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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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unter dem Landleuten nicht aufheben.
giengen. Der erbitterte Gläubiger hatte insgemein Land-
und Hausheuer zu fordern; er hatte das eingebrachte Gut als
seine gesetzmäßige Sicherheit angesehn; und wie er dieses mit
guten Glauben und redlichem Eyfer verfolgte: so konnte man
ihn nicht sofort als einen andern frevelmüthigen Kläger ab-
weisen, auch selten in die Kosten verdammen. Die Frau
hingegen, welche als Magd hier ein Oberbette, dort einen
Pfühl verdient, bald eine Kuh mitgebracht, bald eine andre
dafür getauscht, oder von den Ihrigen gekauft zu haben be-
hauptete, und über alle diese Umstände Zeugen und Beweis
führen wollte, konnte auch nicht so gleich zurück gewieseu werden;
und so muste man nothwendig ein zulängliches obgleich noch so
kurzes Verfahren verstatten, dessen Erfolg allemal dieser
war, daß Bette, Pfühl und Kuh mit den Kosten auf-
giengen.

Wie traurig ist es aber nicht für einen redlichen und em-
pfindlichen Mann das immerwährende Instrument zu diesem
Unglück zu seyn? und unter dem Fluchen des Gläubigers und
dem Heulen der Frauen die elenden Gebühren anzunehmen,
die man da sie gesetzmäßig und den Richtern zu ihrem einzigen
Gehalte angewiesen sind, doch so wenig für sich, als diejeni-
gen so daran Antheil haben, verschenken kan. In keinem
Stücke hat die Praxis, welche seit dreyßig Jahren die Ge-
meinschaft der Güter unter freyen Leuten auf dem platten
Lande aufgehoben, gottloser gehandelt als in diesem. Das
redliche deutsche Recht hatte die Gemeinschaft der Güter unter
Eheleuten eingeführt. Das Wohl des Staats will, daß die
geringen Leute Credit für Land- und Hausheuer bis zur Ver-
fallzeit finden, weil sie selten vorauf bezahlen können; die
Erfahrung zeigt, daß das römische Recht, was in der Haupt-
stadt der Welt fürtreflich war, sich für so geringe Leute nicht
schicke, weil der Beweis zu viel Kosten erfordert; und doch

hat
Q 4

unter dem Landleuten nicht aufheben.
giengen. Der erbitterte Glaͤubiger hatte insgemein Land-
und Hausheuer zu fordern; er hatte das eingebrachte Gut als
ſeine geſetzmaͤßige Sicherheit angeſehn; und wie er dieſes mit
guten Glauben und redlichem Eyfer verfolgte: ſo konnte man
ihn nicht ſofort als einen andern frevelmuͤthigen Klaͤger ab-
weiſen, auch ſelten in die Koſten verdammen. Die Frau
hingegen, welche als Magd hier ein Oberbette, dort einen
Pfuͤhl verdient, bald eine Kuh mitgebracht, bald eine andre
dafuͤr getauſcht, oder von den Ihrigen gekauft zu haben be-
hauptete, und uͤber alle dieſe Umſtaͤnde Zeugen und Beweis
fuͤhren wollte, konnte auch nicht ſo gleich zuruͤck gewieſeu werden;
und ſo muſte man nothwendig ein zulaͤngliches obgleich noch ſo
kurzes Verfahren verſtatten, deſſen Erfolg allemal dieſer
war, daß Bette, Pfuͤhl und Kuh mit den Koſten auf-
giengen.

Wie traurig iſt es aber nicht fuͤr einen redlichen und em-
pfindlichen Mann das immerwaͤhrende Inſtrument zu dieſem
Ungluͤck zu ſeyn? und unter dem Fluchen des Glaͤubigers und
dem Heulen der Frauen die elenden Gebuͤhren anzunehmen,
die man da ſie geſetzmaͤßig und den Richtern zu ihrem einzigen
Gehalte angewieſen ſind, doch ſo wenig fuͤr ſich, als diejeni-
gen ſo daran Antheil haben, verſchenken kan. In keinem
Stuͤcke hat die Praxis, welche ſeit dreyßig Jahren die Ge-
meinſchaft der Guͤter unter freyen Leuten auf dem platten
Lande aufgehoben, gottloſer gehandelt als in dieſem. Das
redliche deutſche Recht hatte die Gemeinſchaft der Guͤter unter
Eheleuten eingefuͤhrt. Das Wohl des Staats will, daß die
geringen Leute Credit fuͤr Land- und Hausheuer bis zur Ver-
fallzeit finden, weil ſie ſelten vorauf bezahlen koͤnnen; die
Erfahrung zeigt, daß das roͤmiſche Recht, was in der Haupt-
ſtadt der Welt fuͤrtreflich war, ſich fuͤr ſo geringe Leute nicht
ſchicke, weil der Beweis zu viel Koſten erfordert; und doch

hat
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[247/0265] unter dem Landleuten nicht aufheben. giengen. Der erbitterte Glaͤubiger hatte insgemein Land- und Hausheuer zu fordern; er hatte das eingebrachte Gut als ſeine geſetzmaͤßige Sicherheit angeſehn; und wie er dieſes mit guten Glauben und redlichem Eyfer verfolgte: ſo konnte man ihn nicht ſofort als einen andern frevelmuͤthigen Klaͤger ab- weiſen, auch ſelten in die Koſten verdammen. Die Frau hingegen, welche als Magd hier ein Oberbette, dort einen Pfuͤhl verdient, bald eine Kuh mitgebracht, bald eine andre dafuͤr getauſcht, oder von den Ihrigen gekauft zu haben be- hauptete, und uͤber alle dieſe Umſtaͤnde Zeugen und Beweis fuͤhren wollte, konnte auch nicht ſo gleich zuruͤck gewieſeu werden; und ſo muſte man nothwendig ein zulaͤngliches obgleich noch ſo kurzes Verfahren verſtatten, deſſen Erfolg allemal dieſer war, daß Bette, Pfuͤhl und Kuh mit den Koſten auf- giengen. Wie traurig iſt es aber nicht fuͤr einen redlichen und em- pfindlichen Mann das immerwaͤhrende Inſtrument zu dieſem Ungluͤck zu ſeyn? und unter dem Fluchen des Glaͤubigers und dem Heulen der Frauen die elenden Gebuͤhren anzunehmen, die man da ſie geſetzmaͤßig und den Richtern zu ihrem einzigen Gehalte angewieſen ſind, doch ſo wenig fuͤr ſich, als diejeni- gen ſo daran Antheil haben, verſchenken kan. In keinem Stuͤcke hat die Praxis, welche ſeit dreyßig Jahren die Ge- meinſchaft der Guͤter unter freyen Leuten auf dem platten Lande aufgehoben, gottloſer gehandelt als in dieſem. Das redliche deutſche Recht hatte die Gemeinſchaft der Guͤter unter Eheleuten eingefuͤhrt. Das Wohl des Staats will, daß die geringen Leute Credit fuͤr Land- und Hausheuer bis zur Ver- fallzeit finden, weil ſie ſelten vorauf bezahlen koͤnnen; die Erfahrung zeigt, daß das roͤmiſche Recht, was in der Haupt- ſtadt der Welt fuͤrtreflich war, ſich fuͤr ſo geringe Leute nicht ſchicke, weil der Beweis zu viel Koſten erfordert; und doch hat Q 4

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/265>, abgerufen am 22.11.2024.