Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Gedanken
"da sie auf Rechnung gebessert werden, verzehren entweder
"die Heuergelder oder fallen in wenigen Jahren zusammen;
"und durch die vielen einzelnen Ausheurungen werden un-
"sre eignen Gründe zuletzt selbst herunter sinken.

"Mit dem Adel ist es nun leider einmal so weit gekom-
"men, daß er seine Ehre im Dienste suchen muß. Man
"will heut zu Tage keine Edelleute mehr, die ihren Haus-
"halt führen und selbst auf den Acker gehen sollen. Es
"geht auch hier im Stifte gar nicht mehr an, nachdem wir
"unsre Gründe so hoch als möglich verheuret, unsern Staat
"darnach eingerichtet, und die Erbtheile unsrer Brüder und
"Geschwister darnach bestimmet haben. Wir würden diese
"und andre unsre hierauf gemachte Schulden nicht verzin-
"sen können, wenn wir unsern Acker selbst unternehmen soll-
"ten. Denn dabey kömmt für uns, die wir kein Auge,
"keine Hand und keinen Fuß mehr dazu haben, nichts her-
"aus als Schade. Wir müssen also durchaus darauf den-
"ken, die Heuer unsrer Aecker und Wiesen nicht sinken zu
"lassen; und dies werden wir wahrlich nicht verhindern, wo
"man nicht endlich der Verheurung unsrer mit Leibeignen
"besetzten Höfe ein vernünftiges Ziel setzen, und wenigstens
"deren Verheuerung an einzelne schlechterdings verbieten
"wird.

"Dies kann aber nicht besser geschehen, schliessen sie, als
"wenn wir den Gläubigern des Leibeignen erlauben, gegen
"ihren Schuldner eben so als gegen einen freyen Mann zu
"verfahren, und seinen Hof an einen andern verkaufen zu
"lassen, so bald er nicht bezahlen kann. Wir können uns
"10 pro Cent zum Weinkaufe von dem neuen Käufer be-
"dingen, und denn mögen die Gläubiger unsere Höfe so oft
"subhastiren lassen als es ihnen gefällt, wenn wir nur un-
"sre Pächte und Dienste behalten. Verfährt man doch mit

"den

Gedanken
„da ſie auf Rechnung gebeſſert werden, verzehren entweder
„die Heuergelder oder fallen in wenigen Jahren zuſammen;
„und durch die vielen einzelnen Ausheurungen werden un-
„ſre eignen Gruͤnde zuletzt ſelbſt herunter ſinken.

„Mit dem Adel iſt es nun leider einmal ſo weit gekom-
„men, daß er ſeine Ehre im Dienſte ſuchen muß. Man
„will heut zu Tage keine Edelleute mehr, die ihren Haus-
„halt fuͤhren und ſelbſt auf den Acker gehen ſollen. Es
„geht auch hier im Stifte gar nicht mehr an, nachdem wir
„unſre Gruͤnde ſo hoch als moͤglich verheuret, unſern Staat
„darnach eingerichtet, und die Erbtheile unſrer Bruͤder und
„Geſchwiſter darnach beſtimmet haben. Wir wuͤrden dieſe
„und andre unſre hierauf gemachte Schulden nicht verzin-
„ſen koͤnnen, wenn wir unſern Acker ſelbſt unternehmen ſoll-
„ten. Denn dabey koͤmmt fuͤr uns, die wir kein Auge,
„keine Hand und keinen Fuß mehr dazu haben, nichts her-
„aus als Schade. Wir muͤſſen alſo durchaus darauf den-
„ken, die Heuer unſrer Aecker und Wieſen nicht ſinken zu
„laſſen; und dies werden wir wahrlich nicht verhindern, wo
„man nicht endlich der Verheurung unſrer mit Leibeignen
„beſetzten Hoͤfe ein vernuͤnftiges Ziel ſetzen, und wenigſtens
„deren Verheuerung an einzelne ſchlechterdings verbieten
„wird.

„Dies kann aber nicht beſſer geſchehen, ſchlieſſen ſie, als
„wenn wir den Glaͤubigern des Leibeignen erlauben, gegen
„ihren Schuldner eben ſo als gegen einen freyen Mann zu
„verfahren, und ſeinen Hof an einen andern verkaufen zu
„laſſen, ſo bald er nicht bezahlen kann. Wir koͤnnen uns
„10 pro Cent zum Weinkaufe von dem neuen Kaͤufer be-
„dingen, und denn moͤgen die Glaͤubiger unſere Hoͤfe ſo oft
„ſubhaſtiren laſſen als es ihnen gefaͤllt, wenn wir nur un-
„ſre Paͤchte und Dienſte behalten. Verfaͤhrt man doch mit

