Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Also kann man der Mode
die Köpfe zusammen; der eine wuste noch mehr als der an-
dre, und wie sie sich nach ihrer gewöhnlichen Parthie zum
Spiele umsahe, standen die Herrn, welche bisher so gut
gewesen sind, ihr das bisgen Geld abzunehmen, vor ver-
schiedenen Fenstern, und waren gar nicht eilfertig ihr ein
Compliment zu machen. Endlich erbarmte sich noch der
Hauswirth über sie, und brachte für sie ein Trisette qua-
drigliate
um 1 ggr. zusammen. Alte Liebe rostet nicht,
dachte ich, er war aber doch hiebey so verlegen, daß es
die ganze Gesellschaft fühlte, und nur ihren Spott darüber
hatte. Der Herr ... und der Herr ... die ihr ehe-
dem, und wie die Medisance sagt, nicht ganz vergeblich
die Cour gemacht haben, schienen den ganzen Abend auf
sie keine Acht zu haben, ich neckte den letztern darüber ein
wenig, aber seine Mine gab mir zu verstehen, daß er sie
eben nicht sehr bedaurete. Als der Wagen fortrollte,
sagte die Gräfin ... ganz spitzig: Die Neapolitaner gehen
so langsam, als wenn sie vor einem Leichenwagen zögen,
und ein lautes Geräusch zeigte, daß noch mehrere spotten-
de Anmerkungen gemacht wurden. Da ich aber keine Freun-
din davon bin, und die bösen Nachreden auf den Tod hasse,
ob ich wohl eben nicht sagen kann, daß sie diesmal unver-
dient waren: so eilte ich nur fort nach Hause, um den
Himmel zu danken, daß ich nicht so bin wie diese. Wenn
ich Sie heute Abend sehen sollte, so können Sie sich nur
noch auf ein Paar recht allerliebste Anecdoten von ihr ge-
faßt machen. Bis dahin ...

Eutalie.


Von

Alſo kann man der Mode
die Koͤpfe zuſammen; der eine wuſte noch mehr als der an-
dre, und wie ſie ſich nach ihrer gewoͤhnlichen Parthie zum
Spiele umſahe, ſtanden die Herrn, welche bisher ſo gut
geweſen ſind, ihr das bisgen Geld abzunehmen, vor ver-
ſchiedenen Fenſtern, und waren gar nicht eilfertig ihr ein
Compliment zu machen. Endlich erbarmte ſich noch der
Hauswirth uͤber ſie, und brachte fuͤr ſie ein Triſette qua-
drigliate
um 1 ggr. zuſammen. Alte Liebe roſtet nicht,
dachte ich, er war aber doch hiebey ſo verlegen, daß es
die ganze Geſellſchaft fuͤhlte, und nur ihren Spott daruͤber
hatte. Der Herr … und der Herr … die ihr ehe-
dem, und wie die Mediſance ſagt, nicht ganz vergeblich
die Cour gemacht haben, ſchienen den ganzen Abend auf
ſie keine Acht zu haben, ich neckte den letztern daruͤber ein
wenig, aber ſeine Mine gab mir zu verſtehen, daß er ſie
eben nicht ſehr bedaurete. Als der Wagen fortrollte,
ſagte die Graͤfin … ganz ſpitzig: Die Neapolitaner gehen
ſo langſam, als wenn ſie vor einem Leichenwagen zoͤgen,
und ein lautes Geraͤuſch zeigte, daß noch mehrere ſpotten-
de Anmerkungen gemacht wurden. Da ich aber keine Freun-
din davon bin, und die boͤſen Nachreden auf den Tod haſſe,
ob ich wohl eben nicht ſagen kann, daß ſie diesmal unver-
dient waren: ſo eilte ich nur fort nach Hauſe, um den
Himmel zu danken, daß ich nicht ſo bin wie dieſe. Wenn
ich Sie heute Abend ſehen ſollte, ſo koͤnnen Sie ſich nur
noch auf ein Paar recht allerliebſte Anecdoten von ihr ge-
faßt machen. Bis dahin …

Eutalie.


