bewiesen; sie hat manches Fest verordnet und auch wiederum abgestellet, nachdem es die Bedürfnisse ihrer Kinder erfordert, und dieser ihre Pflicht ist es, ihre Weisheit sowol im Geben, als im Nehmen zu verehren.
Da sehr viele dieses nicht genung erkennen, und unsre ge- genwärtigen Zeiten, die noch kein einziges Fest zur Freude verordnet, wohl aber viele abgeschaffet haben, einer beson- dern Härte beschuldigen: so wird es vielleicht manchem zum Troste und zur Beruhigung gereichen, wenn wir über die mütterliche Oekonomie, welche die Kirche mit ihren Festen von Zeit zu Zeit gehalten, eine kurze Betrachtung anstellen, und solche unsern Lesern vorlegen.
Die Feste, welche wir bis dahin gefeyert haben, sind nicht alle von Anfang an und auch nicht alle sogleich von der ganzen Kirche gefeyert worden. Das Fest der heiligen Dreyfaltig- keit ist zuerst im zwölften, das Fronleichnamsfest im dreyzehn- ten und das Fest der Heimsuchung Mariä im vierzehnten Jahr- hundert, so wie andre früher oder später eingeführt, und erst nur in einigen, nachher aber in mehrern Ländern ge- feyert worden. Das Heyl der Menschen war hierinn der Kirche einziger Führer, und nachdem eine ausserordentliche Gefahr überstanden, oder die Kirche eines besondern göttlichen Schutzes genossen hatte, oder auch nachdem es Zeit, Sitten und Umstände nützlich und nothwendig machten, verordnete sie Feste, und erlaubte demjenigen der es thun konnte, seine ganze Zeit in heiliger Freude zuzubringen. Nach ihrem Wunsche mögte unsre ganze Lebenszeit, nur eine Feyer, und unsre Beschäftigung nichts wie Gottgefällige Freude seyn.
Allein so liebreich auch diese ihre Wünsche sind: so hat sie sich doch oft, durch eine noch höhere und edlere Liebe bewo- gen gesehen, ein Fest wiederum einzuziehen, was sie unter
an-
Mösers patr. Phantas.II.Th. S
Gedanken uͤber die Abſchaffung der Feyertage.
bewieſen; ſie hat manches Feſt verordnet und auch wiederum abgeſtellet, nachdem es die Beduͤrfniſſe ihrer Kinder erfordert, und dieſer ihre Pflicht iſt es, ihre Weisheit ſowol im Geben, als im Nehmen zu verehren.
Da ſehr viele dieſes nicht genung erkennen, und unſre ge- genwaͤrtigen Zeiten, die noch kein einziges Feſt zur Freude verordnet, wohl aber viele abgeſchaffet haben, einer beſon- dern Haͤrte beſchuldigen: ſo wird es vielleicht manchem zum Troſte und zur Beruhigung gereichen, wenn wir uͤber die muͤtterliche Oekonomie, welche die Kirche mit ihren Feſten von Zeit zu Zeit gehalten, eine kurze Betrachtung anſtellen, und ſolche unſern Leſern vorlegen.
Die Feſte, welche wir bis dahin gefeyert haben, ſind nicht alle von Anfang an und auch nicht alle ſogleich von der ganzen Kirche gefeyert worden. Das Feſt der heiligen Dreyfaltig- keit iſt zuerſt im zwoͤlften, das Fronleichnamsfeſt im dreyzehn- ten und das Feſt der Heimſuchung Mariaͤ im vierzehnten Jahr- hundert, ſo wie andre fruͤher oder ſpaͤter eingefuͤhrt, und erſt nur in einigen, nachher aber in mehrern Laͤndern ge- feyert worden. Das Heyl der Menſchen war hierinn der Kirche einziger Fuͤhrer, und nachdem eine auſſerordentliche Gefahr uͤberſtanden, oder die Kirche eines beſondern goͤttlichen Schutzes genoſſen hatte, oder auch nachdem es Zeit, Sitten und Umſtaͤnde nuͤtzlich und nothwendig machten, verordnete ſie Feſte, und erlaubte demjenigen der es thun konnte, ſeine ganze Zeit in heiliger Freude zuzubringen. Nach ihrem Wunſche moͤgte unſre ganze Lebenszeit, nur eine Feyer, und unſre Beſchaͤftigung nichts wie Gottgefaͤllige Freude ſeyn.