„den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0276" n="262"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Gedanken</hi></fw><lb/>
&#x201E;da &#x017F;ie auf Rechnung gebe&#x017F;&#x017F;ert werden, verzehren entweder<lb/>
&#x201E;die Heuergelder oder fallen in wenigen Jahren zu&#x017F;ammen;<lb/>
&#x201E;und durch die vielen einzelnen Ausheurungen werden un-<lb/>
&#x201E;&#x017F;re eignen Gru&#x0364;nde zuletzt &#x017F;elb&#x017F;t herunter &#x017F;inken.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mit dem Adel i&#x017F;t es nun leider einmal &#x017F;o weit gekom-<lb/>
&#x201E;men, daß er &#x017F;eine Ehre im Dien&#x017F;te &#x017F;uchen muß. Man<lb/>
&#x201E;will heut zu Tage keine Edelleute mehr, die ihren Haus-<lb/>
&#x201E;halt fu&#x0364;hren und &#x017F;elb&#x017F;t auf den Acker gehen &#x017F;ollen. Es<lb/>
&#x201E;geht auch hier im Stifte gar nicht mehr an, nachdem wir<lb/>
&#x201E;un&#x017F;re Gru&#x0364;nde &#x017F;o hoch als mo&#x0364;glich verheuret, un&#x017F;ern Staat<lb/>
&#x201E;darnach eingerichtet, und die Erbtheile un&#x017F;rer Bru&#x0364;der und<lb/>
&#x201E;Ge&#x017F;chwi&#x017F;ter darnach be&#x017F;timmet haben. Wir wu&#x0364;rden die&#x017F;e<lb/>
&#x201E;und andre un&#x017F;re hierauf gemachte Schulden nicht verzin-<lb/>
&#x201E;&#x017F;en ko&#x0364;nnen, wenn wir un&#x017F;ern Acker &#x017F;elb&#x017F;t unternehmen &#x017F;oll-<lb/>
&#x201E;ten. Denn dabey ko&#x0364;mmt fu&#x0364;r uns, die wir kein Auge,<lb/>
&#x201E;keine Hand und keinen Fuß mehr dazu haben, nichts her-<lb/>
&#x201E;aus als Schade. Wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en al&#x017F;o durchaus darauf den-<lb/>
&#x201E;ken, die Heuer un&#x017F;rer Aecker und Wie&#x017F;en nicht &#x017F;inken zu<lb/>
&#x201E;la&#x017F;&#x017F;en; und dies werden wir wahrlich nicht verhindern, wo<lb/>
&#x201E;man nicht endlich der Verheurung un&#x017F;rer mit Leibeignen<lb/>
&#x201E;be&#x017F;etzten Ho&#x0364;fe ein vernu&#x0364;nftiges Ziel &#x017F;etzen, und wenig&#x017F;tens<lb/>
&#x201E;deren Verheuerung <hi rendition="#fr">an einzelne</hi> &#x017F;chlechterdings verbieten<lb/>
&#x201E;wird.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Dies kann aber nicht be&#x017F;&#x017F;er ge&#x017F;chehen, &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie, als<lb/>
&#x201E;wenn wir den Gla&#x0364;ubigern des Leibeignen erlauben, gegen<lb/>
&#x201E;ihren Schuldner eben &#x017F;o als gegen einen freyen Mann zu<lb/>
&#x201E;verfahren, und &#x017F;einen Hof an einen andern verkaufen zu<lb/>
&#x201E;la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o bald er nicht bezahlen kann. Wir ko&#x0364;nnen uns<lb/>
&#x201E;10 pro Cent zum Weinkaufe von dem neuen Ka&#x0364;ufer be-<lb/>
&#x201E;dingen, und denn mo&#x0364;gen die Gla&#x0364;ubiger un&#x017F;ere Ho&#x0364;fe &#x017F;o oft<lb/>
&#x201E;&#x017F;ubha&#x017F;tiren la&#x017F;&#x017F;en als es ihnen gefa&#x0364;llt, wenn wir nur un-<lb/>
&#x201E;&#x017F;re Pa&#x0364;chte und Dien&#x017F;te behalten. Verfa&#x0364;hrt man doch mit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;den</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[262/0276] Gedanken „da ſie auf Rechnung gebeſſert werden, verzehren entweder „die Heuergelder oder fallen in wenigen Jahren zuſammen; „und durch die vielen einzelnen Ausheurungen werden un- „ſre eignen Gruͤnde zuletzt ſelbſt herunter ſinken. „Mit dem Adel iſt es nun leider einmal ſo weit gekom- „men, daß er ſeine Ehre im Dienſte ſuchen muß. Man „will heut zu Tage keine Edelleute mehr, die ihren Haus- „halt fuͤhren und ſelbſt auf den Acker gehen ſollen. Es „geht auch hier im Stifte gar nicht mehr an, nachdem wir „unſre Gruͤnde ſo hoch als moͤglich verheuret, unſern Staat „darnach eingerichtet, und die Erbtheile unſrer Bruͤder und „Geſchwiſter darnach beſtimmet haben. Wir wuͤrden dieſe „und andre unſre hierauf gemachte Schulden nicht verzin- „ſen koͤnnen, wenn wir unſern Acker ſelbſt unternehmen ſoll- „ten. Denn dabey koͤmmt fuͤr uns, die wir kein Auge, „keine Hand und keinen Fuß mehr dazu haben, nichts her- „aus als Schade. Wir muͤſſen alſo durchaus darauf den- „ken, die Heuer unſrer Aecker und Wieſen nicht ſinken zu „laſſen; und dies werden wir wahrlich nicht verhindern, wo „man nicht endlich der Verheurung unſrer mit Leibeignen „beſetzten Hoͤfe ein vernuͤnftiges Ziel ſetzen, und wenigſtens „deren Verheuerung an einzelne ſchlechterdings verbieten „wird. „Dies kann aber nicht beſſer geſchehen, ſchlieſſen ſie, als „wenn wir den Glaͤubigern des Leibeignen erlauben, gegen „ihren Schuldner eben ſo als gegen einen freyen Mann zu „verfahren, und ſeinen Hof an einen andern verkaufen zu „laſſen, ſo bald er nicht bezahlen kann. Wir koͤnnen uns „10 pro Cent zum Weinkaufe von dem neuen Kaͤufer be- „dingen, und denn moͤgen die Glaͤubiger unſere Hoͤfe ſo oft „ſubhaſtiren laſſen als es ihnen gefaͤllt, wenn wir nur un- „ſre Paͤchte und Dienſte behalten. Verfaͤhrt man doch mit „den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/276
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/276>, abgerufen am 26.11.2024.