Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite
der Sollicitant.
Erast. Der Cammerrath Patz ist diese Nacht von
einer schweren Krankheit befallen.
Arist. Der Cammerrath Patz? (vor sich). Nun sehe
mir einer die Winkelzüge an! der Cammerrath ist diese
Nacht krank geworden, und der Mann, der seine Stelle
wieder haben will, kömmt diesen Morgen von ungefehr
zu mir, um einmal zu sehen wie ich mich befinde!
Erast. Ja und der Arzt hat mir im Vertrauen ge-
sagt, daß er bey seinem hohen Alter nicht wieder auf-
kommen werde.
Arist. Es war ein würdiger braver Mann und mein
Freund, den der Fürst sehr ungern verlieren und lange
missen wird.
Erast. Und seine Stelle ist es, wozu ich mich dem
Minister gern empfehlen und von ihnen empfohlen sehen
möchte.
Arist. Von mir? wahrhaftig nicht. Sie kennen
meine Art zu denken, und wissen, wie sehr ich die Offen-
herzigkeit liebe. Hätten sie mir gleich gesagt, daß dieses
die Absicht ihres heutigen Besuchs wäre: so würde ich
sie so fort heraus begleitet, und mein Bestes für sie ge-
than haben, aber so nicht.
Erast. Aber so nicht? Das ist freylich sehr offenher-
zig aber auch nicht ein bisgen freundschaftlich.
Arist. Wer mein Freund seyn will, muß wahr seyn,
und Wahrheit vertragen können.
Erast. Gut, mein Freund! sie sind offenherzig, ich
auch. Jch wollte sie mit meinem Anliegen nicht überra-
schen, ich ließ ihnen Zeit einige Vermuthungen über mei-
nen unvermutheten Besuch anzustellen, sie konnten sich
auf etwas gefaßt machen, und wenn es nöthig war, sich
erst in Laune setzen; ist dieses denn so ganz überflüßig?
und würde es ihnen nicht vielleicht einiges Schrecken ver-
ursachet
G 2
der Sollicitant.
Eraſt. Der Cammerrath Patz iſt dieſe Nacht von
einer ſchweren Krankheit befallen.
Ariſt. Der Cammerrath Patz? (vor ſich). Nun ſehe
mir einer die Winkelzuͤge an! der Cammerrath iſt dieſe
Nacht krank geworden, und der Mann, der ſeine Stelle
wieder haben will, koͤmmt dieſen Morgen von ungefehr
zu mir, um einmal zu ſehen wie ich mich befinde!
Eraſt. Ja und der Arzt hat mir im Vertrauen ge-
ſagt, daß er bey ſeinem hohen Alter nicht wieder auf-
kommen werde.
Ariſt. Es war ein wuͤrdiger braver Mann und mein
Freund, den der Fuͤrſt ſehr ungern verlieren und lange
miſſen wird.
Eraſt. Und ſeine Stelle iſt es, wozu ich mich dem
Miniſter gern empfehlen und von ihnen empfohlen ſehen
moͤchte.
Ariſt. Von mir? wahrhaftig nicht. Sie kennen
meine Art zu denken, und wiſſen, wie ſehr ich die Offen-
herzigkeit liebe. Haͤtten ſie mir gleich geſagt, daß dieſes
die Abſicht ihres heutigen Beſuchs waͤre: ſo wuͤrde ich
ſie ſo fort heraus begleitet, und mein Beſtes fuͤr ſie ge-
than haben, aber ſo nicht.
Eraſt. Aber ſo nicht? Das iſt freylich ſehr offenher-
zig aber auch nicht ein bisgen freundſchaftlich.
Ariſt. Wer mein Freund ſeyn will, muß wahr ſeyn,
und Wahrheit vertragen koͤnnen.
Eraſt. Gut, mein Freund! ſie ſind offenherzig, ich
auch. Jch wollte ſie mit meinem Anliegen nicht uͤberra-
ſchen, ich ließ ihnen Zeit einige Vermuthungen uͤber mei-
nen unvermutheten Beſuch anzuſtellen, ſie konnten ſich
auf etwas gefaßt machen, und wenn es noͤthig war, ſich
erſt in Laune ſetzen; iſt dieſes denn ſo ganz uͤberfluͤßig?
