Assecuranz dafür in einem höheren Zinsgenuß beziehen kann. Wie läßt sich aber diese große, und auf die Erhaltung des innern und äussern Credits so deutlich gerichtete Absicht, mit dem Gesetze vereinigen, daß die Gläubiger nach Ver- hältniß ihrer Forderungen zu den ungewissen Kosten eines Concursprocesses beytragen sollen?
Urtheilen Sie selbst, ich habe aus einer Concursmasse vor zehn Jahren eintausend Thaler Capital mit dreyjähri- gen Zinsen richtig erhalten; und nun soll ich hundert sechzig Thaler Kosten, welche nachher noch aufgegangen sind, er- statten; aus einem andern soll ich nun ein gleiches Capital empfangen, aber vorerst 10 pro Cent für die künftigen Ko- sten zurückstehen lassen: der Verlust in dem letztern Falle geht weit, und daß er unter allerhand Zufällen noch weiter gehen könne, zeigt der erste unwidersprechlich; raubt mir hier nicht der Gesetzgeber mit der einen Hand was er mir mit der andern giebt? Und kann ich es als eine Wohlthat ansehen, daß man mir auf alle Fälle dreyjährige Zinsen versichert, und dagegen mein Capital einer augenscheinlichen Unsicherheit aussetzt? Scheint Ihnen hierinn nicht ein Wi- derspruch zu liegen?
Nie haben die gemeinen Rechte, nie die Römer und Griechen diese Meister in der Kunst, dergleichen gebilliget. Der Deutsche, welcher die Aeusserung nach Landrecht erfunden, und darinn Natur und Kunst auf das schärfste vereiniget hat schiebt demjenigen Gläubiger die Kosten zu der seine Mitgläubiger äussern will. Es war blos ein Einfall einiger einzelnen Rechtsgelehrten, die Concursko- sten auf sämtliche Gläubiger zu vertheilen. Diese glaub- ten man müsse hier nach dem Rhodischen Gesetze verfah- ren, welches die Erleichterung eines Schiffes in Gefahr, auf die ganze Ladung vertheilt. Allein nicht alle Gläu- biger sind in gleicher Gefahr; die ältesten waren schon im
Hafen,
Die Koſten eines Concursproceſſes
Aſſecuranz dafuͤr in einem hoͤheren Zinsgenuß beziehen kann. Wie laͤßt ſich aber dieſe große, und auf die Erhaltung des innern und aͤuſſern Credits ſo deutlich gerichtete Abſicht, mit dem Geſetze vereinigen, daß die Glaͤubiger nach Ver- haͤltniß ihrer Forderungen zu den ungewiſſen Koſten eines Concursproceſſes beytragen ſollen?
Urtheilen Sie ſelbſt, ich habe aus einer Concursmaſſe vor zehn Jahren eintauſend Thaler Capital mit dreyjaͤhri- gen Zinſen richtig erhalten; und nun ſoll ich hundert ſechzig Thaler Koſten, welche nachher noch aufgegangen ſind, er- ſtatten; aus einem andern ſoll ich nun ein gleiches Capital empfangen, aber vorerſt 10 pro Cent fuͤr die kuͤnftigen Ko- ſten zuruͤckſtehen laſſen: der Verluſt in dem letztern Falle geht weit, und daß er unter allerhand Zufaͤllen noch weiter gehen koͤnne, zeigt der erſte unwiderſprechlich; raubt mir hier nicht der Geſetzgeber mit der einen Hand was er mir mit der andern giebt? Und kann ich es als eine Wohlthat anſehen, daß man mir auf alle Faͤlle dreyjaͤhrige Zinſen verſichert, und dagegen mein Capital einer augenſcheinlichen Unſicherheit ausſetzt? Scheint Ihnen hierinn nicht ein Wi- derſpruch zu liegen?
