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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Das englische Gärtgen.
chinesische Brücke, wozu mein Mann das neueste Modell aus
England erhalten, angelegt, und ein eigner Fluß dazu aus-
gegraben werden, worinn ein halb Dutzend Schildkröten,
die bereits fertig sind, zu liegen kommen werden. Jenseits
der Brücken, gerade da, wo der Großmama ihre Bleich-
hütte war, kommt ein allerliebster kleiner gothischer Dom zu
stehn, weil mein Mann Gotherich Dom heißt. Wie ich
vermuthe, hat er diese Idee aus dem Garten zu Stove ge-
nommen, worinn der Lord Tempel so viele Tempel angelegt
hat. Der Dom wird zwar nicht viel größer werden, als
das Schilderhäusgen, worinn der Onkel Toby mit dem Cor-
poral Trim (doch Sie werden dieses nicht verstehn, Sie ha-
ben den Tristram Shandy nicht gelesen) die Belagerungen in
seinem Garten commandirte. Aber die gothische Arbeit dar-
an wird doch allemal das Auge der Neugierigen an sich zie-
hen, und oben drauf kommt ein Fetisch zu siehen. Kurz, ihr
gutes Gärtgen, liebe Großmama, gleicht jetzt einer bezau-
berten Insel, worauf man alles findet, was man nicht dar-
auf suchet, und von dem was man darauf suchet, nichts fin-
det. Mögten Sie doch in ihrem Leben noch einmal zu Uns
kommen und alle diese Hexereyen mit ansehen können! Sie
waren sonst eine so große Bewundererin der Bären und Pfauen
von Taxus, womit in ihrer Jugend die fürstlichen Gärten
geschränckt waren; was für ein Vergnügen würde es Ihnen
nun nicht seyn zu sehen, durch was für erhabene Schönheiten
diese altfränkischen Sachen verdrängt worden! Sie müssen
aber bald kommen; denn wir werden noch vor dem Winter
nach Schevelingen reisen, um den englischen Garten zu sehen,
welchen der Graf von Bentink dort auf den Sanddünen an-
gelegt hat. Alles was die Größe der Kunst dort aus dem
elendesten Sande gemacht hat das denkt mein Mann müsse
auf einem guten Ackergrunde gewiß gerathen; und er bedan-

ret

Das engliſche Gaͤrtgen.
chineſiſche Bruͤcke, wozu mein Mann das neueſte Modell aus
England erhalten, angelegt, und ein eigner Fluß dazu aus-
gegraben werden, worinn ein halb Dutzend Schildkroͤten,
die bereits fertig ſind, zu liegen kommen werden. Jenſeits
der Bruͤcken, gerade da, wo der Großmama ihre Bleich-
huͤtte war, kommt ein allerliebſter kleiner gothiſcher Dom zu
ſtehn, weil mein Mann Gotherich Dom heißt. Wie ich
vermuthe, hat er dieſe Idee aus dem Garten zu Stove ge-
nommen, worinn der Lord Tempel ſo viele Tempel angelegt
hat. Der Dom wird zwar nicht viel groͤßer werden, als
das Schilderhaͤusgen, worinn der Onkel Toby mit dem Cor-
poral Trim (doch Sie werden dieſes nicht verſtehn, Sie ha-
ben den Triſtram Shandy nicht geleſen) die Belagerungen in
ſeinem Garten commandirte. Aber die gothiſche Arbeit dar-
an wird doch allemal das Auge der Neugierigen an ſich zie-
hen, und oben drauf kommt ein Fetiſch zu ſiehen. Kurz, ihr
gutes Gaͤrtgen, liebe Großmama, gleicht jetzt einer bezau-
berten Inſel, worauf man alles findet, was man nicht dar-
auf ſuchet, und von dem was man darauf ſuchet, nichts fin-
det. Moͤgten Sie doch in ihrem Leben noch einmal zu Uns
kommen und alle dieſe Hexereyen mit anſehen koͤnnen! Sie
waren ſonſt eine ſo große Bewundererin der Baͤren und Pfauen
von Taxus, womit in ihrer Jugend die fuͤrſtlichen Gaͤrten
geſchraͤnckt waren; was fuͤr ein Vergnuͤgen wuͤrde es Ihnen
nun nicht ſeyn zu ſehen, durch was fuͤr erhabene Schoͤnheiten
dieſe altfraͤnkiſchen Sachen verdraͤngt worden! Sie muͤſſen
aber bald kommen; denn wir werden noch vor dem Winter
nach Schevelingen reiſen, um den engliſchen Garten zu ſehen,
welchen der Graf von Bentink dort auf den Sandduͤnen an-
gelegt hat. Alles was die Groͤße der Kunſt dort aus dem
elendeſten Sande gemacht hat das denkt mein Mann muͤſſe
auf einem guten Ackergrunde gewiß gerathen; und er bedan-

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[466/0484] Das engliſche Gaͤrtgen. chineſiſche Bruͤcke, wozu mein Mann das neueſte Modell aus England erhalten, angelegt, und ein eigner Fluß dazu aus- gegraben werden, worinn ein halb Dutzend Schildkroͤten, die bereits fertig ſind, zu liegen kommen werden. Jenſeits der Bruͤcken, gerade da, wo der Großmama ihre Bleich- huͤtte war, kommt ein allerliebſter kleiner gothiſcher Dom zu ſtehn, weil mein Mann Gotherich Dom heißt. Wie ich vermuthe, hat er dieſe Idee aus dem Garten zu Stove ge- nommen, worinn der Lord Tempel ſo viele Tempel angelegt hat. Der Dom wird zwar nicht viel groͤßer werden, als das Schilderhaͤusgen, worinn der Onkel Toby mit dem Cor- poral Trim (doch Sie werden dieſes nicht verſtehn, Sie ha- ben den Triſtram Shandy nicht geleſen) die Belagerungen in ſeinem Garten commandirte. Aber die gothiſche Arbeit dar- an wird doch allemal das Auge der Neugierigen an ſich zie- hen, und oben drauf kommt ein Fetiſch zu ſiehen. Kurz, ihr gutes Gaͤrtgen, liebe Großmama, gleicht jetzt einer bezau- berten Inſel, worauf man alles findet, was man nicht dar- auf ſuchet, und von dem was man darauf ſuchet, nichts fin- det. Moͤgten Sie doch in ihrem Leben noch einmal zu Uns kommen und alle dieſe Hexereyen mit anſehen koͤnnen! Sie waren ſonſt eine ſo große Bewundererin der Baͤren und Pfauen von Taxus, womit in ihrer Jugend die fuͤrſtlichen Gaͤrten geſchraͤnckt waren; was fuͤr ein Vergnuͤgen wuͤrde es Ihnen nun nicht ſeyn zu ſehen, durch was fuͤr erhabene Schoͤnheiten dieſe altfraͤnkiſchen Sachen verdraͤngt worden! Sie muͤſſen aber bald kommen; denn wir werden noch vor dem Winter nach Schevelingen reiſen, um den engliſchen Garten zu ſehen, welchen der Graf von Bentink dort auf den Sandduͤnen an- gelegt hat. Alles was die Groͤße der Kunſt dort aus dem elendeſten Sande gemacht hat das denkt mein Mann muͤſſe auf einem guten Ackergrunde gewiß gerathen; und er bedan- ret

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/484>, abgerufen am 22.11.2024.