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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Also sollte man den Rentekauf
um nach unsrer Art zu reden, der Richter der eine Hypothek
auf bewegliches Vermögen aufnimmt, würde als ein öffent-
licher Verfälscher bestrafet werden, wenn ihn der Gesetzgeber
nicht für dieses Brandmahl versichert hätte.

Wie schön wird aber nun nicht der alte Aeusserproceß?
Der Gläubiger der auf Grundstücke leihet, erhält erst sein
Blatt im Buche; hat er dieses sechs Wochen gehabt und hält
sich nicht sicher genung wegen seiner Rente: so würd er an
das Grundstück, welches durch das Blatt repräsentiret wird,
geeignet, und er erhält die Selbstnutzung. Weiter kan er
nicht kommen. Will er jetzt seines Schuldners ganzen Hof
von 40 Morgen haben: so muß dieser ihm das Recht diejeni-
gen, welche die 39 übrigen Blätter haben, ausbezahlen zu mö-
gen, abtreten; und damit kan er erst den ganzen Hof erlangen.
Man kan sich schwerlich einen schönern und feinern Plan zum
Besten der Landeigenthümer gedenken.

Allein nie können wir dahin zurückkommen, ohne schlech-
terdings den Zinscontrakt zu verbieten, und statt desselben
den Rentekauf wieder einzuführen. Die mit jenem verknüpfte
Löse, diese elende und schädliche Erfindung verdirbt alle diese
grossen Anstalten unsrer Vorfahren, oder jener Colonie.
Der Staat der für die Richtigkeit des Bankofolio haftet, kan
nie die Bürgschaft übernehmen, daß sofort jedes Capital,
wenn es gelöset wird, bezahlet werden solle. Zwar hat man
in einigen Ländern öffentliche Hypothekenbücher eingeführt,
die Grundstücke des Schuldners darinn eintragen, und den
Richter für die Richtigkeit desselben haften lassen. Allein
diese an sich guten Anstalten thun die Würkung nicht, so lange
die Löse bleibt. Das Hypothekenbuch muß nichts weiter als
die Existenz des Grundstücks, und was es jährlich trägt, ga-
rantiren. Der Gläubiger kauft dieses Grundstück und seinen

Er-

Alſo ſollte man den Rentekauf
um nach unſrer Art zu reden, der Richter der eine Hypothek
auf bewegliches Vermoͤgen aufnimmt, wuͤrde als ein oͤffent-
licher Verfaͤlſcher beſtrafet werden, wenn ihn der Geſetzgeber
nicht fuͤr dieſes Brandmahl verſichert haͤtte.

Wie ſchoͤn wird aber nun nicht der alte Aeuſſerproceß?
Der Glaͤubiger der auf Grundſtuͤcke leihet, erhaͤlt erſt ſein
Blatt im Buche; hat er dieſes ſechs Wochen gehabt und haͤlt
ſich nicht ſicher genung wegen ſeiner Rente: ſo wuͤrd er an
das Grundſtuͤck, welches durch das Blatt repraͤſentiret wird,
geeignet, und er erhaͤlt die Selbſtnutzung. Weiter kan er
nicht kommen. Will er jetzt ſeines Schuldners ganzen Hof
von 40 Morgen haben: ſo muß dieſer ihm das Recht diejeni-
gen, welche die 39 uͤbrigen Blaͤtter haben, ausbezahlen zu moͤ-
gen, abtreten; und damit kan er erſt den ganzen Hof erlangen.
Man kan ſich ſchwerlich einen ſchoͤnern und feinern Plan zum
Beſten der Landeigenthuͤmer gedenken.

Allein nie koͤnnen wir dahin zuruͤckkommen, ohne ſchlech-
terdings den Zinscontrakt zu verbieten, und ſtatt deſſelben
den Rentekauf wieder einzufuͤhren. Die mit jenem verknuͤpfte
Loͤſe, dieſe elende und ſchaͤdliche Erfindung verdirbt alle dieſe
groſſen Anſtalten unſrer Vorfahren, oder jener Colonie.
Der Staat der fuͤr die Richtigkeit des Bankofolio haftet, kan
nie die Buͤrgſchaft uͤbernehmen, daß ſofort jedes Capital,
wenn es geloͤſet wird, bezahlet werden ſolle. Zwar hat man
in einigen Laͤndern oͤffentliche Hypothekenbuͤcher eingefuͤhrt,
die Grundſtuͤcke des Schuldners darinn eintragen, und den
Richter fuͤr die Richtigkeit deſſelben haften laſſen. Allein
dieſe an ſich guten Anſtalten thun die Wuͤrkung nicht, ſo lange
die Loͤſe bleibt. Das Hypothekenbuch muß nichts weiter als
die Exiſtenz des Grundſtuͤcks, und was es jaͤhrlich traͤgt, ga-
rantiren. Der Glaͤubiger kauft dieſes Grundſtuͤck und ſeinen

Er-
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[228/0246] Alſo ſollte man den Rentekauf um nach unſrer Art zu reden, der Richter der eine Hypothek auf bewegliches Vermoͤgen aufnimmt, wuͤrde als ein oͤffent- licher Verfaͤlſcher beſtrafet werden, wenn ihn der Geſetzgeber nicht fuͤr dieſes Brandmahl verſichert haͤtte. Wie ſchoͤn wird aber nun nicht der alte Aeuſſerproceß? Der Glaͤubiger der auf Grundſtuͤcke leihet, erhaͤlt erſt ſein Blatt im Buche; hat er dieſes ſechs Wochen gehabt und haͤlt ſich nicht ſicher genung wegen ſeiner Rente: ſo wuͤrd er an das Grundſtuͤck, welches durch das Blatt repraͤſentiret wird, geeignet, und er erhaͤlt die Selbſtnutzung. Weiter kan er nicht kommen. Will er jetzt ſeines Schuldners ganzen Hof von 40 Morgen haben: ſo muß dieſer ihm das Recht diejeni- gen, welche die 39 uͤbrigen Blaͤtter haben, ausbezahlen zu moͤ- gen, abtreten; und damit kan er erſt den ganzen Hof erlangen. Man kan ſich ſchwerlich einen ſchoͤnern und feinern Plan zum Beſten der Landeigenthuͤmer gedenken. Allein nie koͤnnen wir dahin zuruͤckkommen, ohne ſchlech- terdings den Zinscontrakt zu verbieten, und ſtatt deſſelben den Rentekauf wieder einzufuͤhren. Die mit jenem verknuͤpfte Loͤſe, dieſe elende und ſchaͤdliche Erfindung verdirbt alle dieſe groſſen Anſtalten unſrer Vorfahren, oder jener Colonie. Der Staat der fuͤr die Richtigkeit des Bankofolio haftet, kan nie die Buͤrgſchaft uͤbernehmen, daß ſofort jedes Capital, wenn es geloͤſet wird, bezahlet werden ſolle. Zwar hat man in einigen Laͤndern oͤffentliche Hypothekenbuͤcher eingefuͤhrt, die Grundſtuͤcke des Schuldners darinn eintragen, und den Richter fuͤr die Richtigkeit deſſelben haften laſſen. Allein dieſe an ſich guten Anſtalten thun die Wuͤrkung nicht, ſo lange die Loͤſe bleibt. Das Hypothekenbuch muß nichts weiter als die Exiſtenz des Grundſtuͤcks, und was es jaͤhrlich traͤgt, ga- rantiren. Der Glaͤubiger kauft dieſes Grundſtuͤck und ſeinen Er-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/246>, abgerufen am 24.11.2024.