Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.Vorschlag zu einem neuen Plan Verfassung summarisch auf; oder man fängt mit dem Ur-sprung der Nation an, und indem man deren ihre Schick- sale erzählt, webet man die Geschichte des von ihr gestif- teten Reichs mit in. Beyde Methoden haben unstreitig ihren Werth, und fast möchte ich sagen, daß sie für den Anfänger, der durchaus ein richtiges und lebhaftes Ge- fühl der Zeitordnung haben muß, worin die Begebenhei- ten vorgefallen sind, die besten sind. Allein der Kenner, der nun einmal Zeichnung und Ordnung versteht, und endlich ein wohl ausgeführtes Ganze zu sehen wünschet, findet dabey sein Vergnügen nicht; und der Hofmann, der immer erst einen langen gothischen Klostergang durch- wandern soll, ehe er in das Cabinet des Prälaten kömmt, verliert oft unterwegens seine beste Laune; dabey wird sich der arme Geschichtschreiber, wenn er anders ein Mann von Geschmack und Gefühl ist, nie genug thun können; die Gallerie ist zu lang, und wenn er auch die beste Wahl unter den Begebenheiten trift, die er darin schildert: so wird sie ihm doch nie als ein großes Ganze gerathen. Jn der Epopee hat man daher längst einen andern Weg genommen, und der Einheit oder einem voll- ständigen Ganzen zu gefallen, mit dem Helden desselben angefangen, sodann aber das vorhergegangene auf eine geschickte Art eingeflochten. Den Vortheil dieser Methode brauche ich Kennern Gleich-
Vorſchlag zu einem neuen Plan Verfaſſung ſummariſch auf; oder man faͤngt mit dem Ur-ſprung der Nation an, und indem man deren ihre Schick- ſale erzaͤhlt, webet man die Geſchichte des von ihr geſtif- teten Reichs mit in. Beyde Methoden haben unſtreitig ihren Werth, und faſt moͤchte ich ſagen, daß ſie fuͤr den Anfaͤnger, der durchaus ein richtiges und lebhaftes Ge- fuͤhl der Zeitordnung haben muß, worin die Begebenhei- ten vorgefallen ſind, die beſten ſind. Allein der Kenner, der nun einmal Zeichnung und Ordnung verſteht, und endlich ein wohl ausgefuͤhrtes Ganze zu ſehen wuͤnſchet, findet dabey ſein Vergnuͤgen nicht; und der Hofmann, der immer erſt einen langen gothiſchen Kloſtergang durch- wandern ſoll, ehe er in das Cabinet des Praͤlaten koͤmmt, verliert oft unterwegens ſeine beſte Laune; dabey wird ſich der arme Geſchichtſchreiber, wenn er anders ein Mann von Geſchmack und Gefuͤhl iſt, nie genug thun koͤnnen; die Gallerie iſt zu lang, und wenn er auch die beſte Wahl unter den Begebenheiten trift, die er darin ſchildert: ſo wird ſie ihm doch nie als ein großes Ganze gerathen. Jn der Epopee hat man daher laͤngſt einen andern Weg genommen, und der Einheit oder einem voll- ſtaͤndigen Ganzen zu gefallen, mit dem Helden deſſelben angefangen, ſodann aber das vorhergegangene auf eine geſchickte Art eingeflochten. Den Vortheil dieſer Methode brauche ich Kennern Gleich-
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Vorſchlag zu einem neuen Plan
Verfaſſung ſummariſch auf; oder man faͤngt mit dem Ur-
ſprung der Nation an, und indem man deren ihre Schick-
ſale erzaͤhlt, webet man die Geſchichte des von ihr geſtif-
teten Reichs mit in. Beyde Methoden haben unſtreitig
ihren Werth, und faſt moͤchte ich ſagen, daß ſie fuͤr den
Anfaͤnger, der durchaus ein richtiges und lebhaftes Ge-
fuͤhl der Zeitordnung haben muß, worin die Begebenhei-
ten vorgefallen ſind, die beſten ſind. Allein der Kenner,
der nun einmal Zeichnung und Ordnung verſteht, und
endlich ein wohl ausgefuͤhrtes Ganze zu ſehen wuͤnſchet,
findet dabey ſein Vergnuͤgen nicht; und der Hofmann,
der immer erſt einen langen gothiſchen Kloſtergang durch-
wandern ſoll, ehe er in das Cabinet des Praͤlaten koͤmmt,
verliert oft unterwegens ſeine beſte Laune; dabey wird
ſich der arme Geſchichtſchreiber, wenn er anders ein
Mann von Geſchmack und Gefuͤhl iſt, nie genug thun
koͤnnen; die Gallerie iſt zu lang, und wenn er auch die
beſte Wahl unter den Begebenheiten trift, die er darin
ſchildert: ſo wird ſie ihm doch nie als ein großes Ganze
gerathen. Jn der Epopee hat man daher laͤngſt einen
andern Weg genommen, und der Einheit oder einem voll-
ſtaͤndigen Ganzen zu gefallen, mit dem Helden deſſelben
angefangen, ſodann aber das vorhergegangene auf eine
geſchickte Art eingeflochten.
Den Vortheil dieſer Methode brauche ich Kennern
nicht zu ſagen; jeder von ihnen hat ihn laͤngſt gekannt
und gefuͤhlt, und Robertſon hat ihn in allen Geſchichten
die er uns geliefert hat, gebraucht. So gar Mallet fieng
die Braunſchweigſche Geſchichte mit Henrich dem Loͤwen
an, und holte den Urſprung der Guelfen nach. Allein
in der allgemeinen deutſchen Geſchichte hat noch keiner,
ſo viel ich weiß, eine ſo gluͤckliche Epoche zu waͤhlen und
zu nutzen geſucht.
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