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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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über das neul. zu Stande gek. Reichsgutachten.
helms Herzogen zu Gülich Policeyordnung zusammengesetzt
sind, sich in unsre Gesellschaft eindringen, und aller Ehren
fähig werden. Diese werden wahrlich keine Genies anlocken
sich unter ihre Obrigkeit zu begeben.

Zwar haben Löbl. Reichsstädte sich bey dem unlängst zu
Stande gekommenen Reichsgutachten dieses vorbehalten, daß
an Orten und Enden, wo die Gilden und Zünf[t]e unmittelbar
an dem Magistrate Theil hätten, einige Mäßigung gebrau-
chet werden sollte. Allein dieser Vorbehalt macht das Uebel
nur noch ärger; denn wenn man dem Handwerke auch diesen
Theil der Ehre nimmt: so wird es gerade noch schlimmer wer-
den. Man mache für den Militairstand das Gesetz, daß kei-
ner von den Gemeinen jemals Officier werden solle; man gehe
weiter und lasse keinen Officier einige Zeit als Gemeinen die-
nen; und bringe denn Leute aus den Zucht- und Werkhäusern
unter die Fahne: so wird man bald sehen, was daraus für
eine Rotte werden wird.

Ueberhaupt weis ich nicht was unsre Gesetzgeber mit der
Unehre sagen wollen. Die Fürsten sind ohne Ehre des Kay-
sers, die Grafen ohne Ehre der Fürsten, die Edlen ohne
Ehre
der Grafen, die gemeinen Bannalisten ohne Ehre der
Edlen, und die Armen in dem Verstande der Reichsgesetze,
ohne Ehre der Gemeinen. Muß nun ein jeder diese Unehre
tragen, und erfordert das Wohl des Staats, daß jener Unter-
scheid sorgfältig beybehalten werde, warum soll er denn eben
bey der größten und nützlichsten Classe der Menschen hintan-
gesetzet werden? Warum soll der Troß im Lager und der ganze
Schwarm von Juden und Marketentern einerley Ehre mit
dem Soldaten haben? Unsre Vorfahren rechneten die Schä-
fer etc. unter die Marketenter, und darinn besteht dieser ihre

ganze
Mösers patr. Phantas. II. Th. T

uͤber das neul. zu Stande gek. Reichsgutachten.
helms Herzogen zu Guͤlich Policeyordnung zuſammengeſetzt
ſind, ſich in unſre Geſellſchaft eindringen, und aller Ehren
faͤhig werden. Dieſe werden wahrlich keine Genies anlocken
ſich unter ihre Obrigkeit zu begeben.

Zwar haben Loͤbl. Reichsſtaͤdte ſich bey dem unlaͤngſt zu
Stande gekommenen Reichsgutachten dieſes vorbehalten, daß
an Orten und Enden, wo die Gilden und Zuͤnf[t]e unmittelbar
an dem Magiſtrate Theil haͤtten, einige Maͤßigung gebrau-
chet werden ſollte. Allein dieſer Vorbehalt macht das Uebel
nur noch aͤrger; denn wenn man dem Handwerke auch dieſen
Theil der Ehre nimmt: ſo wird es gerade noch ſchlimmer wer-
den. Man mache fuͤr den Militairſtand das Geſetz, daß kei-
ner von den Gemeinen jemals Officier werden ſolle; man gehe
weiter und laſſe keinen Officier einige Zeit als Gemeinen die-
nen; und bringe denn Leute aus den Zucht- und Werkhaͤuſern
unter die Fahne: ſo wird man bald ſehen, was daraus fuͤr
eine Rotte werden wird.

Ueberhaupt weis ich nicht was unſre Geſetzgeber mit der
Unehre ſagen wollen. Die Fuͤrſten ſind ohne Ehre des Kay-
ſers, die Grafen ohne Ehre der Fuͤrſten, die Edlen ohne
Ehre
der Grafen, die gemeinen Bannaliſten ohne Ehre der
Edlen, und die Armen in dem Verſtande der Reichsgeſetze,
ohne Ehre der Gemeinen. Muß nun ein jeder dieſe Unehre
tragen, und erfordert das Wohl des Staats, daß jener Unter-
ſcheid ſorgfaͤltig beybehalten werde, warum ſoll er denn eben
bey der groͤßten und nuͤtzlichſten Claſſe der Menſchen hintan-
geſetzet werden? Warum ſoll der Troß im Lager und der ganze
Schwarm von Juden und Marketentern einerley Ehre mit
dem Soldaten haben? Unſre Vorfahren rechneten die Schaͤ-
fer ꝛc. unter die Marketenter, und darinn beſteht dieſer ihre

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[289/0307] uͤber das neul. zu Stande gek. Reichsgutachten. helms Herzogen zu Guͤlich Policeyordnung zuſammengeſetzt ſind, ſich in unſre Geſellſchaft eindringen, und aller Ehren faͤhig werden. Dieſe werden wahrlich keine Genies anlocken ſich unter ihre Obrigkeit zu begeben. Zwar haben Loͤbl. Reichsſtaͤdte ſich bey dem unlaͤngſt zu Stande gekommenen Reichsgutachten dieſes vorbehalten, daß an Orten und Enden, wo die Gilden und Zuͤnfte unmittelbar an dem Magiſtrate Theil haͤtten, einige Maͤßigung gebrau- chet werden ſollte. Allein dieſer Vorbehalt macht das Uebel nur noch aͤrger; denn wenn man dem Handwerke auch dieſen Theil der Ehre nimmt: ſo wird es gerade noch ſchlimmer wer- den. Man mache fuͤr den Militairſtand das Geſetz, daß kei- ner von den Gemeinen jemals Officier werden ſolle; man gehe weiter und laſſe keinen Officier einige Zeit als Gemeinen die- nen; und bringe denn Leute aus den Zucht- und Werkhaͤuſern unter die Fahne: ſo wird man bald ſehen, was daraus fuͤr eine Rotte werden wird. Ueberhaupt weis ich nicht was unſre Geſetzgeber mit der Unehre ſagen wollen. Die Fuͤrſten ſind ohne Ehre des Kay- ſers, die Grafen ohne Ehre der Fuͤrſten, die Edlen ohne Ehre der Grafen, die gemeinen Bannaliſten ohne Ehre der Edlen, und die Armen in dem Verſtande der Reichsgeſetze, ohne Ehre der Gemeinen. Muß nun ein jeder dieſe Unehre tragen, und erfordert das Wohl des Staats, daß jener Unter- ſcheid ſorgfaͤltig beybehalten werde, warum ſoll er denn eben bey der groͤßten und nuͤtzlichſten Claſſe der Menſchen hintan- geſetzet werden? Warum ſoll der Troß im Lager und der ganze Schwarm von Juden und Marketentern einerley Ehre mit dem Soldaten haben? Unſre Vorfahren rechneten die Schaͤ- fer ꝛc. unter die Marketenter, und darinn beſteht dieſer ihre ganze Möſers patr. Phantaſ. II. Th. T

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/307>, abgerufen am 23.11.2024.