Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.Schreiben eines Frauenzimmers hasse ich die Projectenmacher 7); es sind nur Leute die an-dern etwas auf die Hörner geben 8), und selbst nichts tragen wollen. In Schweden mag der König immerhin eine Nationalkleidung einführen; denn ich gedenke in meinem Le- ben nicht dahin zu reisen. Aber hier im Lande, wo man seit der Zerstörung Jerusalems die völlige Freyheit gehabt hat, zu tragen was man will, ist es ein aberwitziger Einfall, verste- hen Sie mich 9)? Das beste ist daß ihre Projecte gelesen und vergessen werden; wäre dieses nicht: so würde ich keine Nacht schlafen können 10). In der That, wenn sie auch nur ein bisgen Nachdenken haben 7) Warum? Die Moden erfordern die größten Projecten- macher. 8) Sie sind doch verheyrathet? 9) O ja, mit allem Respee- gegen den Machtspruch. 10) Was der gute Wille nicht thut, wenn er nur gemacht wer- den darf. 11) Meine Tochter hat mir weiß gemacht, daß sie diese schö- nen Sächelgen für ihren Aly Bey eingetauscht hätte, den ich ihr auf dem letzten Jahrmarkte anschaffen muste. 12) Die Mode hat sich me sistematischer gewiesen, als darinn,
daß sie die Grate-epingles nach den dicken Chignons aufgebracht hat. Die dicken Köpfe musten nothwendig Un- geziefer zeugen. Schreiben eines Frauenzimmers haſſe ich die Projectenmacher 7); es ſind nur Leute die an-dern etwas auf die Hoͤrner geben 8), und ſelbſt nichts tragen wollen. In Schweden mag der Koͤnig immerhin eine Nationalkleidung einfuͤhren; denn ich gedenke in meinem Le- ben nicht dahin zu reiſen. Aber hier im Lande, wo man ſeit der Zerſtoͤrung Jeruſalems die voͤllige Freyheit gehabt hat, zu tragen was man will, iſt es ein aberwitziger Einfall, verſte- hen Sie mich 9)? Das beſte iſt daß ihre Projecte geleſen und vergeſſen werden; waͤre dieſes nicht: ſo wuͤrde ich keine Nacht ſchlafen koͤnnen 10). In der That, wenn ſie auch nur ein bisgen Nachdenken haben 7) Warum? Die Moden erfordern die groͤßten Projecten- macher. 8) Sie ſind doch verheyrathet? 9) O ja, mit allem Reſpee- gegen den Machtſpruch. 10) Was der gute Wille nicht thut, wenn er nur gemacht wer- den darf. 11) Meine Tochter hat mir weiß gemacht, daß ſie dieſe ſchoͤ- nen Saͤchelgen fuͤr ihren Aly Bey eingetauſcht haͤtte, den ich ihr auf dem letzten Jahrmarkte anſchaffen muſte. 12) Die Mode hat ſich me ſiſtematiſcher gewieſen, als darinn,
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Schreiben eines Frauenzimmers
haſſe ich die Projectenmacher 7); es ſind nur Leute die an-
dern etwas auf die Hoͤrner geben 8), und ſelbſt nichts
tragen wollen. In Schweden mag der Koͤnig immerhin eine
Nationalkleidung einfuͤhren; denn ich gedenke in meinem Le-
ben nicht dahin zu reiſen. Aber hier im Lande, wo man ſeit
der Zerſtoͤrung Jeruſalems die voͤllige Freyheit gehabt hat,
zu tragen was man will, iſt es ein aberwitziger Einfall, verſte-
hen Sie mich 9)? Das beſte iſt daß ihre Projecte geleſen
und vergeſſen werden; waͤre dieſes nicht: ſo wuͤrde ich keine
Nacht ſchlafen koͤnnen 10).
In der That, wenn ſie auch nur ein bisgen Nachdenken
haͤtten: ſo wuͤrden ſie ſo nicht in den Tag hinein projectiren.
Ich und ihre Mademoiſelle Tochter 11) haben uns eben in
die Unkoſten eines Demigalopins und eines Chapeau a la
Canada geſtuͤrzet. Wir haben eben unſre Grate-epingles
12) mit einem Crochet à la Cardinale verſehen laſſen. Wir
haben
7) Warum? Die Moden erfordern die groͤßten Projecten-
macher.
8) Sie ſind doch verheyrathet?
9) O ja, mit allem Reſpee-
gegen den Machtſpruch.
10) Was der gute Wille nicht thut, wenn er nur gemacht wer-
den darf.
11) Meine Tochter hat mir weiß gemacht, daß ſie dieſe ſchoͤ-
nen Saͤchelgen fuͤr ihren Aly Bey eingetauſcht haͤtte,
den ich ihr auf dem letzten Jahrmarkte anſchaffen muſte.
12) Die Mode hat ſich me ſiſtematiſcher gewieſen, als darinn,
daß ſie die Grate-epingles nach den dicken Chignons
aufgebracht hat. Die dicken Koͤpfe muſten nothwendig Un-
geziefer zeugen.
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