und wuͤrde es ihnen nicht vielleicht einiges Schrecken ver-
urſachet
G 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0111" n="99"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">der Sollicitant.</hi> </fw><lb/>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#fr">Era&#x017F;t.</hi> </speaker>
            <p>Der Cammerrath Patz i&#x017F;t die&#x017F;e Nacht von<lb/>
einer &#x017F;chweren Krankheit befallen.</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#fr">Ari&#x017F;t.</hi> </speaker>
            <p>Der Cammerrath Patz? <stage>(vor &#x017F;ich).</stage> Nun &#x017F;ehe<lb/>
mir einer die Winkelzu&#x0364;ge an! der Cammerrath i&#x017F;t die&#x017F;e<lb/>
Nacht krank geworden, und der Mann, der &#x017F;eine Stelle<lb/>
wieder haben will, ko&#x0364;mmt die&#x017F;en Morgen von ungefehr<lb/>
zu mir, um einmal zu &#x017F;ehen wie ich mich befinde!</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#fr">Era&#x017F;t.</hi> </speaker>
            <p>Ja und der Arzt hat mir im Vertrauen ge-<lb/>
&#x017F;agt, daß er bey &#x017F;einem hohen Alter nicht wieder auf-<lb/>
kommen werde.</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#fr">Ari&#x017F;t.</hi> </speaker>
            <p>Es war ein wu&#x0364;rdiger braver Mann und mein<lb/>
Freund, den der Fu&#x0364;r&#x017F;t &#x017F;ehr ungern verlieren und lange<lb/>
mi&#x017F;&#x017F;en wird.</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#fr">Era&#x017F;t.</hi> </speaker>
            <p>Und &#x017F;eine Stelle i&#x017F;t es, wozu ich mich dem<lb/>
Mini&#x017F;ter gern empfehlen und von ihnen empfohlen &#x017F;ehen<lb/>
mo&#x0364;chte.</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#fr">Ari&#x017F;t.</hi> </speaker>
            <p>Von mir? wahrhaftig nicht. Sie kennen<lb/>
meine Art zu denken, und wi&#x017F;&#x017F;en, wie &#x017F;ehr ich die Offen-<lb/>
herzigkeit liebe. Ha&#x0364;tten &#x017F;ie mir gleich ge&#x017F;agt, daß die&#x017F;es<lb/>
die Ab&#x017F;icht ihres heutigen Be&#x017F;uchs wa&#x0364;re: &#x017F;o wu&#x0364;rde ich<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;o fort heraus begleitet, und mein Be&#x017F;tes fu&#x0364;r &#x017F;ie ge-<lb/>
than haben, aber &#x017F;o nicht.</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#fr">Era&#x017F;t.</hi> </speaker>
            <p>Aber &#x017F;o nicht? Das i&#x017F;t freylich &#x017F;ehr offenher-<lb/>
zig aber auch nicht ein bisgen freund&#x017F;chaftlich.</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#fr">Ari&#x017F;t.</hi> </speaker>
            <p>Wer mein Freund &#x017F;eyn will, muß wahr &#x017F;eyn,<lb/>
und Wahrheit vertragen ko&#x0364;nnen.</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker> <hi rendition="#fr">Era&#x017F;t.</hi> </speaker>
            <p>Gut, mein Freund! &#x017F;ie &#x017F;ind offenherzig, ich<lb/>
auch. Jch wollte &#x017F;ie mit meinem Anliegen nicht u&#x0364;berra-<lb/>
&#x017F;chen, ich ließ ihnen Zeit einige Vermuthungen u&#x0364;ber mei-<lb/>
nen unvermutheten Be&#x017F;uch anzu&#x017F;tellen, &#x017F;ie konnten &#x017F;ich<lb/>
auf etwas gefaßt machen, und wenn es no&#x0364;thig war, &#x017F;ich<lb/>
er&#x017F;t in Laune &#x017F;etzen; i&#x017F;t die&#x017F;es denn &#x017F;o ganz u&#x0364;berflu&#x0364;ßig?<lb/>
und wu&#x0364;rde es ihnen nicht vielleicht einiges Schrecken ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G 2</fw><fw place="bottom" type="catch">ur&#x017F;achet</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0111] der Sollicitant. Eraſt. Der Cammerrath Patz iſt dieſe Nacht von einer ſchweren Krankheit befallen. Ariſt. Der Cammerrath Patz? (vor ſich). Nun ſehe mir einer die Winkelzuͤge an! der Cammerrath iſt dieſe Nacht krank geworden, und der Mann, der ſeine Stelle wieder haben will, koͤmmt dieſen Morgen von ungefehr zu mir, um einmal zu ſehen wie ich mich befinde! Eraſt. Ja und der Arzt hat mir im Vertrauen ge- ſagt, daß er bey ſeinem hohen Alter nicht wieder auf- kommen werde. Ariſt. Es war ein wuͤrdiger braver Mann und mein Freund, den der Fuͤrſt ſehr ungern verlieren und lange miſſen wird. Eraſt. Und ſeine Stelle iſt es, wozu ich mich dem Miniſter gern empfehlen und von ihnen empfohlen ſehen moͤchte. Ariſt. Von mir? wahrhaftig nicht. Sie kennen meine Art zu denken, und wiſſen, wie ſehr ich die Offen- herzigkeit liebe. Haͤtten ſie mir gleich geſagt, daß dieſes die Abſicht ihres heutigen Beſuchs waͤre: ſo wuͤrde ich ſie ſo fort heraus begleitet, und mein Beſtes fuͤr ſie ge- than haben, aber ſo nicht. Eraſt. Aber ſo nicht? Das iſt freylich ſehr offenher- zig aber auch nicht ein bisgen freundſchaftlich. Ariſt. Wer mein Freund ſeyn will, muß wahr ſeyn, und Wahrheit vertragen koͤnnen. Eraſt. Gut, mein Freund! ſie ſind offenherzig, ich auch. Jch wollte ſie mit meinem Anliegen nicht uͤberra- ſchen, ich ließ ihnen Zeit einige Vermuthungen uͤber mei- nen unvermutheten Beſuch anzuſtellen, ſie konnten ſich auf etwas gefaßt machen, und wenn es noͤthig war, ſich erſt in Laune ſetzen; iſt dieſes denn ſo ganz uͤberfluͤßig? und wuͤrde es ihnen nicht vielleicht einiges Schrecken ver- urſachet G 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/111
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/111>, abgerufen am 18.12.2024.