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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Warum bildet sich der deutsche Adel
Diesem Vorgange müßten wir nothwendig folgen; wir
müßten ein Landes-Heroldsamt, unter der Aufsicht des
Adels errichten, dieses müßte mit einem allgemeinen
Reichs-Heroldsamte correspondiren, vor demselben müßte
jedes Kind des Adels, so bald es das väterliche Haus ver-
läßt und einen andern Stand erwählt, seinen Namen und
sein Wapen eintragen lassen; es möchte allenfalls sich aus
aber nicht von schreiben dürfen, und auf solche Art glaube
ich, daß es möglich wäre, jedem die Rechte seiner Ge-
burt unter allen Vermischungen zu erhalten.

Hiernächst müßte freylich um die Adelsfähigkeit im
Werthe zu erhalten, eine gewisse Linie gezogen werden,
worüber sich keiner wagen dürfte, ohne damit auf sein
Geburtsrecht Verzicht zu thun. Diese würde nun zwar
in Deutschland, wo die Reichsdienstleute und andre vor-
nehme Standesbediente, die ehmalige allgemeine Kette
der Hörigkeit, womit Herrn und Leute verbunden waren,
zerbrochen, und den geringern Theil der Menschheit dar-
unter verlassen haben, schwerer zu ziehen seyn als in Eng-
land, wo alle Hörigkeit aufgehoben, und Freyheit und
Eigenthum allen Einwohnern ohne Unterschied zu Theil
geworden ist. Jndessen sehe ich doch nicht ein, warum sie
nicht endlich gezogen werden könnte; warum wir nicht
eben wie in Rußland, mehrere Klassen von Menschen ha-
ben, und dabey festsetzen könnten, wie weit sich einer
aus den Höhern in die Niedrigen vertiefen könnte, ohne
den Rückweg zu verlieren, wenn er nach Erbgangsrechte
zu einer Kronwürde in seine ursprüngliche Klasse gerufen
würde? Hat man doch in Frankreich dem Adel die See-
handlung eröffnet?

Wenn man auf die Zeiten zurückgeht, worinn noch
keine beständige und regulaire Miliz gehalten wurde: so

wird

Warum bildet ſich der deutſche Adel
Dieſem Vorgange muͤßten wir nothwendig folgen; wir
muͤßten ein Landes-Heroldsamt, unter der Aufſicht des
Adels errichten, dieſes muͤßte mit einem allgemeinen
Reichs-Heroldsamte correſpondiren, vor demſelben muͤßte
jedes Kind des Adels, ſo bald es das vaͤterliche Haus ver-
laͤßt und einen andern Stand erwaͤhlt, ſeinen Namen und
ſein Wapen eintragen laſſen; es moͤchte allenfalls ſich aus
aber nicht von ſchreiben duͤrfen, und auf ſolche Art glaube
ich, daß es moͤglich waͤre, jedem die Rechte ſeiner Ge-
burt unter allen Vermiſchungen zu erhalten.

Hiernaͤchſt muͤßte freylich um die Adelsfaͤhigkeit im
Werthe zu erhalten, eine gewiſſe Linie gezogen werden,
woruͤber ſich keiner wagen duͤrfte, ohne damit auf ſein
Geburtsrecht Verzicht zu thun. Dieſe wuͤrde nun zwar
in Deutſchland, wo die Reichsdienſtleute und andre vor-
nehme Standesbediente, die ehmalige allgemeine Kette
der Hoͤrigkeit, womit Herrn und Leute verbunden waren,
zerbrochen, und den geringern Theil der Menſchheit dar-
unter verlaſſen haben, ſchwerer zu ziehen ſeyn als in Eng-
land, wo alle Hoͤrigkeit aufgehoben, und Freyheit und
Eigenthum allen Einwohnern ohne Unterſchied zu Theil
geworden iſt. Jndeſſen ſehe ich doch nicht ein, warum ſie
nicht endlich gezogen werden koͤnnte; warum wir nicht
eben wie in Rußland, mehrere Klaſſen von Menſchen ha-
ben, und dabey feſtſetzen koͤnnten, wie weit ſich einer
aus den Hoͤhern in die Niedrigen vertiefen koͤnnte, ohne
den Ruͤckweg zu verlieren, wenn er nach Erbgangsrechte
zu einer Kronwuͤrde in ſeine urſpruͤngliche Klaſſe gerufen
wuͤrde? Hat man doch in Frankreich dem Adel die See-
handlung eroͤffnet?

Wenn man auf die Zeiten zuruͤckgeht, worinn noch
keine beſtaͤndige und regulaire Miliz gehalten wurde: ſo

wird
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[254/0266] Warum bildet ſich der deutſche Adel Dieſem Vorgange muͤßten wir nothwendig folgen; wir muͤßten ein Landes-Heroldsamt, unter der Aufſicht des Adels errichten, dieſes muͤßte mit einem allgemeinen Reichs-Heroldsamte correſpondiren, vor demſelben muͤßte jedes Kind des Adels, ſo bald es das vaͤterliche Haus ver- laͤßt und einen andern Stand erwaͤhlt, ſeinen Namen und ſein Wapen eintragen laſſen; es moͤchte allenfalls ſich aus aber nicht von ſchreiben duͤrfen, und auf ſolche Art glaube ich, daß es moͤglich waͤre, jedem die Rechte ſeiner Ge- burt unter allen Vermiſchungen zu erhalten. Hiernaͤchſt muͤßte freylich um die Adelsfaͤhigkeit im Werthe zu erhalten, eine gewiſſe Linie gezogen werden, woruͤber ſich keiner wagen duͤrfte, ohne damit auf ſein Geburtsrecht Verzicht zu thun. Dieſe wuͤrde nun zwar in Deutſchland, wo die Reichsdienſtleute und andre vor- nehme Standesbediente, die ehmalige allgemeine Kette der Hoͤrigkeit, womit Herrn und Leute verbunden waren, zerbrochen, und den geringern Theil der Menſchheit dar- unter verlaſſen haben, ſchwerer zu ziehen ſeyn als in Eng- land, wo alle Hoͤrigkeit aufgehoben, und Freyheit und Eigenthum allen Einwohnern ohne Unterſchied zu Theil geworden iſt. Jndeſſen ſehe ich doch nicht ein, warum ſie nicht endlich gezogen werden koͤnnte; warum wir nicht eben wie in Rußland, mehrere Klaſſen von Menſchen ha- ben, und dabey feſtſetzen koͤnnten, wie weit ſich einer aus den Hoͤhern in die Niedrigen vertiefen koͤnnte, ohne den Ruͤckweg zu verlieren, wenn er nach Erbgangsrechte zu einer Kronwuͤrde in ſeine urſpruͤngliche Klaſſe gerufen wuͤrde? Hat man doch in Frankreich dem Adel die See- handlung eroͤffnet? Wenn man auf die Zeiten zuruͤckgeht, worinn noch keine beſtaͤndige und regulaire Miliz gehalten wurde: ſo wird

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/266>, abgerufen am 21.11.2024.