Nie haben die gemeinen Rechte, nie die Roͤmer und Griechen dieſe Meiſter in der Kunſt, dergleichen gebilliget. Der Deutſche, welcher die Aeuſſerung nach Landrecht erfunden, und darinn Natur und Kunſt auf das ſchaͤrfſte vereiniget hat ſchiebt demjenigen Glaͤubiger die Koſten zu der ſeine Mitglaͤubiger aͤuſſern will. Es war blos ein Einfall einiger einzelnen Rechtsgelehrten, die Concursko- ſten auf ſaͤmtliche Glaͤubiger zu vertheilen. Dieſe glaub- ten man muͤſſe hier nach dem Rhodiſchen Geſetze verfah- ren, welches die Erleichterung eines Schiffes in Gefahr, auf die ganze Ladung vertheilt. Allein nicht alle Glaͤu- biger ſind in gleicher Gefahr; die aͤlteſten waren ſchon im
Hafen,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0266"n="252"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Die Koſten eines Concursproceſſes</hi></fw><lb/>
Aſſecuranz dafuͤr in einem hoͤheren Zinsgenuß beziehen kann.<lb/>
Wie laͤßt ſich aber dieſe große, und auf die Erhaltung des<lb/>
innern und aͤuſſern Credits ſo deutlich gerichtete Abſicht,<lb/>
mit dem Geſetze vereinigen, daß die Glaͤubiger nach Ver-<lb/>
haͤltniß ihrer Forderungen zu den ungewiſſen Koſten eines<lb/>
Concursproceſſes beytragen ſollen?</p><lb/><p>Urtheilen Sie ſelbſt, ich habe aus einer Concursmaſſe<lb/>
vor zehn Jahren eintauſend Thaler Capital mit dreyjaͤhri-<lb/>
gen Zinſen richtig erhalten; und nun ſoll ich hundert ſechzig<lb/>
Thaler Koſten, welche nachher noch aufgegangen ſind, er-<lb/>ſtatten; aus einem andern ſoll ich nun ein gleiches Capital<lb/>
empfangen, aber vorerſt 10 pro Cent fuͤr die kuͤnftigen Ko-<lb/>ſten zuruͤckſtehen laſſen: der Verluſt in dem letztern Falle<lb/>
geht weit, und daß er unter allerhand Zufaͤllen noch weiter<lb/>
gehen koͤnne, zeigt der erſte unwiderſprechlich; raubt mir<lb/>
hier nicht der Geſetzgeber mit der einen Hand was er mir<lb/>
mit der andern giebt? Und kann ich es als eine Wohlthat<lb/>
anſehen, daß man mir auf alle Faͤlle dreyjaͤhrige Zinſen<lb/>
verſichert, und dagegen mein Capital einer augenſcheinlichen<lb/>
Unſicherheit ausſetzt? Scheint Ihnen hierinn nicht ein Wi-<lb/>
derſpruch zu liegen?</p><lb/><p>Nie haben die gemeinen Rechte, nie die Roͤmer und<lb/>
Griechen dieſe Meiſter in der Kunſt, dergleichen gebilliget.<lb/>
Der Deutſche, welcher die <hirendition="#fr">Aeuſſerung nach Landrecht</hi><lb/>
erfunden, und darinn Natur und Kunſt auf das ſchaͤrfſte<lb/>
vereiniget hat ſchiebt demjenigen Glaͤubiger die Koſten zu<lb/>
der ſeine Mitglaͤubiger aͤuſſern will. Es war blos ein<lb/>
Einfall einiger einzelnen Rechtsgelehrten, die Concursko-<lb/>ſten auf ſaͤmtliche Glaͤubiger zu vertheilen. Dieſe glaub-<lb/>
ten man muͤſſe hier nach dem Rhodiſchen Geſetze verfah-<lb/>
ren, welches die Erleichterung eines Schiffes in Gefahr,<lb/>
auf die ganze Ladung vertheilt. Allein nicht alle Glaͤu-<lb/>
biger ſind in gleicher Gefahr; die aͤlteſten waren ſchon im<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Hafen,</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[252/0266]
Die Koſten eines Concursproceſſes
Aſſecuranz dafuͤr in einem hoͤheren Zinsgenuß beziehen kann.
Wie laͤßt ſich aber dieſe große, und auf die Erhaltung des
innern und aͤuſſern Credits ſo deutlich gerichtete Abſicht,
mit dem Geſetze vereinigen, daß die Glaͤubiger nach Ver-
haͤltniß ihrer Forderungen zu den ungewiſſen Koſten eines
Concursproceſſes beytragen ſollen?
Urtheilen Sie ſelbſt, ich habe aus einer Concursmaſſe
vor zehn Jahren eintauſend Thaler Capital mit dreyjaͤhri-
gen Zinſen richtig erhalten; und nun ſoll ich hundert ſechzig
Thaler Koſten, welche nachher noch aufgegangen ſind, er-
ſtatten; aus einem andern ſoll ich nun ein gleiches Capital
empfangen, aber vorerſt 10 pro Cent fuͤr die kuͤnftigen Ko-
ſten zuruͤckſtehen laſſen: der Verluſt in dem letztern Falle
geht weit, und daß er unter allerhand Zufaͤllen noch weiter
gehen koͤnne, zeigt der erſte unwiderſprechlich; raubt mir
hier nicht der Geſetzgeber mit der einen Hand was er mir
mit der andern giebt? Und kann ich es als eine Wohlthat
anſehen, daß man mir auf alle Faͤlle dreyjaͤhrige Zinſen
verſichert, und dagegen mein Capital einer augenſcheinlichen
Unſicherheit ausſetzt? Scheint Ihnen hierinn nicht ein Wi-
derſpruch zu liegen?
Nie haben die gemeinen Rechte, nie die Roͤmer und
Griechen dieſe Meiſter in der Kunſt, dergleichen gebilliget.
Der Deutſche, welcher die Aeuſſerung nach Landrecht
erfunden, und darinn Natur und Kunſt auf das ſchaͤrfſte
vereiniget hat ſchiebt demjenigen Glaͤubiger die Koſten zu
der ſeine Mitglaͤubiger aͤuſſern will. Es war blos ein
Einfall einiger einzelnen Rechtsgelehrten, die Concursko-
ſten auf ſaͤmtliche Glaͤubiger zu vertheilen. Dieſe glaub-
ten man muͤſſe hier nach dem Rhodiſchen Geſetze verfah-
ren, welches die Erleichterung eines Schiffes in Gefahr,
auf die ganze Ladung vertheilt. Allein nicht alle Glaͤu-
biger ſind in gleicher Gefahr; die aͤlteſten waren ſchon im
Hafen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/266>, abgerufen am 29.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.