Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.Ueber die Absteuer der Töchter Recht setzen, welches durch keine Testamente, die auchum deswegen in dieser Klasse von Leuten gar nicht ge- bräuchlich waren, abgeändert werden konnte. Der Adel wohnte weiter aus einander und kam bey weitem nicht so früh dahin, um allgemeine Versammlungen zu halten, und collegialische Rechte zu setzen; der Fürsten waren noch weniger, und ihre Rechtsweisungen vor dem Kay- ser seltener. Also mußten diese zuerst zu einer Autono- mie greifen, und sich durch eigne Gesetze und Verträge helfen. Die fremden Rechte thaten auf sie als einzelne einer collegialischen Rechtsweisung beraubte, und sol- chergestalt ohne Landrecht bestehende Menschen den ersten Angriff; der zweyte gieng auf den Adel; und der dritte erst auf die mindern Landbesitzer, welche entweder von einer Hofrolle abgerissen, oder aus dem Leibeigenthum freygelassen, und so ebenfalls als Einzelne, die kein ge- meinsames Hofrecht hatten, überwunden wurden. Der Geistlichen, welche anfangs auch einzeln waren, und eben- falls noch kein gemeines Recht hatten, erwehne ich nicht, auch keiner Bürger. Denn die erstern bedienten sich, so bald sie testiren durften, des römischen Rechts noch frü- her und natürlicher als die Fürsten; die Rechte der letz- tern aber sind mehr das Werk der Kunst als der Natur, und dahier ist nur die Rede von der Zeitordnung, nach welcher die fremden Rechte durch natürliche und noth- wendige Bedürfnisse zugelassen oder abgewehret worden. Nach dieser kurzen Ausschweifung über den Gang, schieht
Ueber die Abſteuer der Toͤchter Recht ſetzen, welches durch keine Teſtamente, die auchum deswegen in dieſer Klaſſe von Leuten gar nicht ge- braͤuchlich waren, abgeaͤndert werden konnte. Der Adel wohnte weiter aus einander und kam bey weitem nicht ſo fruͤh dahin, um allgemeine Verſammlungen zu halten, und collegialiſche Rechte zu ſetzen; der Fuͤrſten waren noch weniger, und ihre Rechtsweiſungen vor dem Kay- ſer ſeltener. Alſo mußten dieſe zuerſt zu einer Autono- mie greifen, und ſich durch eigne Geſetze und Vertraͤge helfen. Die fremden Rechte thaten auf ſie als einzelne einer collegialiſchen Rechtsweiſung beraubte, und ſol- chergeſtalt ohne Landrecht beſtehende Menſchen den erſten Angriff; der zweyte gieng auf den Adel; und der dritte erſt auf die mindern Landbeſitzer, welche entweder von einer Hofrolle abgeriſſen, oder aus dem Leibeigenthum freygelaſſen, und ſo ebenfalls als Einzelne, die kein ge- meinſames Hofrecht hatten, uͤberwunden wurden. Der Geiſtlichen, welche anfangs auch einzeln waren, und eben- falls noch kein gemeines Recht hatten, erwehne ich nicht, auch keiner Buͤrger. Denn die erſtern bedienten ſich, ſo bald ſie teſtiren durften, des roͤmiſchen Rechts noch fruͤ- her und natuͤrlicher als die Fuͤrſten; die Rechte der letz- tern aber ſind mehr das Werk der Kunſt als der Natur, und dahier iſt nur die Rede von der Zeitordnung, nach welcher die fremden Rechte durch natuͤrliche und noth- wendige Beduͤrfniſſe zugelaſſen oder abgewehret worden. Nach dieſer kurzen Ausſchweifung uͤber den Gang, ſchieht
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Ueber die Abſteuer der Toͤchter
Recht ſetzen, welches durch keine Teſtamente, die auch
um deswegen in dieſer Klaſſe von Leuten gar nicht ge-
braͤuchlich waren, abgeaͤndert werden konnte. Der Adel
wohnte weiter aus einander und kam bey weitem nicht ſo
fruͤh dahin, um allgemeine Verſammlungen zu halten,
und collegialiſche Rechte zu ſetzen; der Fuͤrſten waren
noch weniger, und ihre Rechtsweiſungen vor dem Kay-
ſer ſeltener. Alſo mußten dieſe zuerſt zu einer Autono-
mie greifen, und ſich durch eigne Geſetze und Vertraͤge
helfen. Die fremden Rechte thaten auf ſie als einzelne
einer collegialiſchen Rechtsweiſung beraubte, und ſol-
chergeſtalt ohne Landrecht beſtehende Menſchen den erſten
Angriff; der zweyte gieng auf den Adel; und der dritte
erſt auf die mindern Landbeſitzer, welche entweder von
einer Hofrolle abgeriſſen, oder aus dem Leibeigenthum
freygelaſſen, und ſo ebenfalls als Einzelne, die kein ge-
meinſames Hofrecht hatten, uͤberwunden wurden. Der
Geiſtlichen, welche anfangs auch einzeln waren, und eben-
falls noch kein gemeines Recht hatten, erwehne ich nicht,
auch keiner Buͤrger. Denn die erſtern bedienten ſich, ſo
bald ſie teſtiren durften, des roͤmiſchen Rechts noch fruͤ-
her und natuͤrlicher als die Fuͤrſten; die Rechte der letz-
tern aber ſind mehr das Werk der Kunſt als der Natur,
und dahier iſt nur die Rede von der Zeitordnung, nach
welcher die fremden Rechte durch natuͤrliche und noth-
wendige Beduͤrfniſſe zugelaſſen oder abgewehret worden.
Nach dieſer kurzen Ausſchweifung uͤber den Gang,
welchen die roͤmiſchen Rechte in ihren Angriffen und Vor-
dringen genommen, will ich nun zu den Ausſteuren zu-
ruͤck kehren, wie ſie zuerſt nach einer Standesgewohn-
heit abgemeſſen wurden. Sieht man die aͤlteſten Ehe-
ſtiftungen und Verzichte fuͤrſtlicher Haͤuſer nach: ſo ge-
ſchieht
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