fahren, und von der hämischen Handlungsart seiner Nach- baren abhangen, die wohl wissen, daß er mit feinem Korn, nachdem er viele Meilen damit gefahren, nicht sogleich zu- rückgehen werde, sondern Geld, es sey nun so viel wie es wolle, zu Hause bringen müßte.
Viele Länder, worinn sich in solchen Fällen Magazine öfnen, die den Unterthanen ihren Vorrath um Martini zu einem gerechten Preise abnehmen, giebt es nicht; und wo es dergleichen giebt, ohne daß eine arme Wittwe etwa den Fond zur Erhaltung des Magazins vermacht hat; da kan es ohne Schaden für die Obrigkeit nicht abgehen, und dieser Schaden komme aus der Chatoulle oder aus dem Armen- blocke; am Ende muß ihn doch der Unterthan vergüten, weil alle Beutel der Obrigkeit, sie mögen numeriret seyn wie sie wollen, gemeines Gut enthalten, dessen Ausfälle früh oder spät wieder gedeckt werden müssen.
Die Proben von jener Wahrheit haben wir im Stifte Oßnabrück vielfältig empfunden. Viele Kaufleute in den Gränzkirchspielen meldeten sich bey der Regierung mit der Anzeige, wie sie bereit wären, Korn genug für ihre Gegend anzuschaffen, wenn ihnen die freye Ausfuhr dabey verstat- tet würde. Ohne daß ihnen diese Bedingung eingeräumet würde, könnten sie nichts wagen, weil sie sonst auf ihrem kleinen zugesperreten Markte von der Willkühr eigensinniger Käufer abhangen würden. Die Bedingung wurde ihnen eingestanden, und die Folge zeigte, daß dort der wenigste Mangel war. Andre erboten sich unter gleicher Bedingung, und wenn ihnen dabey das Brandteweinsbrennen frey ge- lassen würde, ihre Kirchspiele zu einem sichern Preise zu ver- sorgen; aber ohne Freyheit war alles vergeblich.
Jene
Mösers patr. Phantas.II.Th. D
an den Deutſchen.
fahren, und von der haͤmiſchen Handlungsart ſeiner Nach- baren abhangen, die wohl wiſſen, daß er mit feinem Korn, nachdem er viele Meilen damit gefahren, nicht ſogleich zu- ruͤckgehen werde, ſondern Geld, es ſey nun ſo viel wie es wolle, zu Hauſe bringen muͤßte.
Viele Laͤnder, worinn ſich in ſolchen Faͤllen Magazine oͤfnen, die den Unterthanen ihren Vorrath um Martini zu einem gerechten Preiſe abnehmen, giebt es nicht; und wo es dergleichen giebt, ohne daß eine arme Wittwe etwa den Fond zur Erhaltung des Magazins vermacht hat; da kan es ohne Schaden fuͤr die Obrigkeit nicht abgehen, und dieſer Schaden komme aus der Chatoulle oder aus dem Armen- blocke; am Ende muß ihn doch der Unterthan verguͤten, weil alle Beutel der Obrigkeit, ſie moͤgen numeriret ſeyn wie ſie wollen, gemeines Gut enthalten, deſſen Ausfaͤlle fruͤh oder ſpaͤt wieder gedeckt werden muͤſſen.
Die Proben von jener Wahrheit haben wir im Stifte Oßnabruͤck vielfaͤltig empfunden. Viele Kaufleute in den Graͤnzkirchſpielen meldeten ſich bey der Regierung mit der Anzeige, wie ſie bereit waͤren, Korn genug fuͤr ihre Gegend anzuſchaffen, wenn ihnen die freye Ausfuhr dabey verſtat- tet würde. Ohne daß ihnen dieſe Bedingung eingeraͤumet wuͤrde, koͤnnten ſie nichts wagen, weil ſie ſonſt auf ihrem kleinen zugeſperreten Markte von der Willkuͤhr eigenſinniger Kaͤufer abhangen wuͤrden. Die Bedingung wurde ihnen eingeſtanden, und die Folge zeigte, daß dort der wenigſte Mangel war. Andre erboten ſich unter gleicher Bedingung, und wenn ihnen dabey das Brandteweinsbrennen frey ge- laſſen wuͤrde, ihre Kirchſpiele zu einem ſichern Preiſe zu ver- ſorgen; aber ohne Freyheit war alles vergeblich.
Jene
Möſers patr. Phantaſ.II.Th. D
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an den Deutſchen.
fahren, und von der haͤmiſchen Handlungsart ſeiner Nach-
baren abhangen, die wohl wiſſen, daß er mit feinem Korn,
nachdem er viele Meilen damit gefahren, nicht ſogleich zu-
ruͤckgehen werde, ſondern Geld, es ſey nun ſo viel wie es
wolle, zu Hauſe bringen muͤßte.
Viele Laͤnder, worinn ſich in ſolchen Faͤllen Magazine
oͤfnen, die den Unterthanen ihren Vorrath um Martini zu
einem gerechten Preiſe abnehmen, giebt es nicht; und wo
es dergleichen giebt, ohne daß eine arme Wittwe etwa den
Fond zur Erhaltung des Magazins vermacht hat; da kan es
ohne Schaden fuͤr die Obrigkeit nicht abgehen, und dieſer
Schaden komme aus der Chatoulle oder aus dem Armen-
blocke; am Ende muß ihn doch der Unterthan verguͤten, weil
alle Beutel der Obrigkeit, ſie moͤgen numeriret ſeyn wie ſie
wollen, gemeines Gut enthalten, deſſen Ausfaͤlle fruͤh oder
ſpaͤt wieder gedeckt werden muͤſſen.
Die Proben von jener Wahrheit haben wir im Stifte
Oßnabruͤck vielfaͤltig empfunden. Viele Kaufleute in den
Graͤnzkirchſpielen meldeten ſich bey der Regierung mit der
Anzeige, wie ſie bereit waͤren, Korn genug fuͤr ihre Gegend
anzuſchaffen, wenn ihnen die freye Ausfuhr dabey verſtat-
tet würde. Ohne daß ihnen dieſe Bedingung eingeraͤumet
wuͤrde, koͤnnten ſie nichts wagen, weil ſie ſonſt auf ihrem
kleinen zugeſperreten Markte von der Willkuͤhr eigenſinniger
Kaͤufer abhangen wuͤrden. Die Bedingung wurde ihnen
eingeſtanden, und die Folge zeigte, daß dort der wenigſte
Mangel war. Andre erboten ſich unter gleicher Bedingung,
und wenn ihnen dabey das Brandteweinsbrennen frey ge-
laſſen wuͤrde, ihre Kirchſpiele zu einem ſichern Preiſe zu ver-
ſorgen; aber ohne Freyheit war alles vergeblich.
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/67>, abgerufen am 24.11.2024.
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