Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

von den Westphälischen Freygerichten.
einen geschwinden Proceß, und dieser bestand darinn, daß
in jedem Districte, wie es von den archidiaconalischen
Commissarien noch geschieht, zwey oder mehrere der be-
sten und redlichsten Männer zu Eydgeschwornen angesetzt
und alle Verbrechen, die zu ihrer Bestrafung gehörten,
auf deren Zeugniß gerichtet wurden. Hiemit stimmt auch
die Geschichte, wann man alle kleine Umstände zusam-
men nimmt, überein, und die spätern Geschichtschreiber
setzen diesem noch den besondern aber sehr wahrscheinli-
chen Umstand hinzu, daß die Eydgeschwornen dem Volke
nicht wären bekannt gemacht worden, damit sich keiner
vor ihnen hätte in Acht nehmen können; so daß ein Bru-
der sich vor dem andern habe fürchten müssen.

Vergleicht man diese Beschreibung der Carolingischen
außerordentlichen Commission mit den später also genann-
ten Freygrafschaften: so findet man unter beyden die größte
Aehnlichkeit. Jhre Sitzungen hießen Freydinge, der Ort
wo die Sitzung gehalten ward, der freye Stuhl, der
Commissarius Freygraf, und die Eydgeschwornen Frey-
schöpfen;
der Herzog von Sachsen, welcher auch noth-
wendig als oberster missus jene missos per tempora discur-
rentes
abschickte, war ihr oberster Stuhlherr; derselbe
hatte in dieser Eigenschaft das Patronatrecht über jeden
Stuhl, oder die Ernennung des Freygrafen, und dieser
ließ sich dann nachdem er ernannt war, von dem Kayser
wiewohl es auch zu Zeiten Commißionsweise vom Her-
zoge geschahe, mit des Königs Bann belehnen.

Vor ihren Richterstuhl gehörten ebenfalls jene Ver-
brechen und alle Klagen gegen Leute, die vor ihrem or-
dentlichen Richter kein Recht geben wollten. Sie hatten
auch wie jene ihr Stillgericht, oder ihre sogenannte heim-
liche
Acht, nachdem sie zuvor den freyen Stuhl bekleidet

und
N 2

von den Weſtphaͤliſchen Freygerichten.
einen geſchwinden Proceß, und dieſer beſtand darinn, daß
in jedem Diſtricte, wie es von den archidiaconaliſchen
Commiſſarien noch geſchieht, zwey oder mehrere der be-
ſten und redlichſten Maͤnner zu Eydgeſchwornen angeſetzt
und alle Verbrechen, die zu ihrer Beſtrafung gehoͤrten,
auf deren Zeugniß gerichtet wurden. Hiemit ſtimmt auch
die Geſchichte, wann man alle kleine Umſtaͤnde zuſam-
men nimmt, uͤberein, und die ſpaͤtern Geſchichtſchreiber
ſetzen dieſem noch den beſondern aber ſehr wahrſcheinli-
chen Umſtand hinzu, daß die Eydgeſchwornen dem Volke
nicht waͤren bekannt gemacht worden, damit ſich keiner
vor ihnen haͤtte in Acht nehmen koͤnnen; ſo daß ein Bru-
der ſich vor dem andern habe fuͤrchten muͤſſen.

Vergleicht man dieſe Beſchreibung der Carolingiſchen
außerordentlichen Commiſſion mit den ſpaͤter alſo genann-
ten Freygrafſchaften: ſo findet man unter beyden die groͤßte
Aehnlichkeit. Jhre Sitzungen hießen Freydinge, der Ort
wo die Sitzung gehalten ward, der freye Stuhl, der
Commiſſarius Freygraf, und die Eydgeſchwornen Frey-
ſchoͤpfen;
der Herzog von Sachſen, welcher auch noth-
wendig als oberſter miſſus jene miſſos per tempora diſcur-
rentes
abſchickte, war ihr oberſter Stuhlherr; derſelbe
hatte in dieſer Eigenſchaft das Patronatrecht uͤber jeden
Stuhl, oder die Ernennung des Freygrafen, und dieſer
ließ ſich dann nachdem er ernannt war, von dem Kayſer
wiewohl es auch zu Zeiten Commißionsweiſe vom Her-
zoge geſchahe, mit des Koͤnigs Bann belehnen.

Vor ihren Richterſtuhl gehoͤrten ebenfalls jene Ver-
brechen und alle Klagen gegen Leute, die vor ihrem or-
dentlichen Richter kein Recht geben wollten. Sie hatten
auch wie jene ihr Stillgericht, oder ihre ſogenannte heim-
liche
Acht, nachdem ſie zuvor den freyen Stuhl bekleidet

