Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.ü ber die Nationalkleidung. schehen, als daß wir sie durch die Kunst der Koketterie in ei-ner beständigen Begierde zu gefallen unterhalten? Die edle Koketterie kan aber ohne Veränderung der Moden unmöglich bestehen 22). Stellen sie sich nur einmal vor, was das für schlichte unbedeutende Gesichter geben würde, wenn wir immer wie die Nonnen in einer beständigen einförmigen Tracht auf- gezogen kämen 23); und eine eiserne Cornete zu unserm Kopf- zeugen hätten? Stellen sie sich vor, was die Leute in Paris davon sagen würden, wenn sie den Kupferstich, der gewiß bald davon gemacht werden würde, zu Gesichte bekämen 24)? Man hat neulich, wie ich in den Zeitungen gelesen, eine Geschichte der Moden heraus gegeben; und vermuthlich wird bald ein Dictionaire general et portatif des Modes her- aus kommen, so wie wir dergleichen schon einige von Kopf- zeugen und Peruken haben. Dergleichen sollten sie uns auch schreiben, wenn sie ihre Hand nicht ruhig lassen können, oder ein Journal für die Maccaroni, wie in England 25). Das 22) Es giebt auch mehrere Arten der Koketterie, und die arme Hexe, die alle ihre Künste von dem Schneider oder der Putzmacherin borgen muß, verräth eine mitleidenswürdige Armuth. Der Geist kan sich in unzähligen neuen Gestal- ten zeigen, und das Herz eine gute Eigenschaft nach der andern bald auf diese bald auf jene Art entdecken. Eine solche Koketterie verwerfe ich nicht; und auch selbst eine Nonne im heiligen Schleyer wird auf diese Art Kokett seyn können. 23) Ich bedaure sie von Herzen, wenn sie sich in diesem Falle befinden. Ihnen zu gefallen kan eine Ausnahme in der Regel gemacht werden, so wie Heinrich der Vierte in Frank- reich sie dem leichterm Geschlechte zum Besten machte. 24) Sie vertheidigen ihre Sache nicht sonderlich. Wenn sie mir ein gut Gesicht machen wollen: so will ich Ihnen bey Gelegenheit bessere Gründe sagen. 25) Dieses wäre so übel nicht. Aber wer erklärt uns jetzt was
Strauben, Staussen, Krappen, Kogeln, Preischen, uͤ ber die Nationalkleidung. ſchehen, als daß wir ſie durch die Kunſt der Koketterie in ei-ner beſtaͤndigen Begierde zu gefallen unterhalten? Die edle Koketterie kan aber ohne Veraͤnderung der Moden unmoͤglich beſtehen 22). Stellen ſie ſich nur einmal vor, was das fuͤr ſchlichte unbedeutende Geſichter geben wuͤrde, wenn wir immer wie die Nonnen in einer beſtaͤndigen einfoͤrmigen Tracht auf- gezogen kaͤmen 23); und eine eiſerne Cornete zu unſerm Kopf- zeugen haͤtten? Stellen ſie ſich vor, was die Leute in Paris davon ſagen wuͤrden, wenn ſie den Kupferſtich, der gewiß bald davon gemacht werden wuͤrde, zu Geſichte bekaͤmen 24)? Man hat neulich, wie ich in den Zeitungen geleſen, eine Geſchichte der Moden heraus gegeben; und vermuthlich wird bald ein Dictionaire general et portatif des Modes her- aus kommen, ſo wie wir dergleichen ſchon einige von Kopf- zeugen und Peruken haben. Dergleichen ſollten ſie uns auch ſchreiben, wenn ſie ihre Hand nicht ruhig laſſen koͤnnen, oder ein Journal fuͤr die Maccaroni, wie in England 25). Das 22) Es giebt auch mehrere Arten der Koketterie, und die arme Hexe, die alle ihre Kuͤnſte von dem Schneider oder der Putzmacherin borgen muß, verraͤth eine mitleidenswuͤrdige Armuth. Der Geiſt kan ſich in unzaͤhligen neuen Geſtal- ten zeigen, und das Herz eine gute Eigenſchaft nach der andern bald auf dieſe bald auf jene Art entdecken. Eine ſolche Koketterie verwerfe ich nicht; und auch ſelbſt eine Nonne im heiligen Schleyer wird auf dieſe Art Kokett ſeyn koͤnnen. 23) Ich bedaure ſie von Herzen, wenn ſie ſich in dieſem Falle befinden. Ihnen zu gefallen kan eine Ausnahme in der Regel gemacht werden, ſo wie Heinrich der Vierte in Frank- reich ſie dem leichterm Geſchlechte zum Beſten machte. 24) Sie vertheidigen ihre Sache nicht ſonderlich. Wenn ſie mir ein gut Geſicht machen wollen: ſo will ich Ihnen bey Gelegenheit beſſere Gruͤnde ſagen. 25) Dieſes waͤre ſo uͤbel nicht. Aber wer erklaͤrt uns jetzt was
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Koketterie kan aber ohne Veraͤnderung der Moden unmoͤglich
beſtehen 22). Stellen ſie ſich nur einmal vor, was das fuͤr
ſchlichte unbedeutende Geſichter geben wuͤrde, wenn wir immer
wie die Nonnen in einer beſtaͤndigen einfoͤrmigen Tracht auf-
gezogen kaͤmen 23); und eine eiſerne Cornete zu unſerm Kopf-
zeugen haͤtten? Stellen ſie ſich vor, was die Leute in Paris
davon ſagen wuͤrden, wenn ſie den Kupferſtich, der gewiß
bald davon gemacht werden wuͤrde, zu Geſichte bekaͤmen 24)?
Man hat neulich, wie ich in den Zeitungen geleſen, eine
Geſchichte der Moden heraus gegeben; und vermuthlich wird
bald ein Dictionaire general et portatif des Modes her-
aus kommen, ſo wie wir dergleichen ſchon einige von Kopf-
zeugen und Peruken haben. Dergleichen ſollten ſie uns auch
ſchreiben, wenn ſie ihre Hand nicht ruhig laſſen koͤnnen,
oder ein Journal fuͤr die Maccaroni, wie in England 25).
Das
22) Es giebt auch mehrere Arten der Koketterie, und die arme
Hexe, die alle ihre Kuͤnſte von dem Schneider oder der
Putzmacherin borgen muß, verraͤth eine mitleidenswuͤrdige
Armuth. Der Geiſt kan ſich in unzaͤhligen neuen Geſtal-
ten zeigen, und das Herz eine gute Eigenſchaft nach der
andern bald auf dieſe bald auf jene Art entdecken. Eine
ſolche Koketterie verwerfe ich nicht; und auch ſelbſt eine
Nonne im heiligen Schleyer wird auf dieſe Art Kokett
ſeyn koͤnnen.
23) Ich bedaure ſie von Herzen, wenn ſie ſich in dieſem Falle
befinden. Ihnen zu gefallen kan eine Ausnahme in der
Regel gemacht werden, ſo wie Heinrich der Vierte in Frank-
reich ſie dem leichterm Geſchlechte zum Beſten machte.
24) Sie vertheidigen ihre Sache nicht ſonderlich. Wenn ſie
mir ein gut Geſicht machen wollen: ſo will ich Ihnen bey
Gelegenheit beſſere Gruͤnde ſagen.
25) Dieſes waͤre ſo uͤbel nicht. Aber wer erklaͤrt uns jetzt was
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