Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.So mag man noch im Alter lieben. gute Folgen! wie viele schöne Tage in dem Winter, nachwelchem wir keinen Frühling mehr zu erwarten haben! Und wenn nun das junge Ehepaar glücklich ist? wenn XVIII. Vor die Empfindsamen. Sie geben so manchen guten Rath aus, und zwar oft in
So mag man noch im Alter lieben. gute Folgen! wie viele ſchoͤne Tage in dem Winter, nachwelchem wir keinen Fruͤhling mehr zu erwarten haben! Und wenn nun das junge Ehepaar gluͤcklich iſt? wenn XVIII. Vor die Empfindſamen. Sie geben ſo manchen guten Rath aus, und zwar oft in
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So mag man noch im Alter lieben.
gute Folgen! wie viele ſchoͤne Tage in dem Winter, nach
welchem wir keinen Fruͤhling mehr zu erwarten haben!
Und wenn nun das junge Ehepaar gluͤcklich iſt? wenn
es gute Geſellſchaften hat die ich mit genieſſen, und verlaſ-
ſen kann, ſo bald es mir gefaͤllt? wenn ihre Freunde auch
die meinigen werden, und alle ſich vereinigen mir Leben
und Freuden zu erhalten? Sollte ich ſie dann nicht noch
zaͤrtlicher lieben! und ſollte ich nicht die Siege mit genieſ-
ſen, die ſie uͤber einander erhalten? Ich der Schoͤpfer ihres
Gluͤcks! und ſie meine dankbaren Geſchoͤpfe! O Freund!
meine Liebe ſchwaͤrmt: aber liebend will ich ſterben, und
nicht ungeliebt dahin ſcheiden!
XVIII.
Vor die Empfindſamen.
Sie geben ſo manchen guten Rath aus, und zwar oft
an Leute die es nicht einmahl verlangen, vielweni-
ger erkennen, daß Sie mir hoffentlich auch eine Prieſe da-
von nicht verſagen werden. Ich kann Ihnen dabey ſagen,
daß er fuͤr ein recht liebes junges Maͤdgen ſeyn ſoll, bey
welcher ich als Cammerjungfer manche gute und auch man-
che traurige Stunden habe. Das gute Kind laboriert,
wie es ſelbſt ſpricht, an der Empfindſamkeit, einer Krank-
heit, welche erſt ſeit wenigen Jahren in hieſigen Gegenden
bekannt geworden iſt, und in ſo kurzer Zeit ſo weit um ſich
gegriffen hat, daß man ſie faſt als epidemiſch anſehen muß.
Die Natur derſelben, werden Sie am beſten beurtheilen,
wenn ich Ihnen einige der haͤufigſten Zufaͤlle davon erzaͤhlet
haben werde. Sie iſt immer erſtaunend weinerlich; wie
vor zwey Jahren ihre Großmamma, eine ſteinalte Frau, die
im vorigen Jahrhundert ihr letztes Kindbette gehalten hatte,
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