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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Vorschlag wie die Kirchhöfe
von allerley Art zu vermiethen und auch für ein Kreutz
auf das Grab etwas zu genießen hatte, ein jährlicher
Schade von hundert Thalern, der dort nun auf eine für
die Eingepfarreten lästigere Art ersetzt werden mußte.
Unsers Orts wollen wir wenigstens erst versuchen, ob
wir nicht das Alte und Neue verbinden, und solcherge-
stalt durch einen Mittelweg das Ziel erreichen können.

Alle drey Absichten können unser Meinung nach füg-
lich erhalten werden, wenn die Leiche vor wie nach aus
dem Sterbehause abgeholet, so dann nach einem kurzen
oder langen Umgange in die Kirche gebracht, hier ent-
weder mit oder ohne Musik empfangen, und nachdem
alles was man dabey in der Kirche vornehmen will, voll-
bracht ist, oder auch noch während der Zeit von den Trä-
gern zur Kirche heraus, und entweder auf Schultern
oder zu Wagen ohne andre Begleitung auf den Kirchhof
außer der Stadt gebracht wird. Hiedurch wird nicht
allein in der ganzen Oekonomie unsrer Vorfahren nichts
zerstört, sondern auch noch den Begleitern wenigstens die
Hälfte des Ungemachs, was mit der Abführung nach den
Kirchhof, besonders bey schlimmem Wetter verknüpft ist,
ersparet. Ja die Leichenabführungen können auf diese
Art noch feyerlicher gemacht, die Personalien, welche seit
der Zeit daß die bürgerlichen Tugenden ihren Werth ver-
lohren haben, aus der Mode gekommen sind, wieder
eingeführet, noch mehrere Gesänge als oft im Regen
geschehen kann, gesungen, die Gemüther der Trauren-
den zum Opfer für die Armen gerührt, und die Thränen
der Leidtragenden deutlicher als bey ungestümem Wetter
unter freyem Himmel bemerkt werden.

Alles dieses erfordert keine mehrere Zeit als die vo-
rige Weise, und der Weg aus der Kirche nach dem Trauer-
hause, um dort entweder noch einmal zu weinen oder noch

etwas

Vorſchlag wie die Kirchhoͤfe
von allerley Art zu vermiethen und auch fuͤr ein Kreutz
auf das Grab etwas zu genießen hatte, ein jaͤhrlicher
Schade von hundert Thalern, der dort nun auf eine fuͤr
die Eingepfarreten laͤſtigere Art erſetzt werden mußte.
Unſers Orts wollen wir wenigſtens erſt verſuchen, ob
wir nicht das Alte und Neue verbinden, und ſolcherge-
ſtalt durch einen Mittelweg das Ziel erreichen koͤnnen.

Alle drey Abſichten koͤnnen unſer Meinung nach fuͤg-
lich erhalten werden, wenn die Leiche vor wie nach aus
dem Sterbehauſe abgeholet, ſo dann nach einem kurzen
oder langen Umgange in die Kirche gebracht, hier ent-
weder mit oder ohne Muſik empfangen, und nachdem
alles was man dabey in der Kirche vornehmen will, voll-
bracht iſt, oder auch noch waͤhrend der Zeit von den Traͤ-
gern zur Kirche heraus, und entweder auf Schultern
oder zu Wagen ohne andre Begleitung auf den Kirchhof
außer der Stadt gebracht wird. Hiedurch wird nicht
allein in der ganzen Oekonomie unſrer Vorfahren nichts
zerſtoͤrt, ſondern auch noch den Begleitern wenigſtens die
Haͤlfte des Ungemachs, was mit der Abfuͤhrung nach den
Kirchhof, beſonders bey ſchlimmem Wetter verknuͤpft iſt,
erſparet. Ja die Leichenabfuͤhrungen koͤnnen auf dieſe
Art noch feyerlicher gemacht, die Perſonalien, welche ſeit
der Zeit daß die buͤrgerlichen Tugenden ihren Werth ver-
lohren haben, aus der Mode gekommen ſind, wieder
eingefuͤhret, noch mehrere Geſaͤnge als oft im Regen
geſchehen kann, geſungen, die Gemuͤther der Trauren-
den zum Opfer fuͤr die Armen geruͤhrt, und die Thraͤnen
der Leidtragenden deutlicher als bey ungeſtuͤmem Wetter
unter freyem Himmel bemerkt werden.

Alles dieſes erfordert keine mehrere Zeit als die vo-
rige Weiſe, und der Weg aus der Kirche nach dem Trauer-
hauſe, um dort entweder noch einmal zu weinen oder noch

etwas
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[178/0190] Vorſchlag wie die Kirchhoͤfe von allerley Art zu vermiethen und auch fuͤr ein Kreutz auf das Grab etwas zu genießen hatte, ein jaͤhrlicher Schade von hundert Thalern, der dort nun auf eine fuͤr die Eingepfarreten laͤſtigere Art erſetzt werden mußte. Unſers Orts wollen wir wenigſtens erſt verſuchen, ob wir nicht das Alte und Neue verbinden, und ſolcherge- ſtalt durch einen Mittelweg das Ziel erreichen koͤnnen. Alle drey Abſichten koͤnnen unſer Meinung nach fuͤg- lich erhalten werden, wenn die Leiche vor wie nach aus dem Sterbehauſe abgeholet, ſo dann nach einem kurzen oder langen Umgange in die Kirche gebracht, hier ent- weder mit oder ohne Muſik empfangen, und nachdem alles was man dabey in der Kirche vornehmen will, voll- bracht iſt, oder auch noch waͤhrend der Zeit von den Traͤ- gern zur Kirche heraus, und entweder auf Schultern oder zu Wagen ohne andre Begleitung auf den Kirchhof außer der Stadt gebracht wird. Hiedurch wird nicht allein in der ganzen Oekonomie unſrer Vorfahren nichts zerſtoͤrt, ſondern auch noch den Begleitern wenigſtens die Haͤlfte des Ungemachs, was mit der Abfuͤhrung nach den Kirchhof, beſonders bey ſchlimmem Wetter verknuͤpft iſt, erſparet. Ja die Leichenabfuͤhrungen koͤnnen auf dieſe Art noch feyerlicher gemacht, die Perſonalien, welche ſeit der Zeit daß die buͤrgerlichen Tugenden ihren Werth ver- lohren haben, aus der Mode gekommen ſind, wieder eingefuͤhret, noch mehrere Geſaͤnge als oft im Regen geſchehen kann, geſungen, die Gemuͤther der Trauren- den zum Opfer fuͤr die Armen geruͤhrt, und die Thraͤnen der Leidtragenden deutlicher als bey ungeſtuͤmem Wetter unter freyem Himmel bemerkt werden. Alles dieſes erfordert keine mehrere Zeit als die vo- rige Weiſe, und der Weg aus der Kirche nach dem Trauer- hauſe, um dort entweder noch einmal zu weinen oder noch etwas

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/190>, abgerufen am 24.11.2024.