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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Schreiben eines Kornhändlers.

Allein ich that es nicht; ich zahlte vielmehr selbst diesen ar-
men Leuten einen billigen Preis für ihr Korn, um allen
plötzlichen Fall zu verhüten und meinen eignen Vorrath damit
im Preise zu erhalten. Und solchergestalt kan ich mit voll-
kommenster Wahrheit behaupten, daß ich allen und jeden, die
zwischen Michael und Weihnachten verkauft, zwey Thaler
mehr für das Malter geschafft habe, als sie erhalten haben
würden, wenn ich nach der unbesonnenen Forderung des ge-
meinen Geschreyes mit meinen Korn den Markt beschickt, und
den Fleiß des Ackerbaues zum Raube der Städter gemacht
hätte.

Von Weihnachten bis Ostern verkaufte schon der vermö-
gende Landmann; der Preis fieng an zu sinken, und es fehlte
nur noch an einem Lothe um den Ausschlag auf der Waage,
zum Nachtheil der Kornhandlung hervor zu bringen; meine
Freunde riethen mir ich sollte jetzt auch verkaufen; ich sollte
zeigen daß ich ein Patriot und kein Kornjude wäre; ich sollte
mich diesen verhasseten Namen nicht zuziehen. Nein sagte
ich, dies soll nicht geschehn; ich kan nicht verkaufen, ohne
daß der Preis nicht in kurzer Zeit um 2 Thaler auf das Mal-
ter falle; der Markt wird überladen werden; und der Land-
mann der jetzt verkaufen muß, erhält nicht was er verdient,
wenn ich nur eine hundert Last losschlage. Er hat voriges
Jahr das Malter für 20 bis 24 Thaler einkaufen müssen;
es ist also billig und zu seiner Rettung nothwendig, daß er
dasselbe nicht brauche für 6 Thaler zu verkaufen. Eine solche
Strafe des Himmels will ich ihm nicht zuziehen, mein Vor-
rath soll liegen, und ich will sehen was das nächste Quartal
bringt.

Allein in diesem war keine Frage nach Korn; jeder hatte
sich nun versorgt, und so oft auch eine üble Witterung meine

Hoff-
Schreiben eines Kornhaͤndlers.

Allein ich that es nicht; ich zahlte vielmehr ſelbſt dieſen ar-
men Leuten einen billigen Preis fuͤr ihr Korn, um allen
ploͤtzlichen Fall zu verhuͤten und meinen eignen Vorrath damit
im Preiſe zu erhalten. Und ſolchergeſtalt kan ich mit voll-
kommenſter Wahrheit behaupten, daß ich allen und jeden, die
zwiſchen Michael und Weihnachten verkauft, zwey Thaler
mehr fuͤr das Malter geſchafft habe, als ſie erhalten haben
wuͤrden, wenn ich nach der unbeſonnenen Forderung des ge-
meinen Geſchreyes mit meinen Korn den Markt beſchickt, und
den Fleiß des Ackerbaues zum Raube der Staͤdter gemacht
haͤtte.

Von Weihnachten bis Oſtern verkaufte ſchon der vermoͤ-
gende Landmann; der Preis fieng an zu ſinken, und es fehlte
nur noch an einem Lothe um den Ausſchlag auf der Waage,
zum Nachtheil der Kornhandlung hervor zu bringen; meine
Freunde riethen mir ich ſollte jetzt auch verkaufen; ich ſollte
zeigen daß ich ein Patriot und kein Kornjude waͤre; ich ſollte
mich dieſen verhaſſeten Namen nicht zuziehen. Nein ſagte
ich, dies ſoll nicht geſchehn; ich kan nicht verkaufen, ohne
daß der Preis nicht in kurzer Zeit um 2 Thaler auf das Mal-
ter falle; der Markt wird uͤberladen werden; und der Land-
mann der jetzt verkaufen muß, erhaͤlt nicht was er verdient,
wenn ich nur eine hundert Laſt losſchlage. Er hat voriges
Jahr das Malter fuͤr 20 bis 24 Thaler einkaufen muͤſſen;
es iſt alſo billig und zu ſeiner Rettung nothwendig, daß er
daſſelbe nicht brauche fuͤr 6 Thaler zu verkaufen. Eine ſolche
Strafe des Himmels will ich ihm nicht zuziehen, mein Vor-
rath ſoll liegen, und ich will ſehen was das naͤchſte Quartal
bringt.

Allein in dieſem war keine Frage nach Korn; jeder hatte
ſich nun verſorgt, und ſo oft auch eine uͤble Witterung meine

Hoff-
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[54/0072] Schreiben eines Kornhaͤndlers. Allein ich that es nicht; ich zahlte vielmehr ſelbſt dieſen ar- men Leuten einen billigen Preis fuͤr ihr Korn, um allen ploͤtzlichen Fall zu verhuͤten und meinen eignen Vorrath damit im Preiſe zu erhalten. Und ſolchergeſtalt kan ich mit voll- kommenſter Wahrheit behaupten, daß ich allen und jeden, die zwiſchen Michael und Weihnachten verkauft, zwey Thaler mehr fuͤr das Malter geſchafft habe, als ſie erhalten haben wuͤrden, wenn ich nach der unbeſonnenen Forderung des ge- meinen Geſchreyes mit meinen Korn den Markt beſchickt, und den Fleiß des Ackerbaues zum Raube der Staͤdter gemacht haͤtte. Von Weihnachten bis Oſtern verkaufte ſchon der vermoͤ- gende Landmann; der Preis fieng an zu ſinken, und es fehlte nur noch an einem Lothe um den Ausſchlag auf der Waage, zum Nachtheil der Kornhandlung hervor zu bringen; meine Freunde riethen mir ich ſollte jetzt auch verkaufen; ich ſollte zeigen daß ich ein Patriot und kein Kornjude waͤre; ich ſollte mich dieſen verhaſſeten Namen nicht zuziehen. Nein ſagte ich, dies ſoll nicht geſchehn; ich kan nicht verkaufen, ohne daß der Preis nicht in kurzer Zeit um 2 Thaler auf das Mal- ter falle; der Markt wird uͤberladen werden; und der Land- mann der jetzt verkaufen muß, erhaͤlt nicht was er verdient, wenn ich nur eine hundert Laſt losſchlage. Er hat voriges Jahr das Malter fuͤr 20 bis 24 Thaler einkaufen muͤſſen; es iſt alſo billig und zu ſeiner Rettung nothwendig, daß er daſſelbe nicht brauche fuͤr 6 Thaler zu verkaufen. Eine ſolche Strafe des Himmels will ich ihm nicht zuziehen, mein Vor- rath ſoll liegen, und ich will ſehen was das naͤchſte Quartal bringt. Allein in dieſem war keine Frage nach Korn; jeder hatte ſich nun verſorgt, und ſo oft auch eine uͤble Witterung meine Hoff-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/72>, abgerufen am 21.11.2024.