allein daß jeder ... hätte ich bald gesagt, aus seinem Jun- gen einen Doktor oder Magister haben will, das ist gar nicht mehr auszuhalten. Das ganze Publicum leidet dar- unter, und meine Officier klagen mir täglich, daß sie kei- ne Recruten mehr bekommen können. Versteht er mich also? eine Verordnung, wodurch alles Studiren, ohne mei- ne Erlaubniß, schlechterdings verboten wird ...
Wie Ihro Durchlaucht befehlen, erwiederte der Canz- ler; aber Höchstdieselben haben mir gestern noch geklagt, daß sie unter allen ihren Officieren keinen einzigen hätten, dem sie bey dem nächsten Marsch das Hauptcommando ih- rer Truppen anvertrauen könnten. Wenn nun unter vier- hundert Officieren, von denen man doch mit Grunde sa- gen kann, daß es der Kern ihres Landes sey, sich kein ein- ziger findet, dem ein Hauptwerk anvertrauet werden könne: wie wollen Höchstdieselbe denn gerade fordern, daß aus den wenigen, welchen Sie die Erlaubniß zum Studiren er- theilen wollen, die Leute werden sollen, die der Staat gebraucht? O es müssen hundert und vielleicht tausend das Klimpern lernen, ehe ein einziger Virtuose entstehet, und unter zehntausend Rechtsgelehrten ist noch kein Me- vius, kein Strube.
Mit seinem Mevius ... aber gestehe er mir nur, daß der Mißbrauch mit dem vielen Studiren offenbar sey, und daß viele Eltern besser thäten, ihren Kindern ein Handwerk lernen zu lassen ...
O dieses gestehe ich unbedenklich. Aber das Mittel diesen Mißbrauch zu heben, ist kein Verbot, dessen Aus- führung zu den grösten Ungerechtigkeiten führen würde. Ueberhaupt würde dieses Verbot die Leute vom geringen Stande am ersten treffen, und ich getraue mir doch zu sa- gen, daß aus diesem Stande die dauerhaftesten, fleißigsten
und
nicht verbieten.
allein daß jeder … haͤtte ich bald geſagt, aus ſeinem Jun- gen einen Doktor oder Magiſter haben will, das iſt gar nicht mehr auszuhalten. Das ganze Publicum leidet dar- unter, und meine Officier klagen mir taͤglich, daß ſie kei- ne Recruten mehr bekommen koͤnnen. Verſteht er mich alſo? eine Verordnung, wodurch alles Studiren, ohne mei- ne Erlaubniß, ſchlechterdings verboten wird …
Wie Ihro Durchlaucht befehlen, erwiederte der Canz- ler; aber Hoͤchſtdieſelben haben mir geſtern noch geklagt, daß ſie unter allen ihren Officieren keinen einzigen haͤtten, dem ſie bey dem naͤchſten Marſch das Hauptcommando ih- rer Truppen anvertrauen koͤnnten. Wenn nun unter vier- hundert Officieren, von denen man doch mit Grunde ſa- gen kann, daß es der Kern ihres Landes ſey, ſich kein ein- ziger findet, dem ein Hauptwerk anvertrauet werden koͤnne: wie wollen Hoͤchſtdieſelbe denn gerade fordern, daß aus den wenigen, welchen Sie die Erlaubniß zum Studiren er- theilen wollen, die Leute werden ſollen, die der Staat gebraucht? O es muͤſſen hundert und vielleicht tauſend das Klimpern lernen, ehe ein einziger Virtuoſe entſtehet, und unter zehntauſend Rechtsgelehrten iſt noch kein Me- vius, kein Strube.
Mit ſeinem Mevius … aber geſtehe er mir nur, daß der Mißbrauch mit dem vielen Studiren offenbar ſey, und daß viele Eltern beſſer thaͤten, ihren Kindern ein Handwerk lernen zu laſſen …
O dieſes geſtehe ich unbedenklich. Aber das Mittel dieſen Mißbrauch zu heben, iſt kein Verbot, deſſen Aus- fuͤhrung zu den groͤſten Ungerechtigkeiten fuͤhren wuͤrde. Ueberhaupt wuͤrde dieſes Verbot die Leute vom geringen Stande am erſten treffen, und ich getraue mir doch zu ſa- gen, daß aus dieſem Stande die dauerhafteſten, fleißigſten
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nicht verbieten.
allein daß jeder … haͤtte ich bald geſagt, aus ſeinem Jun-
gen einen Doktor oder Magiſter haben will, das iſt gar
nicht mehr auszuhalten. Das ganze Publicum leidet dar-
unter, und meine Officier klagen mir taͤglich, daß ſie kei-
ne Recruten mehr bekommen koͤnnen. Verſteht er mich
alſo? eine Verordnung, wodurch alles Studiren, ohne mei-
ne Erlaubniß, ſchlechterdings verboten wird …
Wie Ihro Durchlaucht befehlen, erwiederte der Canz-
ler; aber Hoͤchſtdieſelben haben mir geſtern noch geklagt,
daß ſie unter allen ihren Officieren keinen einzigen haͤtten,
dem ſie bey dem naͤchſten Marſch das Hauptcommando ih-
rer Truppen anvertrauen koͤnnten. Wenn nun unter vier-
hundert Officieren, von denen man doch mit Grunde ſa-
gen kann, daß es der Kern ihres Landes ſey, ſich kein ein-
ziger findet, dem ein Hauptwerk anvertrauet werden koͤnne:
wie wollen Hoͤchſtdieſelbe denn gerade fordern, daß aus
den wenigen, welchen Sie die Erlaubniß zum Studiren er-
theilen wollen, die Leute werden ſollen, die der Staat
gebraucht? O es muͤſſen hundert und vielleicht tauſend
das Klimpern lernen, ehe ein einziger Virtuoſe entſtehet,
und unter zehntauſend Rechtsgelehrten iſt noch kein Me-
vius, kein Strube.
Mit ſeinem Mevius … aber geſtehe er mir nur, daß
der Mißbrauch mit dem vielen Studiren offenbar ſey, und
daß viele Eltern beſſer thaͤten, ihren Kindern ein Handwerk
lernen zu laſſen …
O dieſes geſtehe ich unbedenklich. Aber das Mittel
dieſen Mißbrauch zu heben, iſt kein Verbot, deſſen Aus-
fuͤhrung zu den groͤſten Ungerechtigkeiten fuͤhren wuͤrde.
Ueberhaupt wuͤrde dieſes Verbot die Leute vom geringen
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gen, daß aus dieſem Stande die dauerhafteſten, fleißigſten
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/141>, abgerufen am 16.02.2025.
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