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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Beantwortung der Frage: Was muß etc.
fen und Hütten zusammengesetzt. Der Morgen Landes
konnte damals des Jahrs nicht 6 mgr. zur Heuer thun, und
Ochse, Einwohner und Pferd kröpelten das ganze Jahr auf
der umher liegenden großen Heyde herum, um die dürre Narbe
davon ab und in die Viehstelle zu fahren. Man konnte in
einiger Entfernung ganze Felder beynahe umsonst haben, we-
nigstens lag ein großer Theil verlassen und verwildert.

Was das schlimmste dabey war; so zogen die Einwohner
ihre Kinder nur für Fremde auf. So bald ein Mädgen nur
eben dienen konnte, floh es zur Hauptstadt, und die Söhne
giengen in alle Welt, so daß in vierzig Jahren gar keine neue
Wohnstätte angelegt, verschiedene alte aber eingegangen wa-
ren. Das Korn, was dort wuchs, muste, wenn die Einwoh-
ner etwas zum Absatze übrig hatten, weit zu Markte gefah-
ren werden, und dazu war das Heydefuhrwerk zu schwach;
folglich bauten sie selten mehr als sie selbst nöthig hatten, und
was allenfals übrig war, wurde unnöthiger Weise verfuttert,
oder zu Brandtewein verkocht. So war dieses Städtgen be-
schaffen, wie ich vor dreyßig Jahren durchreisete, und weil
ich etwas an meinem Wagen zerbrochen hatte, mich einen
ganzen langen Tag dort verweilen mußte.

Wie groß war aber nicht meine Verwunderung, als ich vor
einem halben Jahre wieder dahin kam, und in der Stadt eine
Menge der schönsten Häuser, ringsherum aber eine blühende
Flur entdeckte. Wie, sagte ich zu meinem Freunde, den ich
jetzt dort besuchte, ist hier ein großer Herr eingezogen, der die
Fantasie gehabt hat, einige hundert tausend Thaler in der Heyde
zu verschwenden? Oder hat der Commissarius loci Neubauer
angesetzt und denselben die große Heyde ausgetheilet? Oder
ist ein Philosoph hier erschienen, der den Einwohnern die Ver-
besserung des Ackerbaues gewiesen hat? Oder hat gar der Graf

von
Mösers patr. Phantas. II. Th. R

Beantwortung der Frage: Was muß ꝛc.
fen und Huͤtten zuſammengeſetzt. Der Morgen Landes
konnte damals des Jahrs nicht 6 mgr. zur Heuer thun, und
Ochſe, Einwohner und Pferd kroͤpelten das ganze Jahr auf
der umher liegenden großen Heyde herum, um die duͤrre Narbe
davon ab und in die Viehſtelle zu fahren. Man konnte in
einiger Entfernung ganze Felder beynahe umſonſt haben, we-
nigſtens lag ein großer Theil verlaſſen und verwildert.

Was das ſchlimmſte dabey war; ſo zogen die Einwohner
ihre Kinder nur fuͤr Fremde auf. So bald ein Maͤdgen nur
eben dienen konnte, floh es zur Hauptſtadt, und die Soͤhne
giengen in alle Welt, ſo daß in vierzig Jahren gar keine neue
Wohnſtaͤtte angelegt, verſchiedene alte aber eingegangen wa-
ren. Das Korn, was dort wuchs, muſte, wenn die Einwoh-
ner etwas zum Abſatze uͤbrig hatten, weit zu Markte gefah-
ren werden, und dazu war das Heydefuhrwerk zu ſchwach;
folglich bauten ſie ſelten mehr als ſie ſelbſt noͤthig hatten, und
was allenfals uͤbrig war, wurde unnoͤthiger Weiſe verfuttert,
oder zu Brandtewein verkocht. So war dieſes Staͤdtgen be-
ſchaffen, wie ich vor dreyßig Jahren durchreiſete, und weil
ich etwas an meinem Wagen zerbrochen hatte, mich einen
ganzen langen Tag dort verweilen mußte.

Wie groß war aber nicht meine Verwunderung, als ich vor
einem halben Jahre wieder dahin kam, und in der Stadt eine
Menge der ſchoͤnſten Haͤuſer, ringsherum aber eine bluͤhende
Flur entdeckte. Wie, ſagte ich zu meinem Freunde, den ich
jetzt dort beſuchte, iſt hier ein großer Herr eingezogen, der die
Fantaſie gehabt hat, einige hundert tauſend Thaler in der Heyde
zu verſchwenden? Oder hat der Commiſſarius loci Neubauer
angeſetzt und denſelben die große Heyde ausgetheilet? Oder
iſt ein Philoſoph hier erſchienen, der den Einwohnern die Ver-
beſſerung des Ackerbaues gewieſen hat? Oder hat gar der Graf

von
Möſers patr. Phantaſ. II. Th. R
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[257/0275] Beantwortung der Frage: Was muß ꝛc. fen und Huͤtten zuſammengeſetzt. Der Morgen Landes konnte damals des Jahrs nicht 6 mgr. zur Heuer thun, und Ochſe, Einwohner und Pferd kroͤpelten das ganze Jahr auf der umher liegenden großen Heyde herum, um die duͤrre Narbe davon ab und in die Viehſtelle zu fahren. Man konnte in einiger Entfernung ganze Felder beynahe umſonſt haben, we- nigſtens lag ein großer Theil verlaſſen und verwildert. Was das ſchlimmſte dabey war; ſo zogen die Einwohner ihre Kinder nur fuͤr Fremde auf. So bald ein Maͤdgen nur eben dienen konnte, floh es zur Hauptſtadt, und die Soͤhne giengen in alle Welt, ſo daß in vierzig Jahren gar keine neue Wohnſtaͤtte angelegt, verſchiedene alte aber eingegangen wa- ren. Das Korn, was dort wuchs, muſte, wenn die Einwoh- ner etwas zum Abſatze uͤbrig hatten, weit zu Markte gefah- ren werden, und dazu war das Heydefuhrwerk zu ſchwach; folglich bauten ſie ſelten mehr als ſie ſelbſt noͤthig hatten, und was allenfals uͤbrig war, wurde unnoͤthiger Weiſe verfuttert, oder zu Brandtewein verkocht. So war dieſes Staͤdtgen be- ſchaffen, wie ich vor dreyßig Jahren durchreiſete, und weil ich etwas an meinem Wagen zerbrochen hatte, mich einen ganzen langen Tag dort verweilen mußte. Wie groß war aber nicht meine Verwunderung, als ich vor einem halben Jahre wieder dahin kam, und in der Stadt eine Menge der ſchoͤnſten Haͤuſer, ringsherum aber eine bluͤhende Flur entdeckte. Wie, ſagte ich zu meinem Freunde, den ich jetzt dort beſuchte, iſt hier ein großer Herr eingezogen, der die Fantaſie gehabt hat, einige hundert tauſend Thaler in der Heyde zu verſchwenden? Oder hat der Commiſſarius loci Neubauer angeſetzt und denſelben die große Heyde ausgetheilet? Oder iſt ein Philoſoph hier erſchienen, der den Einwohnern die Ver- beſſerung des Ackerbaues gewieſen hat? Oder hat gar der Graf von Möſers patr. Phantaſ. II. Th. R

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/275>, abgerufen am 21.11.2024.