Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.Keine Satyren streichen sprechen höret, so fürchtet er, daß sich mit derZeit kein redlicher und grosser Mann in einem Stand bege- ben werde, welchem man auf eine so unwürdige Art be- gegnet. Er fürchtet, Eigenthum und Freyheit sey in der äussersten Gefahr, wenn ihre Vertheidigung Männern ob- liegt, die einen solchen Vorwurf zu erleiden haben. Man hasse, man verfolge, man geissele den schlechten Kerl, sagt er, aber man ehre seinen Stand, nach dem Maaße, wie er dem gemeinen Wesen nöthig und nützlich ist. Ein römi- scher Bürger stand nicht unter der Ruthe, und einer glei- chen Ehre geniessen in allen wohlgeordneten Staaten ver- schiedene Stände. Man entsetzt sie erst ihres Standes, und peitschet sie hernach wie andre schlechte Missethäter. Dieses muß die Politik der Satyre seyn, wenn sie als nicht,
Keine Satyren ſtreichen ſprechen hoͤret, ſo fuͤrchtet er, daß ſich mit derZeit kein redlicher und groſſer Mann in einem Stand bege- ben werde, welchem man auf eine ſo unwuͤrdige Art be- gegnet. Er fuͤrchtet, Eigenthum und Freyheit ſey in der aͤuſſerſten Gefahr, wenn ihre Vertheidigung Maͤnnern ob- liegt, die einen ſolchen Vorwurf zu erleiden haben. Man haſſe, man verfolge, man geiſſele den ſchlechten Kerl, ſagt er, aber man ehre ſeinen Stand, nach dem Maaße, wie er dem gemeinen Weſen noͤthig und nuͤtzlich iſt. Ein roͤmi- ſcher Buͤrger ſtand nicht unter der Ruthe, und einer glei- chen Ehre genieſſen in allen wohlgeordneten Staaten ver- ſchiedene Staͤnde. Man entſetzt ſie erſt ihres Standes, und peitſchet ſie hernach wie andre ſchlechte Miſſethaͤter. Dieſes muß die Politik der Satyre ſeyn, wenn ſie als nicht,
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Keine Satyren
ſtreichen ſprechen hoͤret, ſo fuͤrchtet er, daß ſich mit der
Zeit kein redlicher und groſſer Mann in einem Stand bege-
ben werde, welchem man auf eine ſo unwuͤrdige Art be-
gegnet. Er fuͤrchtet, Eigenthum und Freyheit ſey in der
aͤuſſerſten Gefahr, wenn ihre Vertheidigung Maͤnnern ob-
liegt, die einen ſolchen Vorwurf zu erleiden haben. Man
haſſe, man verfolge, man geiſſele den ſchlechten Kerl, ſagt
er, aber man ehre ſeinen Stand, nach dem Maaße, wie
er dem gemeinen Weſen noͤthig und nuͤtzlich iſt. Ein roͤmi-
ſcher Buͤrger ſtand nicht unter der Ruthe, und einer glei-
chen Ehre genieſſen in allen wohlgeordneten Staaten ver-
ſchiedene Staͤnde. Man entſetzt ſie erſt ihres Standes,
und peitſchet ſie hernach wie andre ſchlechte Miſſethaͤter.
Dieſes muß die Politik der Satyre ſeyn, wenn ſie als
ein oͤffentliches Strafamt gedultet werden ſoll; und Sie Herr
Bibulus, da ſie ſelbſt, obgleich unverdient, die Ehre ha-
ben, ein Vogt zu ſeyn, haͤtten ſolche nicht auſſer Augen ſe-
tzen ſollen. Es iſt ein ſchlechter Vogel, ſagten unſre deut-
ſchen Vorfahren, der ſein eignes Neſt verunreiniget; und
eben das gilt von der Entehrung ſeines eignen Standes.
Ich kenne einen Vogt im Lande, der ſein Hauß brennen
ließ, um die Rettungsanſtalten fuͤr das Dorf anzufuͤhren;
ich kenne einen andern, der die ihm fuͤr eine Kornausmeſ-
ſung bey der theuren Zeit zugebilligte Diaͤten verbat, weil
er das Geſchaͤfte zu ſeiner Pflicht rechnete; ich koͤnnte Ih-
nen einen nennen, der in ſeiner Vogtey keinen Streit zu
einem gerichtlichen Proceß kommen laͤßt, der ſeine Leute
in der ſtrengſten Zucht zu halten weiß, ohne ihre Liebe zu
verliehren, der nie eine Erinnerung abgewartet hat, um
ſeine Dienſtpflichten zu erfuͤllen, und der zu ſeinem Vergnuͤ-
gen ſeine ganze Vogtey mit den beſten Obſtbaͤumen unent-
geldlich verſorgt hat. Maͤnner von dieſer Art verdienen
nicht,
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