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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Etwas zur Verbesserung der Zuchthäuser.
Züchtigung würden allenfalls hinreichen, sie in gehöriger
Ordnung zu erhalten.

Ueberhaupt dienen meiner Meinung nach die Werk-
häuser
einem Staate mehr als die Zuchthäuser. Denn
außer dem, daß diese nicht immer für uns und unsre Kin-
der sind, gleichwohl aber dem Staate, der ehedem die
fremden Diebe mit einem eben nicht viel kostenden Brand-
marke, abfertigen konnte, sehr zur Last fallen, und oft
die guten Einwohner mehr drücken, als die bösen bessern:
so werden mehrentheils nur solche darin gezüchtiget, an
denen alle Hofnung zur Besserung verlohren ist, und die-
ses ist doch der wenigste Nutze für den Staat, dem es
unstreitig mehrern Vortheil bringt, wenn er viele schlechte
Leute darin bessern, und aus ihnen gehorsame und fleis-
sige Unterthanen machen kann, als wenn er das Zucht-
haus blos zum Bauer für solche Vögel gebraucht, die
nicht frey herum fliegen sollen.

Die letztere Absicht ist zu klein für die Anlage und
nicht würdig genug. Zwar thun einige sehr ängstlich hie-
bey, und glauben nicht sicher schlafen zu können, so lange
noch ein solcher Raubvogel frey herumfliegt. Allein ich
finde doch nicht daß die Zeiten und Länder, worin man
keine Zuchthäuser hatte, unglücklicher als diejenigen ge-
wesen sind, worin man dergleichen kostbarlich unterhält;
ich finde nicht daß unsre Vorfahren unruhiger geschlafen
haben, da man sich blos mit der Landesverweisung be-
helfen mußte; und man wird bey einem leicht zu ma-
chenden Ueberschlage finden, daß die Uebelthaten sich in
beyden Zeiten und Ländern gleich verhalten haben. Unser
Hauptübel ist nur, daß unsre Staaten jetzt zu klein sind,
und ein Dieb, der des Landes verwiesen wird, nicht weit
zu gehen braucht, um sich eine gute Wohnung und Ge-
legenheit wieder zu miethen. Daher hat die Landesver-

wei-
Mösers patr. Phantas. IV. Th. K

Etwas zur Verbeſſerung der Zuchthaͤuſer.
Zuͤchtigung wuͤrden allenfalls hinreichen, ſie in gehoͤriger
Ordnung zu erhalten.

Ueberhaupt dienen meiner Meinung nach die Werk-
haͤuſer
einem Staate mehr als die Zuchthaͤuſer. Denn
außer dem, daß dieſe nicht immer fuͤr uns und unſre Kin-
der ſind, gleichwohl aber dem Staate, der ehedem die
fremden Diebe mit einem eben nicht viel koſtenden Brand-
marke, abfertigen konnte, ſehr zur Laſt fallen, und oft
die guten Einwohner mehr druͤcken, als die boͤſen beſſern:
ſo werden mehrentheils nur ſolche darin gezuͤchtiget, an
denen alle Hofnung zur Beſſerung verlohren iſt, und die-
ſes iſt doch der wenigſte Nutze fuͤr den Staat, dem es
unſtreitig mehrern Vortheil bringt, wenn er viele ſchlechte
Leute darin beſſern, und aus ihnen gehorſame und fleiſ-
ſige Unterthanen machen kann, als wenn er das Zucht-
haus blos zum Bauer fuͤr ſolche Voͤgel gebraucht, die
nicht frey herum fliegen ſollen.

Die letztere Abſicht iſt zu klein fuͤr die Anlage und
nicht wuͤrdig genug. Zwar thun einige ſehr aͤngſtlich hie-
bey, und glauben nicht ſicher ſchlafen zu koͤnnen, ſo lange
noch ein ſolcher Raubvogel frey herumfliegt. Allein ich
finde doch nicht daß die Zeiten und Laͤnder, worin man
keine Zuchthaͤuſer hatte, ungluͤcklicher als diejenigen ge-
weſen ſind, worin man dergleichen koſtbarlich unterhaͤlt;
ich finde nicht daß unſre Vorfahren unruhiger geſchlafen
haben, da man ſich blos mit der Landesverweiſung be-
helfen mußte; und man wird bey einem leicht zu ma-
chenden Ueberſchlage finden, daß die Uebelthaten ſich in
beyden Zeiten und Laͤndern gleich verhalten haben. Unſer
Hauptuͤbel iſt nur, daß unſre Staaten jetzt zu klein ſind,
und ein Dieb, der des Landes verwieſen wird, nicht weit
zu gehen braucht, um ſich eine gute Wohnung und Ge-
legenheit wieder zu miethen. Daher hat die Landesver-

wei-
Moͤſers patr. Phantaſ. IV. Th. K
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[145/0157] Etwas zur Verbeſſerung der Zuchthaͤuſer. Zuͤchtigung wuͤrden allenfalls hinreichen, ſie in gehoͤriger Ordnung zu erhalten. Ueberhaupt dienen meiner Meinung nach die Werk- haͤuſer einem Staate mehr als die Zuchthaͤuſer. Denn außer dem, daß dieſe nicht immer fuͤr uns und unſre Kin- der ſind, gleichwohl aber dem Staate, der ehedem die fremden Diebe mit einem eben nicht viel koſtenden Brand- marke, abfertigen konnte, ſehr zur Laſt fallen, und oft die guten Einwohner mehr druͤcken, als die boͤſen beſſern: ſo werden mehrentheils nur ſolche darin gezuͤchtiget, an denen alle Hofnung zur Beſſerung verlohren iſt, und die- ſes iſt doch der wenigſte Nutze fuͤr den Staat, dem es unſtreitig mehrern Vortheil bringt, wenn er viele ſchlechte Leute darin beſſern, und aus ihnen gehorſame und fleiſ- ſige Unterthanen machen kann, als wenn er das Zucht- haus blos zum Bauer fuͤr ſolche Voͤgel gebraucht, die nicht frey herum fliegen ſollen. Die letztere Abſicht iſt zu klein fuͤr die Anlage und nicht wuͤrdig genug. Zwar thun einige ſehr aͤngſtlich hie- bey, und glauben nicht ſicher ſchlafen zu koͤnnen, ſo lange noch ein ſolcher Raubvogel frey herumfliegt. Allein ich finde doch nicht daß die Zeiten und Laͤnder, worin man keine Zuchthaͤuſer hatte, ungluͤcklicher als diejenigen ge- weſen ſind, worin man dergleichen koſtbarlich unterhaͤlt; ich finde nicht daß unſre Vorfahren unruhiger geſchlafen haben, da man ſich blos mit der Landesverweiſung be- helfen mußte; und man wird bey einem leicht zu ma- chenden Ueberſchlage finden, daß die Uebelthaten ſich in beyden Zeiten und Laͤndern gleich verhalten haben. Unſer Hauptuͤbel iſt nur, daß unſre Staaten jetzt zu klein ſind, und ein Dieb, der des Landes verwieſen wird, nicht weit zu gehen braucht, um ſich eine gute Wohnung und Ge- legenheit wieder zu miethen. Daher hat die Landesver- wei- Moͤſers patr. Phantaſ. IV. Th. K

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/157>, abgerufen am 21.11.2024.