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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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sind also nicht zu verachten.
mit dem Ihrigen freye Macht haben, so gebunden seyn sol-
len, dieses ...... Ach, versetzte er, das Bürgen ist
überhaupt eine gefährliche Sache; ein Freund der etwas
borgen will, muß zufrieden seyn, so bald man mit Wahr-
heit sagen kann, man habe dasjenige nicht, was er verlangt.
So bald er uns aber nur um eine kleine Unterschrift unsers
Namens bittet, sieht es schon ein bisgen verdächtiger und
unfreundlicher aus, wenn man sich mit einem Gelübde ent-
schuldigen will. Wie glücklich wäre es in diesem Falle,
dann und wann mit unsern Leibeignen sagen zu können:
Freund du weißt, alle Bürgschaft ist ungültig. Dieses
Glück haben die Gesetze, dem Frauenzimmer, welches ge-
gen Liebe und Freundschaft empfindlicher, und gegen unge-
stümes Andringen furchtsamer seyn soll, erwiesen. War-
um sollten sie dieses nicht mit Dank erkennen? und was
können sie selbst mehr begehren, als daß sie sich dessen im
Fall der Noth auf die von dem Kayser Justinian vorge-
schriebene feyerliche Art begeben können? Wenn sie diese
feyerliche Art, welche bisweilen so wohl den Freund als
die Freundin auf andre Gedanken bringen wird, tadeln, so
muß ich annehmen, daß sie sich gern oft in die Gefahr wün-
schen, heimlich ohne Zeugen überlistiget zu werden. Dem
Frauenzimmer sagt Montesquieu, kömmt blos die Ver-
theidigung, wie den Männern der Angrif zu; und ich sollte
denken, es schade nicht die Vertheidigung ein bisgen zu ver-
stärken. Die Männer sind zwar oft größern Versuchun-
gen ausgesetzt; und man hat auch wohl Exempel, daß sie
an einem vergnügten Abend mehr versprochen haben, als
sie des andern Morgens zu bezahlen wünschen. Aber ein
höhers Gesetz, was sie zu mehrern Geschäften und Gefah-
ren fordert, hat ihre Bürgschaften nicht so sehr erschweren
können; und in den Fällen, wo die Frauen zu männlichen
Geschäften berufen sind, kommen ihnen die weiblichen

Wohl-

ſind alſo nicht zu verachten.
mit dem Ihrigen freye Macht haben, ſo gebunden ſeyn ſol-
len, dieſes ...... Ach, verſetzte er, das Buͤrgen iſt
uͤberhaupt eine gefaͤhrliche Sache; ein Freund der etwas
borgen will, muß zufrieden ſeyn, ſo bald man mit Wahr-
heit ſagen kann, man habe dasjenige nicht, was er verlangt.
So bald er uns aber nur um eine kleine Unterſchrift unſers
Namens bittet, ſieht es ſchon ein bisgen verdaͤchtiger und
unfreundlicher aus, wenn man ſich mit einem Geluͤbde ent-
ſchuldigen will. Wie gluͤcklich waͤre es in dieſem Falle,
dann und wann mit unſern Leibeignen ſagen zu koͤnnen:
Freund du weißt, alle Buͤrgſchaft iſt unguͤltig. Dieſes
Gluͤck haben die Geſetze, dem Frauenzimmer, welches ge-
gen Liebe und Freundſchaft empfindlicher, und gegen unge-
ſtuͤmes Andringen furchtſamer ſeyn ſoll, erwieſen. War-
um ſollten ſie dieſes nicht mit Dank erkennen? und was
koͤnnen ſie ſelbſt mehr begehren, als daß ſie ſich deſſen im
Fall der Noth auf die von dem Kayſer Juſtinian vorge-
ſchriebene feyerliche Art begeben koͤnnen? Wenn ſie dieſe
feyerliche Art, welche bisweilen ſo wohl den Freund als
die Freundin auf andre Gedanken bringen wird, tadeln, ſo
muß ich annehmen, daß ſie ſich gern oft in die Gefahr wuͤn-
ſchen, heimlich ohne Zeugen uͤberliſtiget zu werden. Dem
Frauenzimmer ſagt Montesquieu, koͤmmt blos die Ver-
theidigung, wie den Maͤnnern der Angrif zu; und ich ſollte
denken, es ſchade nicht die Vertheidigung ein bisgen zu ver-
ſtaͤrken. Die Maͤnner ſind zwar oft groͤßern Verſuchun-
gen ausgeſetzt; und man hat auch wohl Exempel, daß ſie
an einem vergnuͤgten Abend mehr verſprochen haben, als
ſie des andern Morgens zu bezahlen wuͤnſchen. Aber ein
hoͤhers Geſetz, was ſie zu mehrern Geſchaͤften und Gefah-
ren fordert, hat ihre Buͤrgſchaften nicht ſo ſehr erſchweren
koͤnnen; und in den Faͤllen, wo die Frauen zu maͤnnlichen
Geſchaͤften berufen ſind, kommen ihnen die weiblichen

