Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.An einen jungen Dichter. schwendung so sehr liebt, vorzüglich reitzend gemahletwerden. Die Dichter sollten es sich zur Hauptpflicht ma- chen von nichts als dem Glücke zu singen, ein großes un- verschuldetes Eigenthum zu besitzen. Aber so denken sie, zu dieser unedlen Empfindung sinkt der Mensch von selbst herab, und es ist nicht nöthig ihm eine edle Hülfe zu ge- ben; gleich als wenn Liebe und Wein minder lockten. Nur selten preisen sie noch das Glück eines freyen Man- nes, der von seinem Stammgute weder Zinsen zu zah- len noch Ritterdienste zu leisten hat, was uns Horaz so schön besingt. Freylich kann es auch die Politik erfordern die Liebe Sehen sie nur einmal selbst den Werth an, welchen zen
An einen jungen Dichter. ſchwendung ſo ſehr liebt, vorzuͤglich reitzend gemahletwerden. Die Dichter ſollten es ſich zur Hauptpflicht ma- chen von nichts als dem Gluͤcke zu ſingen, ein großes un- verſchuldetes Eigenthum zu beſitzen. Aber ſo denken ſie, zu dieſer unedlen Empfindung ſinkt der Menſch von ſelbſt herab, und es iſt nicht noͤthig ihm eine edle Huͤlfe zu ge- ben; gleich als wenn Liebe und Wein minder lockten. Nur ſelten preiſen ſie noch das Gluͤck eines freyen Man- nes, der von ſeinem Stammgute weder Zinſen zu zah- len noch Ritterdienſte zu leiſten hat, was uns Horaz ſo ſchoͤn beſingt. Freylich kann es auch die Politik erfordern die Liebe Sehen ſie nur einmal ſelbſt den Werth an, welchen zen
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An einen jungen Dichter.
ſchwendung ſo ſehr liebt, vorzuͤglich reitzend gemahlet
werden. Die Dichter ſollten es ſich zur Hauptpflicht ma-
chen von nichts als dem Gluͤcke zu ſingen, ein großes un-
verſchuldetes Eigenthum zu beſitzen. Aber ſo denken ſie,
zu dieſer unedlen Empfindung ſinkt der Menſch von ſelbſt
herab, und es iſt nicht noͤthig ihm eine edle Huͤlfe zu ge-
ben; gleich als wenn Liebe und Wein minder lockten.
Nur ſelten preiſen ſie noch das Gluͤck eines freyen Man-
nes, der von ſeinem Stammgute weder Zinſen zu zah-
len noch Ritterdienſte zu leiſten hat, was uns Horaz ſo
ſchoͤn beſingt.
Freylich kann es auch die Politik erfordern die Liebe
als das groͤßte Gluͤck zu ſchildern, und der Ehre oder den
Reichthuͤmern nur den unterſten Platz anzuweiſen. Die-
ſes war der Fall der Griechen, welche die Gleichheit un-
ter ihren Buͤrgern erhalten, und ſo wenig die Ehrbe-
gierde als die Sucht nach Reichthuͤmern vermehren, ſon-
dern Helden durch Kraͤnze, von ſchoͤnen Haͤnden gewun-
den, ziehen wollten. Aber was hier der Patriotiſmus
erforderte, das fordert er in unſern Verfaſſungen nicht;
und der Dichter der bey uns von Liebe und Wein ſingt,
arbeitet nicht nach einem ſo großen Ziele. Wenn aber
die Groͤße der Wuͤrkung den Werth der Handlung ent-
ſcheidet: ſo hat die ſeinige bey weitem den Werth nicht,
den ſie bey den Griechen hatte.
Sehen ſie nur einmal ſelbſt den Werth an, welchen
unſre Nation zu ihrer Ehre auf die Gedichte legt, die
Tugend und Religion befoͤrdern. Die Kritik hat es ei-
nigemal gewagt, darin Fehler aufzuſuchen und ſie hat
vielleicht in manchen Stuͤcken Recht gehabt. Allein es
hat ihnen nichts geſchadet; man hat ihren großen Nuz-
zen erkannt, und diejenigen verachtet, welche ſich Muͤhe
gaben, Fehler in den Verzierungen zu finden. Der Nuz-
zen
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