Der wahre Kenner wird sich durch diese Blendungen nicht irre machen lassen; und die- jenigen, welche die Originale kennen, die hie und da in den Phantasien gespielet sind, werden z. E. die Klagen eines Edelmanns im Stifte Oßnabrück (Th. 1. S. 209.) welche man auswärts als ernstlich gemeinet, aufge- nommen hat, für nichts weiter als eine Ironie halten. Das sonderbarste aber ist, daß man mich daheim als den größten Feind des Leibei- genthums, und auswärts als den eifrigsten Vertheidiger desselben angesehen hat. So sehr diese Verschiedenheit der Urtheile von meiner Behutsamkeit zeuget: so gern würde ich dersel- ben zuvor gekommen seyn, wenn es die Oeko- nomie jener Einschränkungen erlaubt hätte. Die entfernten Leser einer Predigt urtheilen ganz anders, als die Zuhörer derselben. Wo diese lauter bekannte Personen zu sehen glauben, finden jene nur allgemeine Menschen; und in dem Reiche der Gelehrsamkeit kann der Pfarrer weit freyer reden, als in seinem kleinen Spren-
gel.
Erinnerung des Verfaſſers.
Der wahre Kenner wird ſich durch dieſe Blendungen nicht irre machen laſſen; und die- jenigen, welche die Originale kennen, die hie und da in den Phantaſien geſpielet ſind, werden z. E. die Klagen eines Edelmanns im Stifte Oßnabruͤck (Th. 1. S. 209.) welche man auswaͤrts als ernſtlich gemeinet, aufge- nommen hat, fuͤr nichts weiter als eine Ironie halten. Das ſonderbarſte aber iſt, daß man mich daheim als den groͤßten Feind des Leibei- genthums, und auswaͤrts als den eifrigſten Vertheidiger deſſelben angeſehen hat. So ſehr dieſe Verſchiedenheit der Urtheile von meiner Behutſamkeit zeuget: ſo gern wuͤrde ich derſel- ben zuvor gekommen ſeyn, wenn es die Oeko- nomie jener Einſchraͤnkungen erlaubt haͤtte. Die entfernten Leſer einer Predigt urtheilen ganz anders, als die Zuhoͤrer derſelben. Wo dieſe lauter bekannte Perſonen zu ſehen glauben, finden jene nur allgemeine Menſchen; und in dem Reiche der Gelehrſamkeit kann der Pfarrer weit freyer reden, als in ſeinem kleinen Spren-
gel.
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[0009]
Erinnerung des Verfaſſers.
Der wahre Kenner wird ſich durch dieſe
Blendungen nicht irre machen laſſen; und die-
jenigen, welche die Originale kennen, die hie
und da in den Phantaſien geſpielet ſind, werden
z. E. die Klagen eines Edelmanns im
Stifte Oßnabruͤck (Th. 1. S. 209.) welche
man auswaͤrts als ernſtlich gemeinet, aufge-
nommen hat, fuͤr nichts weiter als eine Ironie
halten. Das ſonderbarſte aber iſt, daß man
mich daheim als den groͤßten Feind des Leibei-
genthums, und auswaͤrts als den eifrigſten
Vertheidiger deſſelben angeſehen hat. So ſehr
dieſe Verſchiedenheit der Urtheile von meiner
Behutſamkeit zeuget: ſo gern wuͤrde ich derſel-
ben zuvor gekommen ſeyn, wenn es die Oeko-
nomie jener Einſchraͤnkungen erlaubt haͤtte.
Die entfernten Leſer einer Predigt urtheilen
ganz anders, als die Zuhoͤrer derſelben. Wo
dieſe lauter bekannte Perſonen zu ſehen glauben,
finden jene nur allgemeine Menſchen; und in
dem Reiche der Gelehrſamkeit kann der Pfarrer
weit freyer reden, als in ſeinem kleinen Spren-
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Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/9>, abgerufen am 03.12.2024.
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