Ich will jedoch hiermit gar nicht sagen, daß gegen Freye und Leibeigene aus einerley Ursachen zur Abäuße- rung geschritten werden könne. Der Leibeigene steht ins- gemein in einer doppelten Verbindung; wovon die erste sich auf das Wohl des Staats, die andere aber auf ei- nem Pachtcontrakt zwischen ihm und seinem Gutsherrn gründet. Die erste verpflichtet zum Exempel den Freyen nur, sein Gehölz nicht zu verhauen, die andere aber ver- hindert den Leibeigenen überhaupt, sein Blumenholz ohne Bewilligung anzugreifen und so versteht es sich von selbst, daß die Abäusserungsursachen in allgemeine, welche so- wol Freye als Leibeigene betreffen, und in besondre, wo- durch letztere allein verbunden werden, abgetheilet wer- den müssen.
Eben so hat die Gutsherrlichkeit einen doppelten Grund, als einmal die vogteyliche Befugniß, kraft wel- cher der Gutsherr gleichsam von obrigkeitlichen Amtswe- gen dahin sieht, daß sein Leibeigener nicht gegen das Wohl des Staats wirthschafte, und dann das aus dem Pacht- contrakte hervorgehende Recht, vermöge wessen er von seinem pachtpflichtigen Eigenbehörigen fordert, sich seinem Contrakte gemäß zu verhalten. Beyde Befugnisse können auch getrennet seyn. So hat zum Exempel der Gutsherr, der ein Erbe auf Zeit- oder Erbwinn ausgethan hat, über den freyen Besitzer desselben nicht die vogteylichen Gerecht- same, und umgekehrt derjenige, so von einem Freyen nur Schutzrinder, Schuldkörner, oder Schuldschweine, aber keine Pächte zu erheben hat, blos die Vogtey, und er kann im ersten Fall nur auf die Aeusserung klagen, wenn der Freye seinen Pacht- oder Winncontrakt nicht erfüllet; und im andern blos wenn er den ursprünglichen Bedin- gungen der reihepflichtigen Gesellschaft zuwider handelt.
Wo
Betrachtungen uͤber die Abaͤuſſerungs-
Ich will jedoch hiermit gar nicht ſagen, daß gegen Freye und Leibeigene aus einerley Urſachen zur Abaͤuße- rung geſchritten werden koͤnne. Der Leibeigene ſteht ins- gemein in einer doppelten Verbindung; wovon die erſte ſich auf das Wohl des Staats, die andere aber auf ei- nem Pachtcontrakt zwiſchen ihm und ſeinem Gutsherrn gruͤndet. Die erſte verpflichtet zum Exempel den Freyen nur, ſein Gehoͤlz nicht zu verhauen, die andere aber ver- hindert den Leibeigenen uͤberhaupt, ſein Blumenholz ohne Bewilligung anzugreifen und ſo verſteht es ſich von ſelbſt, daß die Abaͤuſſerungsurſachen in allgemeine, welche ſo- wol Freye als Leibeigene betreffen, und in beſondre, wo- durch letztere allein verbunden werden, abgetheilet wer- den muͤſſen.
Eben ſo hat die Gutsherrlichkeit einen doppelten Grund, als einmal die vogteyliche Befugniß, kraft wel- cher der Gutsherr gleichſam von obrigkeitlichen Amtswe- gen dahin ſieht, daß ſein Leibeigener nicht gegen das Wohl des Staats wirthſchafte, und dann das aus dem Pacht- contrakte hervorgehende Recht, vermoͤge weſſen er von ſeinem pachtpflichtigen Eigenbehoͤrigen fordert, ſich ſeinem Contrakte gemaͤß zu verhalten. Beyde Befugniſſe koͤnnen auch getrennet ſeyn. So hat zum Exempel der Gutsherr, der ein Erbe auf Zeit- oder Erbwinn ausgethan hat, uͤber den freyen Beſitzer deſſelben nicht die vogteylichen Gerecht- ſame, und umgekehrt derjenige, ſo von einem Freyen nur Schutzrinder, Schuldkoͤrner, oder Schuldſchweine, aber keine Paͤchte zu erheben hat, blos die Vogtey, und er kann im erſten Fall nur auf die Aeuſſerung klagen, wenn der Freye ſeinen Pacht- oder Winncontrakt nicht erfuͤllet; und im andern blos wenn er den urſpruͤnglichen Bedin- gungen der reihepflichtigen Geſellſchaft zuwider handelt.
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Betrachtungen uͤber die Abaͤuſſerungs-
Ich will jedoch hiermit gar nicht ſagen, daß gegen
Freye und Leibeigene aus einerley Urſachen zur Abaͤuße-
rung geſchritten werden koͤnne. Der Leibeigene ſteht ins-
gemein in einer doppelten Verbindung; wovon die erſte
ſich auf das Wohl des Staats, die andere aber auf ei-
nem Pachtcontrakt zwiſchen ihm und ſeinem Gutsherrn
gruͤndet. Die erſte verpflichtet zum Exempel den Freyen
nur, ſein Gehoͤlz nicht zu verhauen, die andere aber ver-
hindert den Leibeigenen uͤberhaupt, ſein Blumenholz ohne
Bewilligung anzugreifen und ſo verſteht es ſich von ſelbſt,
daß die Abaͤuſſerungsurſachen in allgemeine, welche ſo-
wol Freye als Leibeigene betreffen, und in beſondre, wo-
durch letztere allein verbunden werden, abgetheilet wer-
den muͤſſen.
Eben ſo hat die Gutsherrlichkeit einen doppelten
Grund, als einmal die vogteyliche Befugniß, kraft wel-
cher der Gutsherr gleichſam von obrigkeitlichen Amtswe-
gen dahin ſieht, daß ſein Leibeigener nicht gegen das Wohl
des Staats wirthſchafte, und dann das aus dem Pacht-
contrakte hervorgehende Recht, vermoͤge weſſen er von
ſeinem pachtpflichtigen Eigenbehoͤrigen fordert, ſich ſeinem
Contrakte gemaͤß zu verhalten. Beyde Befugniſſe koͤnnen
auch getrennet ſeyn. So hat zum Exempel der Gutsherr,
der ein Erbe auf Zeit- oder Erbwinn ausgethan hat, uͤber
den freyen Beſitzer deſſelben nicht die vogteylichen Gerecht-
ſame, und umgekehrt derjenige, ſo von einem Freyen nur
Schutzrinder, Schuldkoͤrner, oder Schuldſchweine, aber
keine Paͤchte zu erheben hat, blos die Vogtey, und er
kann im erſten Fall nur auf die Aeuſſerung klagen, wenn
der Freye ſeinen Pacht- oder Winncontrakt nicht erfuͤllet;
und im andern blos wenn er den urſpruͤnglichen Bedin-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/344>, abgerufen am 09.11.2024.
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