Indessen ist es freylich wahr, daß der Sturm ein ge- fährliches Ding, und es eben nicht angenehm sey, bestän- dig darinn zu fahren. Ich dächte aber doch, es müsse noch ein bequemer Mittel, als die ewige Sittenlehre und Oekonomie geben, um den Menschen zu unterrichten und zu bessern; besonders aber um demselben Feuer im Bu- sen und eine mächtigere Seele zu geben. Ich kann mich hierüber nicht deutlicher ausdrücken, als wenn ich Sie auf das Exempel von Engelland verweise, wo immer eine aus- serordentiiche Menge von Seelenkraft in Bewegung ist, und Redner, Dichter und Schriftsteller nicht blos mit flüchtiger Hand für den Unterricht und das Vergnügen arbeiten, son- deru mit ihrer Begeisterung dem Staate zu Hülfe kommen, und durch grosse Bewegungsgründe erhitzt, jede nützliche Wahrheit in ihr höchstes Licht setzen. Der geringste Mann macht hier das allgemeine Wohl zu seiner Privatangelegen- heit. Alle Satyren, Comödien und Sittenlehren, ja oft- mals auch die Predigten, stehen mit dem Staatsgeschäfte in der genauesten Beziehung. Und dieses hohe Interesse ist es, was dort die menschlichen Kräfte spannt, und ihnen ein höher Ziel erreichen läßt, als andern, die mit kal- tem Geblüte, und blos aus löblichen Bewegungsgründen schreiben.
So etwas sollten Sie uns auch geben, und ihren Plan in diesen Blättern künftig darnach anlegen etc.
Polyxena von Tobosa.
Ant-
Ein neues Ziel
Indeſſen iſt es freylich wahr, daß der Sturm ein ge- faͤhrliches Ding, und es eben nicht angenehm ſey, beſtaͤn- dig darinn zu fahren. Ich daͤchte aber doch, es muͤſſe noch ein bequemer Mittel, als die ewige Sittenlehre und Oekonomie geben, um den Menſchen zu unterrichten und zu beſſern; beſonders aber um demſelben Feuer im Bu- ſen und eine maͤchtigere Seele zu geben. Ich kann mich hieruͤber nicht deutlicher ausdruͤcken, als wenn ich Sie auf das Exempel von Engelland verweiſe, wo immer eine auſ- ſerordentiiche Menge von Seelenkraft in Bewegung iſt, und Redner, Dichter und Schriftſteller nicht blos mit fluͤchtiger Hand fuͤr den Unterricht und das Vergnuͤgen arbeiten, ſon- deru mit ihrer Begeiſterung dem Staate zu Huͤlfe kommen, und durch groſſe Bewegungsgruͤnde erhitzt, jede nuͤtzliche Wahrheit in ihr hoͤchſtes Licht ſetzen. Der geringſte Mann macht hier das allgemeine Wohl zu ſeiner Privatangelegen- heit. Alle Satyren, Comoͤdien und Sittenlehren, ja oft- mals auch die Predigten, ſtehen mit dem Staatsgeſchaͤfte in der genaueſten Beziehung. Und dieſes hohe Intereſſe iſt es, was dort die menſchlichen Kraͤfte ſpannt, und ihnen ein hoͤher Ziel erreichen laͤßt, als andern, die mit kal- tem Gebluͤte, und blos aus loͤblichen Bewegungsgruͤnden ſchreiben.
So etwas ſollten Sie uns auch geben, und ihren Plan in dieſen Blaͤttern kuͤnftig darnach anlegen ꝛc.
Polyxena von Toboſa.
Ant-
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Ein neues Ziel
Indeſſen iſt es freylich wahr, daß der Sturm ein ge-
faͤhrliches Ding, und es eben nicht angenehm ſey, beſtaͤn-
dig darinn zu fahren. Ich daͤchte aber doch, es muͤſſe
noch ein bequemer Mittel, als die ewige Sittenlehre und
Oekonomie geben, um den Menſchen zu unterrichten und
zu beſſern; beſonders aber um demſelben Feuer im Bu-
ſen und eine maͤchtigere Seele zu geben. Ich kann mich
hieruͤber nicht deutlicher ausdruͤcken, als wenn ich Sie auf
das Exempel von Engelland verweiſe, wo immer eine auſ-
ſerordentiiche Menge von Seelenkraft in Bewegung iſt, und
Redner, Dichter und Schriftſteller nicht blos mit fluͤchtiger
Hand fuͤr den Unterricht und das Vergnuͤgen arbeiten, ſon-
deru mit ihrer Begeiſterung dem Staate zu Huͤlfe kommen,
und durch groſſe Bewegungsgruͤnde erhitzt, jede nuͤtzliche
Wahrheit in ihr hoͤchſtes Licht ſetzen. Der geringſte Mann
macht hier das allgemeine Wohl zu ſeiner Privatangelegen-
heit. Alle Satyren, Comoͤdien und Sittenlehren, ja oft-
mals auch die Predigten, ſtehen mit dem Staatsgeſchaͤfte
in der genaueſten Beziehung. Und dieſes hohe Intereſſe iſt
es, was dort die menſchlichen Kraͤfte ſpannt, und ihnen
ein hoͤher Ziel erreichen laͤßt, als andern, die mit kal-
tem Gebluͤte, und blos aus loͤblichen Bewegungsgruͤnden
ſchreiben.
So etwas ſollten Sie uns auch geben, und ihren Plan
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Polyxena von Toboſa.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/104>, abgerufen am 21.11.2024.
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