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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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einheimischer Rechtsfälle.

Sonderbare und mit höhern Grundsätzen streitende Ent-
scheidungen müssen ausfallen und nur die billigen und practi-
cablen eingerücket werden. Daher auch keine einen Platz
darinn erhalten kan, welche nicht von Zweydritteln der Ge-
sellschaft vorher gebilliget worden.

Die Gesellschaft richtete vorzüglich ihre Absicht dahin, eine
Sammlung entschiedener Rechtsfälle zu liefern, worauf ein-
mahl ein Landesherr seine Gerichtshöfe verweisen und ihnen,
um darnach in vorkommenden Fällen zu sprechen, anbefehlen
könnte.

Jeder Rechtsgelehrte könnte darinn aufgenommen werden,
wenn er sich obigen Bedingungen unterwerfen wollte.

Alle Wochen versammlete sich die Gesellschaft einmahl an
einem gemeinschaftlichen Orte. Jedes Mitglied trüge darinn
zuerst den Rechtsfall vor, worüber man sich bey der nächsten
Versammlung unterreden wollte. In der nächsten Versamm-
lung, nachdem ein jeder vorher zu Hause den Fall überdacht,
und was er für einheimische Nachrichten davon hätte, mit sich
gebracht, sagte die Gesellschaft ihre Meinung darüber und
theilte demjenigen, der den Rechtsfall aufgeworfen, seine
Gründe und Nachrichten mit. In der dritten Versammlung
würde er ausgearbeitet verlesen, und nachdem die Ausarbei-
tung gebilliget, zur künftigen Sammlung hingelegt.

In der zweyten Versammlung würden dann wiederum zu-
gleich die neuen Rechtsfälle, welche in der dritten auf gleiche
Weise überlegt, und in der vierten ausgearbeitet geliefert wer-
den sollten, angezeigt, und so weiter beständig verfahren.

Diese vorherige Gesellschaftliche Ueberlegung dient dazu,
damit die Grundsätze, woraus jeder für sich abreiset, mit dem
Geist des Ganzen in der Harmonie bleiben; die Sache selbst

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einheimiſcher Rechtsfaͤlle.

Sonderbare und mit hoͤhern Grundſaͤtzen ſtreitende Ent-
ſcheidungen muͤſſen ausfallen und nur die billigen und practi-
cablen eingeruͤcket werden. Daher auch keine einen Platz
darinn erhalten kan, welche nicht von Zweydritteln der Ge-
ſellſchaft vorher gebilliget worden.

Die Geſellſchaft richtete vorzuͤglich ihre Abſicht dahin, eine
Sammlung entſchiedener Rechtsfaͤlle zu liefern, worauf ein-
mahl ein Landesherr ſeine Gerichtshoͤfe verweiſen und ihnen,
um darnach in vorkommenden Faͤllen zu ſprechen, anbefehlen
koͤnnte.

Jeder Rechtsgelehrte koͤnnte darinn aufgenommen werden,
wenn er ſich obigen Bedingungen unterwerfen wollte.

Alle Wochen verſammlete ſich die Geſellſchaft einmahl an
einem gemeinſchaftlichen Orte. Jedes Mitglied truͤge darinn
zuerſt den Rechtsfall vor, woruͤber man ſich bey der naͤchſten
Verſammlung unterreden wollte. In der naͤchſten Verſamm-
lung, nachdem ein jeder vorher zu Hauſe den Fall uͤberdacht,
und was er fuͤr einheimiſche Nachrichten davon haͤtte, mit ſich
gebracht, ſagte die Geſellſchaft ihre Meinung daruͤber und
theilte demjenigen, der den Rechtsfall aufgeworfen, ſeine
Gruͤnde und Nachrichten mit. In der dritten Verſammlung
wuͤrde er ausgearbeitet verleſen, und nachdem die Ausarbei-
tung gebilliget, zur kuͤnftigen Sammlung hingelegt.

In der zweyten Verſammlung wuͤrden dann wiederum zu-
gleich die neuen Rechtsfaͤlle, welche in der dritten auf gleiche
Weiſe uͤberlegt, und in der vierten ausgearbeitet geliefert wer-
den ſollten, angezeigt, und ſo weiter beſtaͤndig verfahren.

Dieſe vorherige Geſellſchaftliche Ueberlegung dient dazu,
damit die Grundſaͤtze, woraus jeder fuͤr ſich abreiſet, mit dem
Geiſt des Ganzen in der Harmonie bleiben; die Sache ſelbſt

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[345/0363] einheimiſcher Rechtsfaͤlle. Sonderbare und mit hoͤhern Grundſaͤtzen ſtreitende Ent- ſcheidungen muͤſſen ausfallen und nur die billigen und practi- cablen eingeruͤcket werden. Daher auch keine einen Platz darinn erhalten kan, welche nicht von Zweydritteln der Ge- ſellſchaft vorher gebilliget worden. Die Geſellſchaft richtete vorzuͤglich ihre Abſicht dahin, eine Sammlung entſchiedener Rechtsfaͤlle zu liefern, worauf ein- mahl ein Landesherr ſeine Gerichtshoͤfe verweiſen und ihnen, um darnach in vorkommenden Faͤllen zu ſprechen, anbefehlen koͤnnte. Jeder Rechtsgelehrte koͤnnte darinn aufgenommen werden, wenn er ſich obigen Bedingungen unterwerfen wollte. Alle Wochen verſammlete ſich die Geſellſchaft einmahl an einem gemeinſchaftlichen Orte. Jedes Mitglied truͤge darinn zuerſt den Rechtsfall vor, woruͤber man ſich bey der naͤchſten Verſammlung unterreden wollte. In der naͤchſten Verſamm- lung, nachdem ein jeder vorher zu Hauſe den Fall uͤberdacht, und was er fuͤr einheimiſche Nachrichten davon haͤtte, mit ſich gebracht, ſagte die Geſellſchaft ihre Meinung daruͤber und theilte demjenigen, der den Rechtsfall aufgeworfen, ſeine Gruͤnde und Nachrichten mit. In der dritten Verſammlung wuͤrde er ausgearbeitet verleſen, und nachdem die Ausarbei- tung gebilliget, zur kuͤnftigen Sammlung hingelegt. In der zweyten Verſammlung wuͤrden dann wiederum zu- gleich die neuen Rechtsfaͤlle, welche in der dritten auf gleiche Weiſe uͤberlegt, und in der vierten ausgearbeitet geliefert wer- den ſollten, angezeigt, und ſo weiter beſtaͤndig verfahren. Dieſe vorherige Geſellſchaftliche Ueberlegung dient dazu, damit die Grundſaͤtze, woraus jeder fuͤr ſich abreiſet, mit dem Geiſt des Ganzen in der Harmonie bleiben; die Sache ſelbſt aber Y 5

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/363>, abgerufen am 25.11.2024.