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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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Also sind die unbestimmten etc.
23) der grosse Geld- und Creditmangel bey den Leibeig-
nen eine solche Veränderung nothwendig zu machen
scheinet. Die Menge der verheureten Stätten ist noch
nichts in Vergleichung derjenigen, welche sich über
funfzig Jahr finden wird, wenn die Auslobungen
nach dem zum Versuche und zur Verkürzung der darü-
ber entstandenen Processe eingeführten Fusse bestehen
bleibt. Denn dadurch wird sich alles mit der Zeit in
Heuergut verwandeln und der jetzige Eigenthum völ-
lig aufgelöset werden a).


LXVI.
a) Es ist wider alle Wahrscheinlichkeit und wider den Lauf der
menschlichen Sachen, daß der Besitzer eines Landgutes, wenn
es auch jährlich 10000 Thaler einbringt, seinen jüngern Ge-
schwistern nur die Hälfte des Werths auszahlen und dabey be-
stehen kann. Nicht einer unter Hunderten gewinnet, wenn
man dreyßig Jahr für sein Leben rechnet, diese Summe wie-
der, und wenn sein Sohn abermal mit seinen Geschwistern ge-
theilet hat, so geht der Enkel gewiß dabey zu Grunde. Weit
schwerer ist der tand eines Leibeignen, der nur einen doppelten.
Kindestheil behalten und folglich in den mehrsten Fällen Drey-
viertel der Erbschaft ausgeben soll. Dieser muß nothwendig in
die Umstände und in die Versuchung gerathen, lieber der Heuer-
mann als der Colon seines Hofes zu seyn. Geschieht dieses,
wie man es vorher sehen kann, ohne eben Prophet zu seyn: so
werden sich die Eigenthumsfälle immer mehr und mehr verlie-
ren. Wenigstens wird der Leibeigne immer mehr und mehr ein
Sclave der abgehenden Geschwister bleiben. Diese werden alles
wegnehmen, was er erübrigen und borgen kann; das Anerb-
recht wird minder gesucht und beneidet werden; und so wird we-
der der Leibeigne zu grossen Baarschaften, noch der Gutsherr
zu einer billigen Auffahrt auf einmal gelangen.
Alſo ſind die unbeſtimmten ꝛc.
23) der groſſe Geld- und Creditmangel bey den Leibeig-
nen eine ſolche Veraͤnderung nothwendig zu machen
ſcheinet. Die Menge der verheureten Staͤtten iſt noch
nichts in Vergleichung derjenigen, welche ſich uͤber
funfzig Jahr finden wird, wenn die Auslobungen
nach dem zum Verſuche und zur Verkuͤrzung der daruͤ-
ber entſtandenen Proceſſe eingefuͤhrten Fuſſe beſtehen
bleibt. Denn dadurch wird ſich alles mit der Zeit in
Heuergut verwandeln und der jetzige Eigenthum voͤl-
lig aufgeloͤſet werden a).


LXVI.
a) Es iſt wider alle Wahrſcheinlichkeit und wider den Lauf der
menſchlichen Sachen, daß der Beſitzer eines Landgutes, wenn
es auch jaͤhrlich 10000 Thaler einbringt, ſeinen juͤngern Ge-
ſchwiſtern nur die Haͤlfte des Werths auszahlen und dabey be-
ſtehen kann. Nicht einer unter Hunderten gewinnet, wenn
man dreyßig Jahr fuͤr ſein Leben rechnet, dieſe Summe wie-
der, und wenn ſein Sohn abermal mit ſeinen Geſchwiſtern ge-
theilet hat, ſo geht der Enkel gewiß dabey zu Grunde. Weit
ſchwerer iſt der tand eines Leibeignen, der nur einen doppelten.
Kindestheil behalten und folglich in den mehrſten Faͤllen Drey-
viertel der Erbſchaft ausgeben ſoll. Dieſer muß nothwendig in
die Umſtaͤnde und in die Verſuchung gerathen, lieber der Heuer-
mann als der Colon ſeines Hofes zu ſeyn. Geſchieht dieſes,
wie man es vorher ſehen kann, ohne eben Prophet zu ſeyn: ſo
werden ſich die Eigenthumsfaͤlle immer mehr und mehr verlie-
ren. Wenigſtens wird der Leibeigne immer mehr und mehr ein
Sclave der abgehenden Geſchwiſter bleiben. Dieſe werden alles
wegnehmen, was er eruͤbrigen und borgen kann; das Anerb-
recht wird minder geſucht und beneidet werden; und ſo wird we-
der der Leibeigne zu groſſen Baarſchaften, noch der Gutsherr
zu einer billigen Auffahrt auf einmal gelangen.
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[346/0360] Alſo ſind die unbeſtimmten ꝛc. 23) der groſſe Geld- und Creditmangel bey den Leibeig- nen eine ſolche Veraͤnderung nothwendig zu machen ſcheinet. Die Menge der verheureten Staͤtten iſt noch nichts in Vergleichung derjenigen, welche ſich uͤber funfzig Jahr finden wird, wenn die Auslobungen nach dem zum Verſuche und zur Verkuͤrzung der daruͤ- ber entſtandenen Proceſſe eingefuͤhrten Fuſſe beſtehen bleibt. Denn dadurch wird ſich alles mit der Zeit in Heuergut verwandeln und der jetzige Eigenthum voͤl- lig aufgeloͤſet werden a). LXVI. a) Es iſt wider alle Wahrſcheinlichkeit und wider den Lauf der menſchlichen Sachen, daß der Beſitzer eines Landgutes, wenn es auch jaͤhrlich 10000 Thaler einbringt, ſeinen juͤngern Ge- ſchwiſtern nur die Haͤlfte des Werths auszahlen und dabey be- ſtehen kann. Nicht einer unter Hunderten gewinnet, wenn man dreyßig Jahr fuͤr ſein Leben rechnet, dieſe Summe wie- der, und wenn ſein Sohn abermal mit ſeinen Geſchwiſtern ge- theilet hat, ſo geht der Enkel gewiß dabey zu Grunde. Weit ſchwerer iſt der tand eines Leibeignen, der nur einen doppelten. Kindestheil behalten und folglich in den mehrſten Faͤllen Drey- viertel der Erbſchaft ausgeben ſoll. Dieſer muß nothwendig in die Umſtaͤnde und in die Verſuchung gerathen, lieber der Heuer- mann als der Colon ſeines Hofes zu ſeyn. Geſchieht dieſes, wie man es vorher ſehen kann, ohne eben Prophet zu ſeyn: ſo werden ſich die Eigenthumsfaͤlle immer mehr und mehr verlie- ren. Wenigſtens wird der Leibeigne immer mehr und mehr ein Sclave der abgehenden Geſchwiſter bleiben. Dieſe werden alles wegnehmen, was er eruͤbrigen und borgen kann; das Anerb- recht wird minder geſucht und beneidet werden; und ſo wird we- der der Leibeigne zu groſſen Baarſchaften, noch der Gutsherr zu einer billigen Auffahrt auf einmal gelangen.

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/360>, abgerufen am 21.11.2024.