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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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So mag man noch im Alter lieben.
freuet er sich dann schon im voraus über unsre künftige
Freude, und ordnet wo wir des Morgens zusammen trin-
ken und des Abends miteinander essen sollen, und welche
Tage in der Woche er allein zubringen wolle, um uns nicht
immer mit seiner Gesellschaft beschwerlich zu fallen. In
diesen Plan hat er sich so verliebt, daß er mir keine Ruhe
läßt, um mich zu entschliessen, und den Mann, welchen er
vor mich bestimmet hat, von seiner Hand anzunehmen.
Was soll ich thun? ich zittre, wenn ich daran denke, daß
sein guter Plan fehl schlagen könne, und wollte es lieber auf
mich allein ankommen lassen, ihn so glücklich zu machen,
als er es um mich verdient. Aber da hilft kein zittern;
er ist in diesem Stück unerbittlich und wird ordentlich böse,
wenn ich ihm hierüber in allem Ernst zusetze: und doch ist
er noch immer so heiter wie der jüngste Mann; aber das
macht das Vergnügen gutes zu thun, welches er sich täg-
lich und stündlich verschaft, und worinn er so sinnreich ist,
daß man ihm gar nicht entwischen kann, wenn er einem
wohl thun will. Er kann wohl schreiben, daß er mir nie
die Hand geküsset habe, aber er sollte auch sagen, wie oft
ich es ihm gethan, und wie oft er mich vor inniger Dank-
barkeit weinen mache. Ich glaube bisweilen, er habe sein
Spiel mit meinem Herzen, und suche dem Danke eine Thrä-
ne abzulocken, die er der Liebe nicht schuldig seyn mag,
und die ich ihm so gern gebe, ohne zu untersuchen, woher
sie rührt. Indessen will ich seinem Willen folgen, und er
kann meine Hand seinem Vetter geben. Aber dieser muß
nie von mir verlangen, daß ich ihn höher achten soll, als
den Mann, den ich vor allen glücklich zu machen wünsche.
Hieraus mache ich kein Geheimniß, er und die ganze Welt
mag es wissen, und wenn mein Zukünftiger so ungerecht
wäre, mir dieses zu verdenken, hassen wollte ich ihn, recht
von Herzen hassen ...

Von
D 5

So mag man noch im Alter lieben.
freuet er ſich dann ſchon im voraus uͤber unſre kuͤnftige
Freude, und ordnet wo wir des Morgens zuſammen trin-
ken und des Abends miteinander eſſen ſollen, und welche
Tage in der Woche er allein zubringen wolle, um uns nicht
immer mit ſeiner Geſellſchaft beſchwerlich zu fallen. In
dieſen Plan hat er ſich ſo verliebt, daß er mir keine Ruhe
laͤßt, um mich zu entſchlieſſen, und den Mann, welchen er
vor mich beſtimmet hat, von ſeiner Hand anzunehmen.
Was ſoll ich thun? ich zittre, wenn ich daran denke, daß
ſein guter Plan fehl ſchlagen koͤnne, und wollte es lieber auf
mich allein ankommen laſſen, ihn ſo gluͤcklich zu machen,
als er es um mich verdient. Aber da hilft kein zittern;
er iſt in dieſem Stuͤck unerbittlich und wird ordentlich boͤſe,
wenn ich ihm hieruͤber in allem Ernſt zuſetze: und doch iſt
er noch immer ſo heiter wie der juͤngſte Mann; aber das
macht das Vergnuͤgen gutes zu thun, welches er ſich taͤg-
lich und ſtuͤndlich verſchaft, und worinn er ſo ſinnreich iſt,
daß man ihm gar nicht entwiſchen kann, wenn er einem
wohl thun will. Er kann wohl ſchreiben, daß er mir nie
die Hand gekuͤſſet habe, aber er ſollte auch ſagen, wie oft
ich es ihm gethan, und wie oft er mich vor inniger Dank-
barkeit weinen mache. Ich glaube bisweilen, er habe ſein
Spiel mit meinem Herzen, und ſuche dem Danke eine Thraͤ-
ne abzulocken, die er der Liebe nicht ſchuldig ſeyn mag,
und die ich ihm ſo gern gebe, ohne zu unterſuchen, woher
ſie ruͤhrt. Indeſſen will ich ſeinem Willen folgen, und er
kann meine Hand ſeinem Vetter geben. Aber dieſer muß
nie von mir verlangen, daß ich ihn hoͤher achten ſoll, als
den Mann, den ich vor allen gluͤcklich zu machen wuͤnſche.
Hieraus mache ich kein Geheimniß, er und die ganze Welt
mag es wiſſen, und wenn mein Zukuͤnftiger ſo ungerecht
waͤre, mir dieſes zu verdenken, haſſen wollte ich ihn, recht
von Herzen haſſen …

Von
D 5
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[57/0071] So mag man noch im Alter lieben. freuet er ſich dann ſchon im voraus uͤber unſre kuͤnftige Freude, und ordnet wo wir des Morgens zuſammen trin- ken und des Abends miteinander eſſen ſollen, und welche Tage in der Woche er allein zubringen wolle, um uns nicht immer mit ſeiner Geſellſchaft beſchwerlich zu fallen. In dieſen Plan hat er ſich ſo verliebt, daß er mir keine Ruhe laͤßt, um mich zu entſchlieſſen, und den Mann, welchen er vor mich beſtimmet hat, von ſeiner Hand anzunehmen. Was ſoll ich thun? ich zittre, wenn ich daran denke, daß ſein guter Plan fehl ſchlagen koͤnne, und wollte es lieber auf mich allein ankommen laſſen, ihn ſo gluͤcklich zu machen, als er es um mich verdient. Aber da hilft kein zittern; er iſt in dieſem Stuͤck unerbittlich und wird ordentlich boͤſe, wenn ich ihm hieruͤber in allem Ernſt zuſetze: und doch iſt er noch immer ſo heiter wie der juͤngſte Mann; aber das macht das Vergnuͤgen gutes zu thun, welches er ſich taͤg- lich und ſtuͤndlich verſchaft, und worinn er ſo ſinnreich iſt, daß man ihm gar nicht entwiſchen kann, wenn er einem wohl thun will. Er kann wohl ſchreiben, daß er mir nie die Hand gekuͤſſet habe, aber er ſollte auch ſagen, wie oft ich es ihm gethan, und wie oft er mich vor inniger Dank- barkeit weinen mache. Ich glaube bisweilen, er habe ſein Spiel mit meinem Herzen, und ſuche dem Danke eine Thraͤ- ne abzulocken, die er der Liebe nicht ſchuldig ſeyn mag, und die ich ihm ſo gern gebe, ohne zu unterſuchen, woher ſie ruͤhrt. Indeſſen will ich ſeinem Willen folgen, und er kann meine Hand ſeinem Vetter geben. Aber dieſer muß nie von mir verlangen, daß ich ihn hoͤher achten ſoll, als den Mann, den ich vor allen gluͤcklich zu machen wuͤnſche. Hieraus mache ich kein Geheimniß, er und die ganze Welt mag es wiſſen, und wenn mein Zukuͤnftiger ſo ungerecht waͤre, mir dieſes zu verdenken, haſſen wollte ich ihn, recht von Herzen haſſen … Von D 5

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/71>, abgerufen am 27.11.2024.