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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Nachricht von einer einheimischen, beständigen


LXIX.
Nachricht von einer einheimischen, bestän-
digen und wohlfeilen Schaubühne.

Endlich bin ich mit meiner hiesigen Schauspielergesellschaft
fertig. Die zwölf armen Waisenkinder, die ich mir vor
zehn Jahren von unserm Fürsten dazu ausgebeten habe, sollen
diesen Winter zum erstenmal öffentlich erscheinen und für Geld
spielen, und wie ich hoffe alles in Entzückung setzen. Einige
unter ihnen singen dabey vortreflich und fast alle tanzen gut.
Es hat freylich Mühe und Arbeit gekostet, sie zu dieser Voll-
kommenheit zu bringen. Ich hoffe aber dem Staate einen
wesentlichen Dienst auf ewig geleistet zu haben. Es sind schon
viele Mütter bey mir gewesen, die mir ihre Kinder in gleicher
Absicht anbieten, und der Geist dieser Anstalt kan sich nie
wieder verlieren, so lange die Menschen ihr Vergnügen lieben.

Einer von ihnen ist bey dem Fürsten als Hoflakay im
Dienste; ein andrer nährt sich als Mahler; noch einer ist
Kupferstecher und alle haben ein Handwerk dabey gelernt,
wovon sie zur Noth ihr Brodt haben können und zum Theil
auch suchen sollen. Die Mädgen sind geschickt in allerley Ar-
ten von Arbeit, daß sich ein jeder in sie verliebt, und sie sind
so gut erzogen, so fest in ihren Grundsätzen, daß ich in der
Folge weniger für sie als für andrer ehrlicher Leute Töchter be-
sorgt bin.

Anfangs hielt es etwas schwer sie zu formen. Allein wie
sie nur acht Tage auf eine feine Art gekleidet gewesen waren,
brauchte ich einem widerspenstigen nur die Kleider ausziehen

und
Nachricht von einer einheimiſchen, beſtaͤndigen


LXIX.
Nachricht von einer einheimiſchen, beſtaͤn-
digen und wohlfeilen Schaubuͤhne.

Endlich bin ich mit meiner hieſigen Schauſpielergeſellſchaft
fertig. Die zwoͤlf armen Waiſenkinder, die ich mir vor
zehn Jahren von unſerm Fuͤrſten dazu ausgebeten habe, ſollen
dieſen Winter zum erſtenmal oͤffentlich erſcheinen und fuͤr Geld
ſpielen, und wie ich hoffe alles in Entzuͤckung ſetzen. Einige
unter ihnen ſingen dabey vortreflich und faſt alle tanzen gut.
Es hat freylich Muͤhe und Arbeit gekoſtet, ſie zu dieſer Voll-
kommenheit zu bringen. Ich hoffe aber dem Staate einen
weſentlichen Dienſt auf ewig geleiſtet zu haben. Es ſind ſchon
viele Muͤtter bey mir geweſen, die mir ihre Kinder in gleicher
Abſicht anbieten, und der Geiſt dieſer Anſtalt kan ſich nie
wieder verlieren, ſo lange die Menſchen ihr Vergnuͤgen lieben.

Einer von ihnen iſt bey dem Fuͤrſten als Hoflakay im
Dienſte; ein andrer naͤhrt ſich als Mahler; noch einer iſt
Kupferſtecher und alle haben ein Handwerk dabey gelernt,
wovon ſie zur Noth ihr Brodt haben koͤnnen und zum Theil
auch ſuchen ſollen. Die Maͤdgen ſind geſchickt in allerley Ar-
ten von Arbeit, daß ſich ein jeder in ſie verliebt, und ſie ſind
ſo gut erzogen, ſo feſt in ihren Grundſaͤtzen, daß ich in der
Folge weniger fuͤr ſie als fuͤr andrer ehrlicher Leute Toͤchter be-
ſorgt bin.

Anfangs hielt es etwas ſchwer ſie zu formen. Allein wie
ſie nur acht Tage auf eine feine Art gekleidet geweſen waren,
brauchte ich einem widerſpenſtigen nur die Kleider ausziehen

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[396/0414] Nachricht von einer einheimiſchen, beſtaͤndigen LXIX. Nachricht von einer einheimiſchen, beſtaͤn- digen und wohlfeilen Schaubuͤhne. Endlich bin ich mit meiner hieſigen Schauſpielergeſellſchaft fertig. Die zwoͤlf armen Waiſenkinder, die ich mir vor zehn Jahren von unſerm Fuͤrſten dazu ausgebeten habe, ſollen dieſen Winter zum erſtenmal oͤffentlich erſcheinen und fuͤr Geld ſpielen, und wie ich hoffe alles in Entzuͤckung ſetzen. Einige unter ihnen ſingen dabey vortreflich und faſt alle tanzen gut. Es hat freylich Muͤhe und Arbeit gekoſtet, ſie zu dieſer Voll- kommenheit zu bringen. Ich hoffe aber dem Staate einen weſentlichen Dienſt auf ewig geleiſtet zu haben. Es ſind ſchon viele Muͤtter bey mir geweſen, die mir ihre Kinder in gleicher Abſicht anbieten, und der Geiſt dieſer Anſtalt kan ſich nie wieder verlieren, ſo lange die Menſchen ihr Vergnuͤgen lieben. Einer von ihnen iſt bey dem Fuͤrſten als Hoflakay im Dienſte; ein andrer naͤhrt ſich als Mahler; noch einer iſt Kupferſtecher und alle haben ein Handwerk dabey gelernt, wovon ſie zur Noth ihr Brodt haben koͤnnen und zum Theil auch ſuchen ſollen. Die Maͤdgen ſind geſchickt in allerley Ar- ten von Arbeit, daß ſich ein jeder in ſie verliebt, und ſie ſind ſo gut erzogen, ſo feſt in ihren Grundſaͤtzen, daß ich in der Folge weniger fuͤr ſie als fuͤr andrer ehrlicher Leute Toͤchter be- ſorgt bin. Anfangs hielt es etwas ſchwer ſie zu formen. Allein wie ſie nur acht Tage auf eine feine Art gekleidet geweſen waren, brauchte ich einem widerſpenſtigen nur die Kleider ausziehen und

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/414>, abgerufen am 22.11.2024.