zur Zeit, wann Realfreyheit die Ueberhand gewinnet. In den mittlern Zeiten währte dieses noch fort. Alles was ein adlicher Landsasse oder Dienstmann heute mit seinem eignen noch so weitläuftigen Haushalte bauete, war frey, und wenn er es Morgen einem Bauer zur Erbpacht gab, oder an einen unfreyen Mann verkaufte: so gieng die Freyheit nicht mit über, und der Grund veredelte oder verbauerte sich nach der Beschaffenheit seines erblichen Besitzers.
So lange der Staat wenig Steuren und hingegen viele tapfere Hände oder Dienstleute forderte, war jede Befreyung ein Zuwachs seiner Macht; ein Dienstmann, der sich auf ei- nen Bauernhof setzte und ihn befreyete, war ein wahrer Ge- winn. Wie aber allmählich Steuren erfordert und Söldner angeworben wurden, veränderte sich das Interesse des Staats, und mit diesem die Politik. Nun mußte man der persönli- chen Freyheit Schranken setzen, und verfiel auf verschiedene Mittel. Der eine Staat machte es zum Grundsatze: nur derjenige soll den Hof den er bewohnt, befreyen können, der so viel als zweyhundert Tonnen hart Korn in dem Staate jährlich einzunehmen hat. Der andre setzte fest, daß einer zwölf Höfe besitzen müste, um Einen durch seine Wohnung zu befreyen; die mehrsten aber fielen auf das uti possidetis, und gaben mithin dasjenige was eine persönlich freye Familie lange als frey besessen hatte, verlohren, setzten aber dagegen fest, daß von nun an keiner mit seiner Person fernerhin etwas befreyen sollte.
Die Kataster oder Steuerbücher welche um diese Zeit auf- kamen, unterstützten diesen Plan. Dasjenige was damals würklich steurete, wurde dar inn beschrieben, und so mit gegen alle fernere Befreyung gedeckt; dasjenige aber was zu der Zeit von langer Hand einen persönlich freyen Besitzer gehabt hatte, wurde auf ewig für frey erklärt.
Man
Von der Real- und Perſonalfreyheit.
zur Zeit, wann Realfreyheit die Ueberhand gewinnet. In den mittlern Zeiten waͤhrte dieſes noch fort. Alles was ein adlicher Landſaſſe oder Dienſtmann heute mit ſeinem eignen noch ſo weitlaͤuftigen Haushalte bauete, war frey, und wenn er es Morgen einem Bauer zur Erbpacht gab, oder an einen unfreyen Mann verkaufte: ſo gieng die Freyheit nicht mit uͤber, und der Grund veredelte oder verbauerte ſich nach der Beſchaffenheit ſeines erblichen Beſitzers.
So lange der Staat wenig Steuren und hingegen viele tapfere Haͤnde oder Dienſtleute forderte, war jede Befreyung ein Zuwachs ſeiner Macht; ein Dienſtmann, der ſich auf ei- nen Bauernhof ſetzte und ihn befreyete, war ein wahrer Ge- winn. Wie aber allmaͤhlich Steuren erfordert und Soͤldner angeworben wurden, veraͤnderte ſich das Intereſſe des Staats, und mit dieſem die Politik. Nun mußte man der perſoͤnli- chen Freyheit Schranken ſetzen, und verfiel auf verſchiedene Mittel. Der eine Staat machte es zum Grundſatze: nur derjenige ſoll den Hof den er bewohnt, befreyen koͤnnen, der ſo viel als zweyhundert Tonnen hart Korn in dem Staate jaͤhrlich einzunehmen hat. Der andre ſetzte feſt, daß einer zwoͤlf Hoͤfe beſitzen muͤſte, um Einen durch ſeine Wohnung zu befreyen; die mehrſten aber fielen auf das uti poſſidetis, und gaben mithin dasjenige was eine perſoͤnlich freye Familie lange als frey beſeſſen hatte, verlohren, ſetzten aber dagegen feſt, daß von nun an keiner mit ſeiner Perſon fernerhin etwas befreyen ſollte.
Die Kataſter oder Steuerbuͤcher welche um dieſe Zeit auf- kamen, unterſtuͤtzten dieſen Plan. Dasjenige was damals wuͤrklich ſteurete, wurde dar inn beſchrieben, und ſo mit gegen alle fernere Befreyung gedeckt; dasjenige aber was zu der Zeit von langer Hand einen perſoͤnlich freyen Beſitzer gehabt hatte, wurde auf ewig fuͤr frey erklaͤrt.
Man
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Von der Real- und Perſonalfreyheit.
zur Zeit, wann Realfreyheit die Ueberhand gewinnet. In
den mittlern Zeiten waͤhrte dieſes noch fort. Alles was ein
adlicher Landſaſſe oder Dienſtmann heute mit ſeinem eignen
noch ſo weitlaͤuftigen Haushalte bauete, war frey, und wenn
er es Morgen einem Bauer zur Erbpacht gab, oder an einen
unfreyen Mann verkaufte: ſo gieng die Freyheit nicht mit
uͤber, und der Grund veredelte oder verbauerte ſich nach der
Beſchaffenheit ſeines erblichen Beſitzers.
So lange der Staat wenig Steuren und hingegen viele
tapfere Haͤnde oder Dienſtleute forderte, war jede Befreyung
ein Zuwachs ſeiner Macht; ein Dienſtmann, der ſich auf ei-
nen Bauernhof ſetzte und ihn befreyete, war ein wahrer Ge-
winn. Wie aber allmaͤhlich Steuren erfordert und Soͤldner
angeworben wurden, veraͤnderte ſich das Intereſſe des Staats,
und mit dieſem die Politik. Nun mußte man der perſoͤnli-
chen Freyheit Schranken ſetzen, und verfiel auf verſchiedene
Mittel. Der eine Staat machte es zum Grundſatze: nur
derjenige ſoll den Hof den er bewohnt, befreyen koͤnnen, der
ſo viel als zweyhundert Tonnen hart Korn in dem Staate
jaͤhrlich einzunehmen hat. Der andre ſetzte feſt, daß einer
zwoͤlf Hoͤfe beſitzen muͤſte, um Einen durch ſeine Wohnung zu
befreyen; die mehrſten aber fielen auf das uti poſſidetis, und
gaben mithin dasjenige was eine perſoͤnlich freye Familie lange
als frey beſeſſen hatte, verlohren, ſetzten aber dagegen feſt,
daß von nun an keiner mit ſeiner Perſon fernerhin etwas
befreyen ſollte.
Die Kataſter oder Steuerbuͤcher welche um dieſe Zeit auf-
kamen, unterſtuͤtzten dieſen Plan. Dasjenige was damals
wuͤrklich ſteurete, wurde dar inn beſchrieben, und ſo mit gegen
alle fernere Befreyung gedeckt; dasjenige aber was zu der Zeit
von langer Hand einen perſoͤnlich freyen Beſitzer gehabt hatte,
wurde auf ewig fuͤr frey erklaͤrt.
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/350>, abgerufen am 24.11.2024.
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