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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Ein gutherziger Narr bessert sich nie.
sen traurigen Unständen nicht verlassen würde -- Arist
fieng an zu zweifeln, ob er sein Gelübde von dem heutigen
Tage schon anrechnen sollte. Er hatte die zehn Pistolen
noch; das Unglück eines Mannes von Stande gieng ihm
nahe. Kurz, er gab sie hin, schwur aber noch einmal, daß
dieses das letztemal seyn sollte. Der Tag gieng glücklich vor-
über, ohne daß er in die Versuchung gesetzt wurde sein Ge-
lübde noch einmal zu brechen.

Er war aber des andern Morgens noch im Bette, als ein
Freund in der größten Angst und außer Athem zu ihm kam --
O mein Theurester, was fang ich an? Meine Haushälterin
ist schwanger; ihre Niederkunft ist nahe, ich muß sie fort-
schicken, oder ich werde auf das empfindlichste beschimpft;
Sie wissen meine vorhabende Heyrath, meine Hoffnung zur
nächsten Beförderung, alles ist verlohren, und ich bin der
unglücklichste Mensch; mit funzig Pistolen können sie mich
retten, diese verlangt das Mensch zur Reise und zum Wo-
chenbette -- Die Gefahr des Freundes war zu dringend.
Arist stand auf, kleidete sich in der Eile an, liehe die funfzig
Pistolen, gab sie hin und dachte nicht an sein Gelübde.

Gutes Herz! schreckliches Geschenk der Gottheit! was
kostest du mir? Du begnügest dich nicht allein mich unglück-
lich zu machen, du machst mich auch meineidig -- So phi-
losophirte Arist eben mit sich selbst, als ihm die Wittwe eines
angesehenen Mannes in seiner Einsamkeit mit der Anrede
überraschte. -- Meine Thränen sagen Ihnen schon meine
ganze Noth. Schwerlich kan ein Zustand grausamer seyn,
als der meinige. Gott du weist wie vieles mir dieser Schritt
kostet! Allein liebster bester Arist, Sie sind allezeit meine
einzige Zuflucht gewesen; sie haben mir schon oft geholfen;

könnte

Ein gutherziger Narr beſſert ſich nie.
ſen traurigen Unſtaͤnden nicht verlaſſen wuͤrde — Ariſt
fieng an zu zweifeln, ob er ſein Geluͤbde von dem heutigen
Tage ſchon anrechnen ſollte. Er hatte die zehn Piſtolen
noch; das Ungluͤck eines Mannes von Stande gieng ihm
nahe. Kurz, er gab ſie hin, ſchwur aber noch einmal, daß
dieſes das letztemal ſeyn ſollte. Der Tag gieng gluͤcklich vor-
uͤber, ohne daß er in die Verſuchung geſetzt wurde ſein Ge-
luͤbde noch einmal zu brechen.

Er war aber des andern Morgens noch im Bette, als ein
Freund in der groͤßten Angſt und außer Athem zu ihm kam —
O mein Theureſter, was fang ich an? Meine Haushaͤlterin
iſt ſchwanger; ihre Niederkunft iſt nahe, ich muß ſie fort-
ſchicken, oder ich werde auf das empfindlichſte beſchimpft;
Sie wiſſen meine vorhabende Heyrath, meine Hoffnung zur
naͤchſten Befoͤrderung, alles iſt verlohren, und ich bin der
ungluͤcklichſte Menſch; mit funzig Piſtolen koͤnnen ſie mich
retten, dieſe verlangt das Menſch zur Reiſe und zum Wo-
chenbette — Die Gefahr des Freundes war zu dringend.
Ariſt ſtand auf, kleidete ſich in der Eile an, liehe die funfzig
Piſtolen, gab ſie hin und dachte nicht an ſein Geluͤbde.

Gutes Herz! ſchreckliches Geſchenk der Gottheit! was
koſteſt du mir? Du begnuͤgeſt dich nicht allein mich ungluͤck-
lich zu machen, du machſt mich auch meineidig — So phi-
loſophirte Ariſt eben mit ſich ſelbſt, als ihm die Wittwe eines
angeſehenen Mannes in ſeiner Einſamkeit mit der Anrede
uͤberraſchte. — Meine Thraͤnen ſagen Ihnen ſchon meine
ganze Noth. Schwerlich kan ein Zuſtand grauſamer ſeyn,
als der meinige. Gott du weiſt wie vieles mir dieſer Schritt
koſtet! Allein liebſter beſter Ariſt, Sie ſind allezeit meine
einzige Zuflucht geweſen; ſie haben mir ſchon oft geholfen;

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[58/0076] Ein gutherziger Narr beſſert ſich nie. ſen traurigen Unſtaͤnden nicht verlaſſen wuͤrde — Ariſt fieng an zu zweifeln, ob er ſein Geluͤbde von dem heutigen Tage ſchon anrechnen ſollte. Er hatte die zehn Piſtolen noch; das Ungluͤck eines Mannes von Stande gieng ihm nahe. Kurz, er gab ſie hin, ſchwur aber noch einmal, daß dieſes das letztemal ſeyn ſollte. Der Tag gieng gluͤcklich vor- uͤber, ohne daß er in die Verſuchung geſetzt wurde ſein Ge- luͤbde noch einmal zu brechen. Er war aber des andern Morgens noch im Bette, als ein Freund in der groͤßten Angſt und außer Athem zu ihm kam — O mein Theureſter, was fang ich an? Meine Haushaͤlterin iſt ſchwanger; ihre Niederkunft iſt nahe, ich muß ſie fort- ſchicken, oder ich werde auf das empfindlichſte beſchimpft; Sie wiſſen meine vorhabende Heyrath, meine Hoffnung zur naͤchſten Befoͤrderung, alles iſt verlohren, und ich bin der ungluͤcklichſte Menſch; mit funzig Piſtolen koͤnnen ſie mich retten, dieſe verlangt das Menſch zur Reiſe und zum Wo- chenbette — Die Gefahr des Freundes war zu dringend. Ariſt ſtand auf, kleidete ſich in der Eile an, liehe die funfzig Piſtolen, gab ſie hin und dachte nicht an ſein Geluͤbde. Gutes Herz! ſchreckliches Geſchenk der Gottheit! was koſteſt du mir? Du begnuͤgeſt dich nicht allein mich ungluͤck- lich zu machen, du machſt mich auch meineidig — So phi- loſophirte Ariſt eben mit ſich ſelbſt, als ihm die Wittwe eines angeſehenen Mannes in ſeiner Einſamkeit mit der Anrede uͤberraſchte. — Meine Thraͤnen ſagen Ihnen ſchon meine ganze Noth. Schwerlich kan ein Zuſtand grauſamer ſeyn, als der meinige. Gott du weiſt wie vieles mir dieſer Schritt koſtet! Allein liebſter beſter Ariſt, Sie ſind allezeit meine einzige Zuflucht geweſen; ſie haben mir ſchon oft geholfen; koͤnnte

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/76>, abgerufen am 24.11.2024.