Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite


LII.
Vom Hüten der Schweine.

Es kommen jährlich viele Klagen darüber ein, daß die
Schweine auf dem Lande hie und da ohne Hirten
herumlaufen, und besonders den Gärten sehr vielen
Schaden zufügen. So oft man aber diesem Unwesen von
Policey-Amtswegen begegnen wollen, hat man gefunden,
daß sich solches am wenigsten durch allgemeine Verord-
nungen zwingen lassen wolle. Vielleicht ist die Aufklä-
rung der solcherhalb vorhandenen Gesetze und Gewohn-
heiten, eben so nützlich als irgend eine andre philosophi-
sche Betrachtung. Andre mögen von Liebe und Wein
singen; ich will einmal den Schweinen folgen, und die
Fälle, wo solche nach der Beschaffenheit des hiesigen Landes
gehütet werden müssen oder nicht, zu bestimmen suchen.

Darinn daß die Schweine von Maytag bis Bartho-
lomäus gehütet und in Acht genommen werden müssen,
ist man fast durchgehends einverstanden. Der grössere
Vortheil, nemlich die Erhaltung der Kornfrüchte, wird
hier mit Recht auf Kosten des mindern gesucht; und man
nennt jene Zeit die beschlossene Zeit. Meiner Meinung
nach redet hier auch der Tag oder der Calender von selbst,
und es bedarf solcherhalb jährlich keines besondern neuen
Gebots. Wo aber die gute Witterung im Frühjahr eine
frühere Schonung der Felder, oder die sich verspätende
Erndte eine spätere Eröfnung derselben erfordert, da ist
ein besonders Gebot nöthig; und dieses Gebot muß öf-
fentlich verkündiget werden, wenn diejenigen, so vor
Maytag oder nach Bartholomäi ihre Schweine ungehütet
laufen lassen, bestrafet werden sollen. Ein solches Ge-

bot


LII.
Vom Huͤten der Schweine.

Es kommen jaͤhrlich viele Klagen daruͤber ein, daß die
Schweine auf dem Lande hie und da ohne Hirten
herumlaufen, und beſonders den Gaͤrten ſehr vielen
Schaden zufuͤgen. So oft man aber dieſem Unweſen von
Policey-Amtswegen begegnen wollen, hat man gefunden,
daß ſich ſolches am wenigſten durch allgemeine Verord-
nungen zwingen laſſen wolle. Vielleicht iſt die Aufklaͤ-
rung der ſolcherhalb vorhandenen Geſetze und Gewohn-
heiten, eben ſo nuͤtzlich als irgend eine andre philoſophi-
ſche Betrachtung. Andre moͤgen von Liebe und Wein
ſingen; ich will einmal den Schweinen folgen, und die
Faͤlle, wo ſolche nach der Beſchaffenheit des hieſigen Landes
gehuͤtet werden muͤſſen oder nicht, zu beſtimmen ſuchen.

Darinn daß die Schweine von Maytag bis Bartho-
lomaͤus gehuͤtet und in Acht genommen werden muͤſſen,
iſt man faſt durchgehends einverſtanden. Der groͤſſere
Vortheil, nemlich die Erhaltung der Kornfruͤchte, wird
hier mit Recht auf Koſten des mindern geſucht; und man
nennt jene Zeit die beſchloſſene Zeit. Meiner Meinung
nach redet hier auch der Tag oder der Calender von ſelbſt,
und es bedarf ſolcherhalb jaͤhrlich keines beſondern neuen
Gebots. Wo aber die gute Witterung im Fruͤhjahr eine
fruͤhere Schonung der Felder, oder die ſich verſpaͤtende
Erndte eine ſpaͤtere Eroͤfnung derſelben erfordert, da iſt
ein beſonders Gebot noͤthig; und dieſes Gebot muß oͤf-
fentlich verkuͤndiget werden, wenn diejenigen, ſo vor
Maytag oder nach Bartholomaͤi ihre Schweine ungehuͤtet
laufen laſſen, beſtrafet werden ſollen. Ein ſolches Ge-

