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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Das Pro und Contra der Wochenmärkte.
nicht bey Kleinigkeiten, sondern in beträchtlichen Summen,
welche nicht so durch die Finger fallen. Ihre Kinder genies-
sen der elterlichen Aufsicht, der Mann hat seine Pflege nach
der Arbeit, das Gesinde wird ordentlich gehalten, und die
Kleidung wird nicht in Wind und Wetter auf der Heerstraße
verdorben.

Der Bürger hat zwar hiebey die Bequemlichkeit nicht, sich
täglich zu versorgen, und bloß vom Markte zu leben. Allein
er ist gewohnt seinen Vorrath zu machen, und er ißt dort
eben so satt als andre, so bloß für einen Tag einkaufen. Da
er sich, wie es in kleinen Städten insgemein die Nothdurft
erfordert, selbst mit dem Acker- und Gartenbau wie auch mit
der Viehzucht abzugeben weiß: so zieht er harte Kinder, und
verwöhnt die ihm dienenden Töchter der Landwirthe nicht;
diese können immer wieder von der Stadtwirthschaft zur Land-
wirthschaft übergehen, und ihre erworbene Kenntnisse dorten
ausbreiten. Die Reinigkeit der Sitten wird nicht durch die
marktgängige Freyheit verdorben, und die Zwischenräu-
me der Zeit werden nicht so eitel als an solchen Orten
zugebracht, wo die Magd weiter nichts zu thun hat, als
was den Tag über gebraucht wird, vom nähesten Markte zu
holen. ....

So würde ich Ihnen antworten, und dieses in Rousseaui-
scher Manier übertreiben, wann Sie mir mit Satyren begeg-
nen wollen. Bleiben Sie aber bey dem Gemählde ihrer
Gemächlichkeit stehen: so will ich Ihre Behauptung in Anse-
hung der großen Städte, wo sich ein eignes, von dem Land-
bauer unterschiednes Geschlecht, von dem Verkauf seiner Gar-
tenfrüchte ernähren kan, gelten lassen. Nur den wahren
Landmann müssen Sie nicht reizen wollen, einen Marktläufer
abzugeben. Es ist genug daß er nach seiner Gelegenheit sei-

nen
B b 3

Das Pro und Contra der Wochenmaͤrkte.
nicht bey Kleinigkeiten, ſondern in betraͤchtlichen Summen,
welche nicht ſo durch die Finger fallen. Ihre Kinder genieſ-
ſen der elterlichen Aufſicht, der Mann hat ſeine Pflege nach
der Arbeit, das Geſinde wird ordentlich gehalten, und die
Kleidung wird nicht in Wind und Wetter auf der Heerſtraße
verdorben.

Der Buͤrger hat zwar hiebey die Bequemlichkeit nicht, ſich
taͤglich zu verſorgen, und bloß vom Markte zu leben. Allein
er iſt gewohnt ſeinen Vorrath zu machen, und er ißt dort
eben ſo ſatt als andre, ſo bloß fuͤr einen Tag einkaufen. Da
er ſich, wie es in kleinen Staͤdten insgemein die Nothdurft
erfordert, ſelbſt mit dem Acker- und Gartenbau wie auch mit
der Viehzucht abzugeben weiß: ſo zieht er harte Kinder, und
verwoͤhnt die ihm dienenden Toͤchter der Landwirthe nicht;
dieſe koͤnnen immer wieder von der Stadtwirthſchaft zur Land-
wirthſchaft uͤbergehen, und ihre erworbene Kenntniſſe dorten
ausbreiten. Die Reinigkeit der Sitten wird nicht durch die
marktgaͤngige Freyheit verdorben, und die Zwiſchenraͤu-
me der Zeit werden nicht ſo eitel als an ſolchen Orten
zugebracht, wo die Magd weiter nichts zu thun hat, als
was den Tag uͤber gebraucht wird, vom naͤheſten Markte zu
holen. ....

So wuͤrde ich Ihnen antworten, und dieſes in Rouſſeaui-
ſcher Manier uͤbertreiben, wann Sie mir mit Satyren begeg-
nen wollen. Bleiben Sie aber bey dem Gemaͤhlde ihrer
Gemaͤchlichkeit ſtehen: ſo will ich Ihre Behauptung in Anſe-
hung der großen Staͤdte, wo ſich ein eignes, von dem Land-
bauer unterſchiednes Geſchlecht, von dem Verkauf ſeiner Gar-
tenfruͤchte ernaͤhren kan, gelten laſſen. Nur den wahren
Landmann muͤſſen Sie nicht reizen wollen, einen Marktlaͤufer
abzugeben. Es iſt genug daß er nach ſeiner Gelegenheit ſei-

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[389/0407] Das Pro und Contra der Wochenmaͤrkte. nicht bey Kleinigkeiten, ſondern in betraͤchtlichen Summen, welche nicht ſo durch die Finger fallen. Ihre Kinder genieſ- ſen der elterlichen Aufſicht, der Mann hat ſeine Pflege nach der Arbeit, das Geſinde wird ordentlich gehalten, und die Kleidung wird nicht in Wind und Wetter auf der Heerſtraße verdorben. Der Buͤrger hat zwar hiebey die Bequemlichkeit nicht, ſich taͤglich zu verſorgen, und bloß vom Markte zu leben. Allein er iſt gewohnt ſeinen Vorrath zu machen, und er ißt dort eben ſo ſatt als andre, ſo bloß fuͤr einen Tag einkaufen. Da er ſich, wie es in kleinen Staͤdten insgemein die Nothdurft erfordert, ſelbſt mit dem Acker- und Gartenbau wie auch mit der Viehzucht abzugeben weiß: ſo zieht er harte Kinder, und verwoͤhnt die ihm dienenden Toͤchter der Landwirthe nicht; dieſe koͤnnen immer wieder von der Stadtwirthſchaft zur Land- wirthſchaft uͤbergehen, und ihre erworbene Kenntniſſe dorten ausbreiten. Die Reinigkeit der Sitten wird nicht durch die marktgaͤngige Freyheit verdorben, und die Zwiſchenraͤu- me der Zeit werden nicht ſo eitel als an ſolchen Orten zugebracht, wo die Magd weiter nichts zu thun hat, als was den Tag uͤber gebraucht wird, vom naͤheſten Markte zu holen. .... So wuͤrde ich Ihnen antworten, und dieſes in Rouſſeaui- ſcher Manier uͤbertreiben, wann Sie mir mit Satyren begeg- nen wollen. Bleiben Sie aber bey dem Gemaͤhlde ihrer Gemaͤchlichkeit ſtehen: ſo will ich Ihre Behauptung in Anſe- hung der großen Staͤdte, wo ſich ein eignes, von dem Land- bauer unterſchiednes Geſchlecht, von dem Verkauf ſeiner Gar- tenfruͤchte ernaͤhren kan, gelten laſſen. Nur den wahren Landmann muͤſſen Sie nicht reizen wollen, einen Marktlaͤufer abzugeben. Es iſt genug daß er nach ſeiner Gelegenheit ſei- nen B b 3

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/407>, abgerufen am 22.11.2024.