und
N 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0207" n="195"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von den We&#x017F;tpha&#x0364;li&#x017F;chen Freygerichten.</hi></fw><lb/>
einen ge&#x017F;chwinden Proceß, und die&#x017F;er be&#x017F;tand darinn, daß<lb/>
in jedem Di&#x017F;tricte, wie es von den archidiaconali&#x017F;chen<lb/>
Commi&#x017F;&#x017F;arien noch ge&#x017F;chieht, zwey oder mehrere der be-<lb/>
&#x017F;ten und redlich&#x017F;ten Ma&#x0364;nner zu Eydge&#x017F;chwornen ange&#x017F;etzt<lb/>
und alle Verbrechen, die zu ihrer Be&#x017F;trafung geho&#x0364;rten,<lb/>
auf deren Zeugniß gerichtet wurden. Hiemit &#x017F;timmt auch<lb/>
die Ge&#x017F;chichte, wann man alle kleine Um&#x017F;ta&#x0364;nde zu&#x017F;am-<lb/>
men nimmt, u&#x0364;berein, und die &#x017F;pa&#x0364;tern Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreiber<lb/>
&#x017F;etzen die&#x017F;em noch den be&#x017F;ondern aber &#x017F;ehr wahr&#x017F;cheinli-<lb/>
chen Um&#x017F;tand hinzu, daß die Eydge&#x017F;chwornen dem Volke<lb/>
nicht wa&#x0364;ren bekannt gemacht worden, damit &#x017F;ich keiner<lb/>
vor ihnen ha&#x0364;tte in Acht nehmen ko&#x0364;nnen; &#x017F;o daß ein Bru-<lb/>
der &#x017F;ich vor dem andern habe fu&#x0364;rchten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Vergleicht man die&#x017F;e Be&#x017F;chreibung der Carolingi&#x017F;chen<lb/><hi rendition="#fr">außerordentlichen</hi> Commi&#x017F;&#x017F;ion mit den &#x017F;pa&#x0364;ter al&#x017F;o genann-<lb/>
ten <hi rendition="#fr">Freygraf&#x017F;chaften:</hi> &#x017F;o findet man unter beyden die gro&#x0364;ßte<lb/>
Aehnlichkeit. Jhre <hi rendition="#fr">Sitzungen</hi> hießen <hi rendition="#fr">Freydinge,</hi> der Ort<lb/>
wo die Sitzung gehalten ward, der <hi rendition="#fr">freye Stuhl,</hi> der<lb/>
Commi&#x017F;&#x017F;arius <hi rendition="#fr">Freygraf,</hi> und die Eydge&#x017F;chwornen <hi rendition="#fr">Frey-<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;pfen;</hi> der Herzog von Sach&#x017F;en, welcher auch noth-<lb/>
wendig als ober&#x017F;ter <hi rendition="#aq">mi&#x017F;&#x017F;us</hi> jene <hi rendition="#aq">mi&#x017F;&#x017F;os per tempora di&#x017F;cur-<lb/>
rentes</hi> ab&#x017F;chickte, war ihr ober&#x017F;ter <hi rendition="#fr">Stuhlherr;</hi> der&#x017F;elbe<lb/>
hatte in die&#x017F;er Eigen&#x017F;chaft das Patronatrecht u&#x0364;ber jeden<lb/><hi rendition="#fr">Stuhl,</hi> oder die Ernennung des Freygrafen, und die&#x017F;er<lb/>
ließ &#x017F;ich dann nachdem er ernannt war, von dem Kay&#x017F;er<lb/>
wiewohl es auch zu Zeiten Commißionswei&#x017F;e vom Her-<lb/>
zoge ge&#x017F;chahe, mit des Ko&#x0364;nigs Bann belehnen.</p><lb/>
          <p>Vor ihren Richter&#x017F;tuhl geho&#x0364;rten ebenfalls jene Ver-<lb/>
brechen und alle Klagen gegen Leute, die vor ihrem or-<lb/>
dentlichen Richter kein Recht geben wollten. Sie hatten<lb/>
auch wie jene ihr <hi rendition="#fr">Stillgericht,</hi> oder ihre &#x017F;ogenannte <hi rendition="#fr">heim-<lb/>
liche</hi> Acht, nachdem &#x017F;ie zuvor den freyen Stuhl bekleidet<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N 2</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0207] von den Weſtphaͤliſchen Freygerichten. einen geſchwinden Proceß, und dieſer beſtand darinn, daß in jedem Diſtricte, wie es von den archidiaconaliſchen Commiſſarien noch geſchieht, zwey oder mehrere der be- ſten und redlichſten Maͤnner zu Eydgeſchwornen angeſetzt und alle Verbrechen, die zu ihrer Beſtrafung gehoͤrten, auf deren Zeugniß gerichtet wurden. Hiemit ſtimmt auch die Geſchichte, wann man alle kleine Umſtaͤnde zuſam- men nimmt, uͤberein, und die ſpaͤtern Geſchichtſchreiber ſetzen dieſem noch den beſondern aber ſehr wahrſcheinli- chen Umſtand hinzu, daß die Eydgeſchwornen dem Volke nicht waͤren bekannt gemacht worden, damit ſich keiner vor ihnen haͤtte in Acht nehmen koͤnnen; ſo daß ein Bru- der ſich vor dem andern habe fuͤrchten muͤſſen. Vergleicht man dieſe Beſchreibung der Carolingiſchen außerordentlichen Commiſſion mit den ſpaͤter alſo genann- ten Freygrafſchaften: ſo findet man unter beyden die groͤßte Aehnlichkeit. Jhre Sitzungen hießen Freydinge, der Ort wo die Sitzung gehalten ward, der freye Stuhl, der Commiſſarius Freygraf, und die Eydgeſchwornen Frey- ſchoͤpfen; der Herzog von Sachſen, welcher auch noth- wendig als oberſter miſſus jene miſſos per tempora diſcur- rentes abſchickte, war ihr oberſter Stuhlherr; derſelbe hatte in dieſer Eigenſchaft das Patronatrecht uͤber jeden Stuhl, oder die Ernennung des Freygrafen, und dieſer ließ ſich dann nachdem er ernannt war, von dem Kayſer wiewohl es auch zu Zeiten Commißionsweiſe vom Her- zoge geſchahe, mit des Koͤnigs Bann belehnen. Vor ihren Richterſtuhl gehoͤrten ebenfalls jene Ver- brechen und alle Klagen gegen Leute, die vor ihrem or- dentlichen Richter kein Recht geben wollten. Sie hatten auch wie jene ihr Stillgericht, oder ihre ſogenannte heim- liche Acht, nachdem ſie zuvor den freyen Stuhl bekleidet und N 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/207
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/207>, abgerufen am 21.11.2024.