Wohl-
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[79/0093] ſind alſo nicht zu verachten. mit dem Ihrigen freye Macht haben, ſo gebunden ſeyn ſol- len, dieſes ...... Ach, verſetzte er, das Buͤrgen iſt uͤberhaupt eine gefaͤhrliche Sache; ein Freund der etwas borgen will, muß zufrieden ſeyn, ſo bald man mit Wahr- heit ſagen kann, man habe dasjenige nicht, was er verlangt. So bald er uns aber nur um eine kleine Unterſchrift unſers Namens bittet, ſieht es ſchon ein bisgen verdaͤchtiger und unfreundlicher aus, wenn man ſich mit einem Geluͤbde ent- ſchuldigen will. Wie gluͤcklich waͤre es in dieſem Falle, dann und wann mit unſern Leibeignen ſagen zu koͤnnen: Freund du weißt, alle Buͤrgſchaft iſt unguͤltig. Dieſes Gluͤck haben die Geſetze, dem Frauenzimmer, welches ge- gen Liebe und Freundſchaft empfindlicher, und gegen unge- ſtuͤmes Andringen furchtſamer ſeyn ſoll, erwieſen. War- um ſollten ſie dieſes nicht mit Dank erkennen? und was koͤnnen ſie ſelbſt mehr begehren, als daß ſie ſich deſſen im Fall der Noth auf die von dem Kayſer Juſtinian vorge- ſchriebene feyerliche Art begeben koͤnnen? Wenn ſie dieſe feyerliche Art, welche bisweilen ſo wohl den Freund als die Freundin auf andre Gedanken bringen wird, tadeln, ſo muß ich annehmen, daß ſie ſich gern oft in die Gefahr wuͤn- ſchen, heimlich ohne Zeugen uͤberliſtiget zu werden. Dem Frauenzimmer ſagt Montesquieu, koͤmmt blos die Ver- theidigung, wie den Maͤnnern der Angrif zu; und ich ſollte denken, es ſchade nicht die Vertheidigung ein bisgen zu ver- ſtaͤrken. Die Maͤnner ſind zwar oft groͤßern Verſuchun- gen ausgeſetzt; und man hat auch wohl Exempel, daß ſie an einem vergnuͤgten Abend mehr verſprochen haben, als ſie des andern Morgens zu bezahlen wuͤnſchen. Aber ein hoͤhers Geſetz, was ſie zu mehrern Geſchaͤften und Gefah- ren fordert, hat ihre Buͤrgſchaften nicht ſo ſehr erſchweren koͤnnen; und in den Faͤllen, wo die Frauen zu maͤnnlichen Geſchaͤften berufen ſind, kommen ihnen die weiblichen Wohl-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/93>, abgerufen am 25.11.2024.