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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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Die Abmeyerungen können dem
fällen. Die Gesetze können auf diese Verbrechen die Strafe
leicht bestimmen; aber die verschiedene Moralität der Hand-
lungen bleibt immer unter dem vernünftigen Ermessen des
Richters. Der menschliche Verstand hat hier noch kein
Maaß erfunden, wodurch der Gesetzgeber zu einer ganz
genauen Bestimmung seiner Gesetze gelangen kann. Die
Verbrechen, wodurch ein Leibeigner sich um den Hof bringt,
lassen nothwendig noch eine grössere richterliche Ermäßigung
zu, weil sie nicht so schreyend sind, wie jene, und folglich
auch den Richter nicht berechtigen können, hier so wie in
jenen grössern Verbrechen wohl geschieht, die ganze Mora-
lität bey Seite zu setzen und den Thäter des Exempels we-
gen die ganze Strenge des Gesetzes empfinden zu lassen.

Wollte man auf gleiche Art die Moralität der Hand-
lungen bey den Abäusserungsursachen ausser Betracht setzen;
und z. E. den besten Wirth, der sich in dem höchsten Grad
der Versuchung, in einem unglücklichen Augenblick, worinn
vielleicht der rechtschaffenste Mann gefehlet hätte, einen
Ehebruch zu schulden kommen lassen, so fort mit Weib und
Kindern vom Hofe jagen: so würde man gegen alle Politik
handeln, und die Sicherheit der Gläubiger, die dem besten
Wirthe, in den besten Umständen und in der größten Noth
geborget, von einer Schwachheitssünde abhangen lassen,
und jeden abschrecken einem solchen Manne (vor einem lie-
derlichen Wirth kann sich ein jeder hüten) auszuhelfen.
Will man aber die Moralität mit in Betracht ziehen: wel-
cher Meister wird dann die Grenzlinie ziehen können?

Wollte man sagen: der Proceß soll ganz summarisch
seyn, und Ein Urtheil das Glück oder Unglück des Men-
schen entscheiden; oder alle Verschickung der Acten soll in
diesem Falle verboten seyn: so erreichte die Sache freylich
ein kürzers Ziel; aber wird ein Freyer sich auf diesen Wurf

eigen

Die Abmeyerungen koͤnnen dem
faͤllen. Die Geſetze koͤnnen auf dieſe Verbrechen die Strafe
leicht beſtimmen; aber die verſchiedene Moralitaͤt der Hand-
lungen bleibt immer unter dem vernuͤnftigen Ermeſſen des
Richters. Der menſchliche Verſtand hat hier noch kein
Maaß erfunden, wodurch der Geſetzgeber zu einer ganz
genauen Beſtimmung ſeiner Geſetze gelangen kann. Die
Verbrechen, wodurch ein Leibeigner ſich um den Hof bringt,
laſſen nothwendig noch eine groͤſſere richterliche Ermaͤßigung
zu, weil ſie nicht ſo ſchreyend ſind, wie jene, und folglich
auch den Richter nicht berechtigen koͤnnen, hier ſo wie in
jenen groͤſſern Verbrechen wohl geſchieht, die ganze Mora-
litaͤt bey Seite zu ſetzen und den Thaͤter des Exempels we-
gen die ganze Strenge des Geſetzes empfinden zu laſſen.

Wollte man auf gleiche Art die Moralitaͤt der Hand-
lungen bey den Abaͤuſſerungsurſachen auſſer Betracht ſetzen;
und z. E. den beſten Wirth, der ſich in dem hoͤchſten Grad
der Verſuchung, in einem ungluͤcklichen Augenblick, worinn
vielleicht der rechtſchaffenſte Mann gefehlet haͤtte, einen
Ehebruch zu ſchulden kommen laſſen, ſo fort mit Weib und
Kindern vom Hofe jagen: ſo wuͤrde man gegen alle Politik
handeln, und die Sicherheit der Glaͤubiger, die dem beſten
Wirthe, in den beſten Umſtaͤnden und in der groͤßten Noth
geborget, von einer Schwachheitsſuͤnde abhangen laſſen,
und jeden abſchrecken einem ſolchen Manne (vor einem lie-
derlichen Wirth kann ſich ein jeder huͤten) auszuhelfen.
Will man aber die Moralitaͤt mit in Betracht ziehen: wel-
cher Meiſter wird dann die Grenzlinie ziehen koͤnnen?

Wollte man ſagen: der Proceß ſoll ganz ſummariſch
ſeyn, und Ein Urtheil das Gluͤck oder Ungluͤck des Men-
ſchen entſcheiden; oder alle Verſchickung der Acten ſoll in
dieſem Falle verboten ſeyn: ſo erreichte die Sache freylich
ein kuͤrzers Ziel; aber wird ein Freyer ſich auf dieſen Wurf

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[320/0334] Die Abmeyerungen koͤnnen dem faͤllen. Die Geſetze koͤnnen auf dieſe Verbrechen die Strafe leicht beſtimmen; aber die verſchiedene Moralitaͤt der Hand- lungen bleibt immer unter dem vernuͤnftigen Ermeſſen des Richters. Der menſchliche Verſtand hat hier noch kein Maaß erfunden, wodurch der Geſetzgeber zu einer ganz genauen Beſtimmung ſeiner Geſetze gelangen kann. Die Verbrechen, wodurch ein Leibeigner ſich um den Hof bringt, laſſen nothwendig noch eine groͤſſere richterliche Ermaͤßigung zu, weil ſie nicht ſo ſchreyend ſind, wie jene, und folglich auch den Richter nicht berechtigen koͤnnen, hier ſo wie in jenen groͤſſern Verbrechen wohl geſchieht, die ganze Mora- litaͤt bey Seite zu ſetzen und den Thaͤter des Exempels we- gen die ganze Strenge des Geſetzes empfinden zu laſſen. Wollte man auf gleiche Art die Moralitaͤt der Hand- lungen bey den Abaͤuſſerungsurſachen auſſer Betracht ſetzen; und z. E. den beſten Wirth, der ſich in dem hoͤchſten Grad der Verſuchung, in einem ungluͤcklichen Augenblick, worinn vielleicht der rechtſchaffenſte Mann gefehlet haͤtte, einen Ehebruch zu ſchulden kommen laſſen, ſo fort mit Weib und Kindern vom Hofe jagen: ſo wuͤrde man gegen alle Politik handeln, und die Sicherheit der Glaͤubiger, die dem beſten Wirthe, in den beſten Umſtaͤnden und in der groͤßten Noth geborget, von einer Schwachheitsſuͤnde abhangen laſſen, und jeden abſchrecken einem ſolchen Manne (vor einem lie- derlichen Wirth kann ſich ein jeder huͤten) auszuhelfen. Will man aber die Moralitaͤt mit in Betracht ziehen: wel- cher Meiſter wird dann die Grenzlinie ziehen koͤnnen? Wollte man ſagen: der Proceß ſoll ganz ſummariſch ſeyn, und Ein Urtheil das Gluͤck oder Ungluͤck des Men- ſchen entſcheiden; oder alle Verſchickung der Acten ſoll in dieſem Falle verboten ſeyn: ſo erreichte die Sache freylich ein kuͤrzers Ziel; aber wird ein Freyer ſich auf dieſen Wurf eigen

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/334>, abgerufen am 09.11.2024.