Von
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0032" n="18"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Al&#x017F;o kann man der Mode</hi></fw><lb/>
die Ko&#x0364;pfe zu&#x017F;ammen; der eine wu&#x017F;te noch mehr als der an-<lb/>
dre, und wie &#x017F;ie &#x017F;ich nach ihrer gewo&#x0364;hnlichen Parthie zum<lb/>
Spiele um&#x017F;ahe, &#x017F;tanden die Herrn, welche bisher &#x017F;o gut<lb/>
gewe&#x017F;en &#x017F;ind, ihr das bisgen Geld abzunehmen, vor ver-<lb/>
&#x017F;chiedenen Fen&#x017F;tern, und waren gar nicht eilfertig ihr ein<lb/>
Compliment zu machen. Endlich erbarmte &#x017F;ich noch der<lb/>
Hauswirth u&#x0364;ber &#x017F;ie, und brachte fu&#x0364;r &#x017F;ie ein <hi rendition="#aq">Tri&#x017F;ette qua-<lb/>
drigliate</hi> um 1 ggr. zu&#x017F;ammen. Alte Liebe ro&#x017F;tet nicht,<lb/>
dachte ich, er war aber doch hiebey &#x017F;o verlegen, daß es<lb/>
die ganze Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft fu&#x0364;hlte, und nur ihren Spott daru&#x0364;ber<lb/>
hatte. Der Herr &#x2026; und der Herr &#x2026; die ihr ehe-<lb/>
dem, und wie die Medi&#x017F;ance &#x017F;agt, nicht ganz vergeblich<lb/>
die Cour gemacht haben, &#x017F;chienen den ganzen Abend auf<lb/>
&#x017F;ie keine Acht zu haben, ich neckte den letztern daru&#x0364;ber ein<lb/>
wenig, aber &#x017F;eine Mine gab mir zu ver&#x017F;tehen, daß er &#x017F;ie<lb/>
eben nicht &#x017F;ehr bedaurete. Als der Wagen fortrollte,<lb/>
&#x017F;agte die Gra&#x0364;fin &#x2026; ganz &#x017F;pitzig: Die Neapolitaner gehen<lb/>
&#x017F;o lang&#x017F;am, als wenn &#x017F;ie vor einem Leichenwagen zo&#x0364;gen,<lb/>
und ein lautes Gera&#x0364;u&#x017F;ch zeigte, daß noch mehrere &#x017F;potten-<lb/>
de Anmerkungen gemacht wurden. Da ich aber keine Freun-<lb/>
din davon bin, und die bo&#x0364;&#x017F;en Nachreden auf den Tod ha&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
ob ich wohl eben nicht &#x017F;agen kann, daß &#x017F;ie diesmal unver-<lb/>
dient waren: &#x017F;o eilte ich nur fort nach Hau&#x017F;e, um den<lb/>
Himmel zu danken, daß ich nicht &#x017F;o bin wie die&#x017F;e. Wenn<lb/>
ich Sie heute Abend &#x017F;ehen &#x017F;ollte, &#x017F;o ko&#x0364;nnen Sie &#x017F;ich nur<lb/>
noch auf ein Paar recht allerlieb&#x017F;te Anecdoten von ihr ge-<lb/>
faßt machen. Bis dahin &#x2026;</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et">Eutalie.</hi> </salute>
          </closer>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Von</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0032] Alſo kann man der Mode die Koͤpfe zuſammen; der eine wuſte noch mehr als der an- dre, und wie ſie ſich nach ihrer gewoͤhnlichen Parthie zum Spiele umſahe, ſtanden die Herrn, welche bisher ſo gut geweſen ſind, ihr das bisgen Geld abzunehmen, vor ver- ſchiedenen Fenſtern, und waren gar nicht eilfertig ihr ein Compliment zu machen. Endlich erbarmte ſich noch der Hauswirth uͤber ſie, und brachte fuͤr ſie ein Triſette qua- drigliate um 1 ggr. zuſammen. Alte Liebe roſtet nicht, dachte ich, er war aber doch hiebey ſo verlegen, daß es die ganze Geſellſchaft fuͤhlte, und nur ihren Spott daruͤber hatte. Der Herr … und der Herr … die ihr ehe- dem, und wie die Mediſance ſagt, nicht ganz vergeblich die Cour gemacht haben, ſchienen den ganzen Abend auf ſie keine Acht zu haben, ich neckte den letztern daruͤber ein wenig, aber ſeine Mine gab mir zu verſtehen, daß er ſie eben nicht ſehr bedaurete. Als der Wagen fortrollte, ſagte die Graͤfin … ganz ſpitzig: Die Neapolitaner gehen ſo langſam, als wenn ſie vor einem Leichenwagen zoͤgen, und ein lautes Geraͤuſch zeigte, daß noch mehrere ſpotten- de Anmerkungen gemacht wurden. Da ich aber keine Freun- din davon bin, und die boͤſen Nachreden auf den Tod haſſe, ob ich wohl eben nicht ſagen kann, daß ſie diesmal unver- dient waren: ſo eilte ich nur fort nach Hauſe, um den Himmel zu danken, daß ich nicht ſo bin wie dieſe. Wenn ich Sie heute Abend ſehen ſollte, ſo koͤnnen Sie ſich nur noch auf ein Paar recht allerliebſte Anecdoten von ihr ge- faßt machen. Bis dahin … Eutalie. Von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/32
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/32>, abgerufen am 03.12.2024.