sie nach dem ersten Biß aus; aber Adam schüttelte den Kopf, und spuckte das abgebissene auf die Erde. So brachten sie eine Weile mit dem Kosten verschiedener Früchte zu, als Nacht und Müdigkeit die beyden Vertriebenen zur Ruhe lockte, und Adam zum erstenmal einschlief, ohne seiner Eva eine gute Nacht zu wünschen. Sie muste indessen wie alle Schuldigen, den Schmerz verbeissen, so gern sie auch ihrem Mann noch einmal gesagt hätte, daß er es besser verstehen, und sich von seinem schwachen Weibe nicht ver- führen lassen sollen.
Es regnete die Nacht gewaltig, und dabey war es schon etwas kalt, wie gemeiniglich in den Herbstnächten. Ihre Pelze, welche ihnen Gott beym Abschiede auf die Reise gegeben hatte, waren durch und durch naß gewor- den, und ein nasser Pelz ist eine elende Decke. Wir müs- sen es machen wie die Thiere, und uns künftig des Nachts in eine Höhle oder unter dem Laube verbergen, sagte Adam, und noch hatte er sich nicht dreymal umgesehen, als er ei- nige grosse abgeschlagene Zweige entdeckte, solche an einem grossen Baum stützte, und sich darunter ein besseres Lager bereitete. Sein Vergnügen war, solches jeden Tag immer mehr und mehr mit Schilfe und grossen Blättern gegen das Wetter, welches jede Nacht unfreundlicher wurde, zu ver- sichern, und in der That hatte ihn die Noth recht sinnreich gemacht: denn die Hütte war so groß und geräumig, daß sie sich beyde darin niederlegen, und vorn zur Thür hinaus sehen konnten.
Wenn sie hier des Morgens aufwachten, war ihr er- ster Blick nach der Sonne, und die erste astronomische Bemerkung die sie machten, war, daß dieses grosse Licht immer mehr und mehr zurück blieb. O Gott, o Gott, sagte Adam, -- die armen Leute hatten noch keinen Winter
gese-
Der erſte Jahreswechſel.
ſie nach dem erſten Biß aus; aber Adam ſchuͤttelte den Kopf, und ſpuckte das abgebiſſene auf die Erde. So brachten ſie eine Weile mit dem Koſten verſchiedener Fruͤchte zu, als Nacht und Muͤdigkeit die beyden Vertriebenen zur Ruhe lockte, und Adam zum erſtenmal einſchlief, ohne ſeiner Eva eine gute Nacht zu wuͤnſchen. Sie muſte indeſſen wie alle Schuldigen, den Schmerz verbeiſſen, ſo gern ſie auch ihrem Mann noch einmal geſagt haͤtte, daß er es beſſer verſtehen, und ſich von ſeinem ſchwachen Weibe nicht ver- fuͤhren laſſen ſollen.
Es regnete die Nacht gewaltig, und dabey war es ſchon etwas kalt, wie gemeiniglich in den Herbſtnaͤchten. Ihre Pelze, welche ihnen Gott beym Abſchiede auf die Reiſe gegeben hatte, waren durch und durch naß gewor- den, und ein naſſer Pelz iſt eine elende Decke. Wir muͤſ- ſen es machen wie die Thiere, und uns kuͤnftig des Nachts in eine Hoͤhle oder unter dem Laube verbergen, ſagte Adam, und noch hatte er ſich nicht dreymal umgeſehen, als er ei- nige groſſe abgeſchlagene Zweige entdeckte, ſolche an einem groſſen Baum ſtuͤtzte, und ſich darunter ein beſſeres Lager bereitete. Sein Vergnuͤgen war, ſolches jeden Tag immer mehr und mehr mit Schilfe und groſſen Blaͤttern gegen das Wetter, welches jede Nacht unfreundlicher wurde, zu ver- ſichern, und in der That hatte ihn die Noth recht ſinnreich gemacht: denn die Huͤtte war ſo groß und geraͤumig, daß ſie ſich beyde darin niederlegen, und vorn zur Thuͤr hinaus ſehen konnten.
Wenn ſie hier des Morgens aufwachten, war ihr er- ſter Blick nach der Sonne, und die erſte aſtronomiſche Bemerkung die ſie machten, war, daß dieſes groſſe Licht immer mehr und mehr zuruͤck blieb. O Gott, o Gott, ſagte Adam, — die armen Leute hatten noch keinen Winter
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Der erſte Jahreswechſel.
ſie nach dem erſten Biß aus; aber Adam ſchuͤttelte den Kopf,
und ſpuckte das abgebiſſene auf die Erde. So brachten
ſie eine Weile mit dem Koſten verſchiedener Fruͤchte zu, als
Nacht und Muͤdigkeit die beyden Vertriebenen zur Ruhe
lockte, und Adam zum erſtenmal einſchlief, ohne ſeiner
Eva eine gute Nacht zu wuͤnſchen. Sie muſte indeſſen wie
alle Schuldigen, den Schmerz verbeiſſen, ſo gern ſie auch
ihrem Mann noch einmal geſagt haͤtte, daß er es beſſer
verſtehen, und ſich von ſeinem ſchwachen Weibe nicht ver-
fuͤhren laſſen ſollen.
Es regnete die Nacht gewaltig, und dabey war es
ſchon etwas kalt, wie gemeiniglich in den Herbſtnaͤchten.
Ihre Pelze, welche ihnen Gott beym Abſchiede auf die
Reiſe gegeben hatte, waren durch und durch naß gewor-
den, und ein naſſer Pelz iſt eine elende Decke. Wir muͤſ-
ſen es machen wie die Thiere, und uns kuͤnftig des Nachts
in eine Hoͤhle oder unter dem Laube verbergen, ſagte Adam,
und noch hatte er ſich nicht dreymal umgeſehen, als er ei-
nige groſſe abgeſchlagene Zweige entdeckte, ſolche an einem
groſſen Baum ſtuͤtzte, und ſich darunter ein beſſeres Lager
bereitete. Sein Vergnuͤgen war, ſolches jeden Tag immer
mehr und mehr mit Schilfe und groſſen Blaͤttern gegen das
Wetter, welches jede Nacht unfreundlicher wurde, zu ver-
ſichern, und in der That hatte ihn die Noth recht ſinnreich
gemacht: denn die Huͤtte war ſo groß und geraͤumig, daß
ſie ſich beyde darin niederlegen, und vorn zur Thuͤr hinaus
ſehen konnten.
Wenn ſie hier des Morgens aufwachten, war ihr er-
ſter Blick nach der Sonne, und die erſte aſtronomiſche
Bemerkung die ſie machten, war, daß dieſes groſſe Licht
immer mehr und mehr zuruͤck blieb. O Gott, o Gott,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/164>, abgerufen am 16.02.2025.
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