Allein ſo liebreich auch dieſe ihre Wuͤnſche ſind: ſo hat ſie ſich doch oft, durch eine noch hoͤhere und edlere Liebe bewo- gen geſehen, ein Feſt wiederum einzuziehen, was ſie unter
an-
Möſers patr. Phantaſ.II.Th. S
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0291"n="273"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Gedanken uͤber die Abſchaffung der Feyertage.</hi></fw><lb/>
bewieſen; ſie hat manches Feſt verordnet und auch wiederum<lb/>
abgeſtellet, nachdem es die Beduͤrfniſſe ihrer Kinder erfordert,<lb/>
und dieſer ihre Pflicht iſt es, ihre Weisheit ſowol im Geben,<lb/>
als im Nehmen zu verehren.</p><lb/><p>Da ſehr viele dieſes nicht genung erkennen, und unſre ge-<lb/>
genwaͤrtigen Zeiten, die noch kein einziges Feſt zur Freude<lb/>
verordnet, wohl aber viele abgeſchaffet haben, einer beſon-<lb/>
dern Haͤrte beſchuldigen: ſo wird es vielleicht manchem zum<lb/>
Troſte und zur Beruhigung gereichen, wenn wir uͤber die<lb/>
muͤtterliche Oekonomie, welche die Kirche mit ihren Feſten von<lb/>
Zeit zu Zeit gehalten, eine kurze Betrachtung anſtellen, und<lb/>ſolche unſern Leſern vorlegen.</p><lb/><p>Die Feſte, welche wir bis dahin gefeyert haben, ſind nicht<lb/>
alle von Anfang an und auch nicht alle ſogleich von der ganzen<lb/>
Kirche gefeyert worden. Das Feſt der heiligen Dreyfaltig-<lb/>
keit iſt zuerſt im zwoͤlften, das Fronleichnamsfeſt im dreyzehn-<lb/>
ten und das Feſt der Heimſuchung Mariaͤ im vierzehnten Jahr-<lb/>
hundert, ſo wie andre fruͤher oder ſpaͤter eingefuͤhrt, und<lb/>
erſt nur in einigen, nachher aber in mehrern Laͤndern ge-<lb/>
feyert worden. Das Heyl der Menſchen war hierinn der<lb/>
Kirche einziger Fuͤhrer, und nachdem eine auſſerordentliche<lb/>
Gefahr uͤberſtanden, oder die Kirche eines beſondern goͤttlichen<lb/>
Schutzes genoſſen hatte, oder auch nachdem es Zeit, Sitten<lb/>
und Umſtaͤnde nuͤtzlich und nothwendig machten, verordnete<lb/>ſie Feſte, und erlaubte demjenigen der es thun konnte, ſeine<lb/>
ganze Zeit in heiliger Freude zuzubringen. Nach ihrem<lb/>
Wunſche moͤgte unſre ganze Lebenszeit, nur eine Feyer, und<lb/>
unſre Beſchaͤftigung nichts wie Gottgefaͤllige Freude ſeyn.</p><lb/><p>Allein ſo liebreich auch dieſe ihre Wuͤnſche ſind: ſo hat ſie<lb/>ſich doch oft, durch eine noch hoͤhere und edlere Liebe bewo-<lb/>
gen geſehen, ein Feſt wiederum einzuziehen, was ſie unter<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Möſers patr. Phantaſ.</hi><hirendition="#aq">II.</hi><hirendition="#fr">Th.</hi> S</fw><fwplace="bottom"type="catch">an-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[273/0291]
Gedanken uͤber die Abſchaffung der Feyertage.
bewieſen; ſie hat manches Feſt verordnet und auch wiederum
abgeſtellet, nachdem es die Beduͤrfniſſe ihrer Kinder erfordert,
und dieſer ihre Pflicht iſt es, ihre Weisheit ſowol im Geben,
als im Nehmen zu verehren.
Da ſehr viele dieſes nicht genung erkennen, und unſre ge-
genwaͤrtigen Zeiten, die noch kein einziges Feſt zur Freude
verordnet, wohl aber viele abgeſchaffet haben, einer beſon-
dern Haͤrte beſchuldigen: ſo wird es vielleicht manchem zum
Troſte und zur Beruhigung gereichen, wenn wir uͤber die
muͤtterliche Oekonomie, welche die Kirche mit ihren Feſten von
Zeit zu Zeit gehalten, eine kurze Betrachtung anſtellen, und
ſolche unſern Leſern vorlegen.
Die Feſte, welche wir bis dahin gefeyert haben, ſind nicht
alle von Anfang an und auch nicht alle ſogleich von der ganzen
Kirche gefeyert worden. Das Feſt der heiligen Dreyfaltig-
keit iſt zuerſt im zwoͤlften, das Fronleichnamsfeſt im dreyzehn-
ten und das Feſt der Heimſuchung Mariaͤ im vierzehnten Jahr-
hundert, ſo wie andre fruͤher oder ſpaͤter eingefuͤhrt, und
erſt nur in einigen, nachher aber in mehrern Laͤndern ge-
feyert worden. Das Heyl der Menſchen war hierinn der
Kirche einziger Fuͤhrer, und nachdem eine auſſerordentliche
Gefahr uͤberſtanden, oder die Kirche eines beſondern goͤttlichen
Schutzes genoſſen hatte, oder auch nachdem es Zeit, Sitten
und Umſtaͤnde nuͤtzlich und nothwendig machten, verordnete
ſie Feſte, und erlaubte demjenigen der es thun konnte, ſeine
ganze Zeit in heiliger Freude zuzubringen. Nach ihrem
Wunſche moͤgte unſre ganze Lebenszeit, nur eine Feyer, und
unſre Beſchaͤftigung nichts wie Gottgefaͤllige Freude ſeyn.
Allein ſo liebreich auch dieſe ihre Wuͤnſche ſind: ſo hat ſie
ſich doch oft, durch eine noch hoͤhere und edlere Liebe bewo-
gen geſehen, ein Feſt wiederum einzuziehen, was ſie unter
an-
Möſers patr. Phantaſ. II. Th. S
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/291>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.