bot
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0220" n="206"/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">LII.</hi><lb/>
Vom Hu&#x0364;ten der Schweine.</hi> </head><lb/>
        <p>Es kommen ja&#x0364;hrlich viele Klagen daru&#x0364;ber ein, daß die<lb/>
Schweine auf dem Lande hie und da ohne Hirten<lb/>
herumlaufen, und be&#x017F;onders den Ga&#x0364;rten &#x017F;ehr vielen<lb/>
Schaden zufu&#x0364;gen. So oft man aber die&#x017F;em Unwe&#x017F;en von<lb/>
Policey-Amtswegen begegnen wollen, hat man gefunden,<lb/>
daß &#x017F;ich &#x017F;olches am wenig&#x017F;ten durch allgemeine Verord-<lb/>
nungen zwingen la&#x017F;&#x017F;en wolle. Vielleicht i&#x017F;t die Aufkla&#x0364;-<lb/>
rung der &#x017F;olcherhalb vorhandenen Ge&#x017F;etze und Gewohn-<lb/>
heiten, eben &#x017F;o nu&#x0364;tzlich als irgend eine andre philo&#x017F;ophi-<lb/>
&#x017F;che Betrachtung. Andre mo&#x0364;gen von Liebe und Wein<lb/>
&#x017F;ingen; ich will einmal den Schweinen folgen, und die<lb/>
Fa&#x0364;lle, wo &#x017F;olche nach der Be&#x017F;chaffenheit des hie&#x017F;igen Landes<lb/>
gehu&#x0364;tet werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en oder nicht, zu be&#x017F;timmen &#x017F;uchen.</p><lb/>
        <p>Darinn daß die Schweine von Maytag bis Bartho-<lb/>
loma&#x0364;us gehu&#x0364;tet und in Acht genommen werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
i&#x017F;t man fa&#x017F;t durchgehends einver&#x017F;tanden. Der gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere<lb/>
Vortheil, nemlich die Erhaltung der Kornfru&#x0364;chte, wird<lb/>
hier mit Recht auf Ko&#x017F;ten des mindern ge&#x017F;ucht; und man<lb/>
nennt jene Zeit die <hi rendition="#fr">be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;ene Zeit.</hi> Meiner Meinung<lb/>
nach redet hier auch der Tag oder der Calender von &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
und es bedarf &#x017F;olcherhalb ja&#x0364;hrlich keines be&#x017F;ondern neuen<lb/>
Gebots. Wo aber die gute Witterung im Fru&#x0364;hjahr eine<lb/>
fru&#x0364;here Schonung der Felder, oder die &#x017F;ich ver&#x017F;pa&#x0364;tende<lb/>
Erndte eine &#x017F;pa&#x0364;tere Ero&#x0364;fnung der&#x017F;elben erfordert, da i&#x017F;t<lb/>
ein be&#x017F;onders Gebot no&#x0364;thig; und die&#x017F;es Gebot muß o&#x0364;f-<lb/>
fentlich verku&#x0364;ndiget werden, wenn diejenigen, &#x017F;o vor<lb/>
Maytag oder nach Bartholoma&#x0364;i ihre Schweine ungehu&#x0364;tet<lb/>
laufen la&#x017F;&#x017F;en, be&#x017F;trafet werden &#x017F;ollen. Ein &#x017F;olches Ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bot</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[206/0220] LII. Vom Huͤten der Schweine. Es kommen jaͤhrlich viele Klagen daruͤber ein, daß die Schweine auf dem Lande hie und da ohne Hirten herumlaufen, und beſonders den Gaͤrten ſehr vielen Schaden zufuͤgen. So oft man aber dieſem Unweſen von Policey-Amtswegen begegnen wollen, hat man gefunden, daß ſich ſolches am wenigſten durch allgemeine Verord- nungen zwingen laſſen wolle. Vielleicht iſt die Aufklaͤ- rung der ſolcherhalb vorhandenen Geſetze und Gewohn- heiten, eben ſo nuͤtzlich als irgend eine andre philoſophi- ſche Betrachtung. Andre moͤgen von Liebe und Wein ſingen; ich will einmal den Schweinen folgen, und die Faͤlle, wo ſolche nach der Beſchaffenheit des hieſigen Landes gehuͤtet werden muͤſſen oder nicht, zu beſtimmen ſuchen. Darinn daß die Schweine von Maytag bis Bartho- lomaͤus gehuͤtet und in Acht genommen werden muͤſſen, iſt man faſt durchgehends einverſtanden. Der groͤſſere Vortheil, nemlich die Erhaltung der Kornfruͤchte, wird hier mit Recht auf Koſten des mindern geſucht; und man nennt jene Zeit die beſchloſſene Zeit. Meiner Meinung nach redet hier auch der Tag oder der Calender von ſelbſt, und es bedarf ſolcherhalb jaͤhrlich keines beſondern neuen Gebots. Wo aber die gute Witterung im Fruͤhjahr eine fruͤhere Schonung der Felder, oder die ſich verſpaͤtende Erndte eine ſpaͤtere Eroͤfnung derſelben erfordert, da iſt ein beſonders Gebot noͤthig; und dieſes Gebot muß oͤf- fentlich verkuͤndiget werden, wenn diejenigen, ſo vor Maytag oder nach Bartholomaͤi ihre Schweine ungehuͤtet laufen laſſen, beſtrafet werden ſollen. Ein ſolches Ge- bot

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/220
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/220>, abgerufen am 09.11.2024.