keinen</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[6/0024]
Von dem Einfluſſe der Bevoͤlkerung
Haushaͤlter ſtimmen mit ihm darinn uͤberein. Aber ihn ge-
richtlich zu uͤberzeugen, den ganzen Beweis zu uͤbernehmen,
ſich wohl gar einer Injurienklage oder allen Folgen des Ar-
menrechts auszuſetzen, das thut der gute Haushalter nicht;
dafuͤr ſchweigt er, und opfert wohl gar dem boͤſen Manne,
der ihm auf mancherley Art ſchaden kann.
Um dieſem Uebel abzuhelfen, iſt kein leichter Mittel als eine
Anſtalt von obiger Art; oder wenn man dieſe der Abſicht
nicht angemeſſen findet: ſo laſſe man es geſchehen, daß alle
Hofgeſeſſene der Gemeinheit zuſammen treten, und mit einer
ſchwarzen und weiſſen Kugel uͤber die Verweiſung eines un-
angeſeſſenen Mannes aus dem Kirchſpiel, entſcheiden moͤgen.
Man mache es zu einem Grundſatze, daß jeder unangeſeſſe-
ner Mann ſich dieſem Urtheile unterwerfen ſolle, ſo bald er
zum erſtenmal am Amte einer Dieberey halben beſtrafet wor-
den. Dieſes letztere iſt noͤthig, weil es ſonſt niemand wagen
wuͤrde, den Namen eines Heuermanns zu einem ſolchen Seru
tinio aufzuſetzen; und der Heuermann der einmal als Dieb
uͤberzeugt und beſtraft iſt, hat es ſich ſelbſt beyzumeſſen, wann
er eine ſolche ehrenruͤhrige Unterſuchung erleiden muß.
Vielleicht denken einige, die Gerechtigkeit werde hierdurch
verletzt; und man koͤnne keinen ohne ordentliches Recht des
Kirchſpiels oder des Landes verweiſen. Allein eben hierinn
zeigt ſich unſer Unverſtand, und daß wir nicht bemerken, wie
den hofgeſeſſenen Unterthanen oder den urſpruͤnglichen Con-
trahenten eines Staats, ein ganz ander Recht als jenen Fluͤcht-
lingen zu ſtatten komme. Ein Hofgeſeſſener muß nie des ge-
ringſten Theils ſeines Eigenthums oder ſeiner Freyheit beraubt
werden, ohne eine genaue und vollſtaͤndige Unterſuchung; der
gedultete und aufgenommene Fremde hingegen hat hierauf
keinen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/24>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.