Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite
der alten Deutschen.

Diese Springer waren aber auch nur in der ersten
Linie, und die edelsten Jünglinge der Nation *). Rübenfres-
ser schickten sich dazu nicht; und nur unter den Englän-
dern, einer mehrentheils von Fleische lebenden Nation,
sicht man hie und da noch Jünglinge, die ohne Zulauf,
über eine Hecke von sechs Fuß hinwegsetzen.

Ueberhaupt übertrafen sie alle Nationen im Sprin-
gen. Der König der Cimbern Teutoboch **) setzte ge-
wöhnlich über vier und sechs Pferde weg, und der Kö-
nig ist selten der erste und einzige in seiner Art. Ohne
Zweifel gehörte also das Voltigiren zur National-Erzie-
hung, und das Gefolge (comitatus) des Königs war
vermuthlich noch stärker in dieser Kunst als er. Die
Nerve ihres Arms, womit sie einen Wurfspieß auf eine
ungeheure Weite (missilia in immensum vibrant sagt Ta-
citus
) schleudern konnten, mußte an der Mutter Brust
gespannet seyn.

Da sie alles in Absicht auf den Krieg thaten: so ist
auch kein Zweifel übrig, daß das Voltigiren nicht zu-
gleich seine unmittelbare Beziehung auf das Reiten hatte,
wie sie denn auch mit einer verwundernswürdigen Fer-
tigkeit von ihren Pferden auf und ab setzten. Die deut-
sche Cavallerie war in allen Schlachten der römischen
überlegen, und die römischen Schriftsteller sind froh, wenn
sie sagen können: equites ambigue certavere **).

Jhre
*) In universum aestimanti, plus penes peditem roboris: eoque
mixti praeliantur, apta & congruente ad equestrem pugnam
velocitate peditum quos ex omni juventute delectos ante aciem
ponunt. Tac. G. c.
6.
**) Quatornos senosque equos transilire solitus. Flor. III. 3.
**) Quatornos senosque equos transilire solitus. Flor. III. 3.
der alten Deutſchen.

Dieſe Springer waren aber auch nur in der erſten
Linie, und die edelſten Juͤnglinge der Nation *). Ruͤbenfreſ-
ſer ſchickten ſich dazu nicht; und nur unter den Englaͤn-
dern, einer mehrentheils von Fleiſche lebenden Nation,
ſicht man hie und da noch Juͤnglinge, die ohne Zulauf,
uͤber eine Hecke von ſechs Fuß hinwegſetzen.

Ueberhaupt uͤbertrafen ſie alle Nationen im Sprin-
gen. Der Koͤnig der Cimbern Teutoboch **) ſetzte ge-
woͤhnlich uͤber vier und ſechs Pferde weg, und der Koͤ-
nig iſt ſelten der erſte und einzige in ſeiner Art. Ohne
Zweifel gehoͤrte alſo das Voltigiren zur National-Erzie-
hung, und das Gefolge (comitatus) des Koͤnigs war
vermuthlich noch ſtaͤrker in dieſer Kunſt als er. Die
Nerve ihres Arms, womit ſie einen Wurfſpieß auf eine
ungeheure Weite (miſſilia in immenſum vibrant ſagt Ta-
citus
) ſchleudern konnten, mußte an der Mutter Bruſt
geſpannet ſeyn.

Da ſie alles in Abſicht auf den Krieg thaten: ſo iſt
auch kein Zweifel uͤbrig, daß das Voltigiren nicht zu-
gleich ſeine unmittelbare Beziehung auf das Reiten hatte,
wie ſie denn auch mit einer verwundernswuͤrdigen Fer-
tigkeit von ihren Pferden auf und ab ſetzten. Die deut-
ſche Cavallerie war in allen Schlachten der roͤmiſchen
uͤberlegen, und die roͤmiſchen Schriftſteller ſind froh, wenn
ſie ſagen koͤnnen: equites ambigue certavere **).

Jhre
*) In univerſum aeſtimanti, plus penes peditem roboris: eoque
mixti præliantur, apta & congruente ad equeſtrem pugnam
velocitate peditum quos ex omni juventute delectos ante aciem
ponunt. Tac. G. c.
6.
**) Quatornos ſenosque equos tranſilire ſolitus. Flor. III. 3.
**) Quatornos ſenosque equos tranſilire ſolitus. Flor. III. 3.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0027" n="15"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">der alten Deut&#x017F;chen.</hi> </fw><lb/>
          <p>Die&#x017F;e Springer waren aber auch nur in der er&#x017F;ten<lb/>
Linie, und die edel&#x017F;ten Ju&#x0364;nglinge der Nation <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq">In univer&#x017F;um ae&#x017F;timanti, plus penes peditem roboris: eoque<lb/>
mixti præliantur, apta &amp; congruente ad eque&#x017F;trem pugnam<lb/><hi rendition="#i">velocitate peditum quos ex omni juventute delectos ante aciem<lb/>
ponunt. <hi rendition="#g">Tac</hi>. G. c.</hi></hi> 6.</note>. Ru&#x0364;benfre&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er &#x017F;chickten &#x017F;ich dazu nicht; und nur unter den Engla&#x0364;n-<lb/>
dern, einer mehrentheils von Flei&#x017F;che lebenden Nation,<lb/>
&#x017F;icht man hie und da noch Ju&#x0364;nglinge, die ohne Zulauf,<lb/>
u&#x0364;ber eine Hecke von &#x017F;echs Fuß hinweg&#x017F;etzen.</p><lb/>
          <p>Ueberhaupt u&#x0364;bertrafen &#x017F;ie alle Nationen im Sprin-<lb/>
gen. Der Ko&#x0364;nig der Cimbern <hi rendition="#fr">Teutoboch</hi> <note place="foot" n="**)"><hi rendition="#aq">Quatornos &#x017F;enosque equos tran&#x017F;ilire &#x017F;olitus. <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Flor</hi>.</hi> III.</hi> 3.</note> &#x017F;etzte ge-<lb/>
wo&#x0364;hnlich u&#x0364;ber vier und &#x017F;echs Pferde weg, und der Ko&#x0364;-<lb/>
nig i&#x017F;t &#x017F;elten der er&#x017F;te und einzige in &#x017F;einer Art. Ohne<lb/>
Zweifel geho&#x0364;rte al&#x017F;o das Voltigiren zur National-Erzie-<lb/>
hung, und das Gefolge (<hi rendition="#aq">comitatus</hi>) des Ko&#x0364;nigs war<lb/>
vermuthlich noch &#x017F;ta&#x0364;rker in die&#x017F;er Kun&#x017F;t als er. Die<lb/>
Nerve ihres Arms, womit &#x017F;ie einen Wurf&#x017F;pieß auf eine<lb/>
ungeheure Weite (<hi rendition="#aq">mi&#x017F;&#x017F;ilia in immen&#x017F;um vibrant</hi> &#x017F;agt <hi rendition="#fr">Ta-<lb/>
citus</hi>) &#x017F;chleudern konnten, mußte an der Mutter Bru&#x017F;t<lb/>
ge&#x017F;pannet &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Da &#x017F;ie alles in Ab&#x017F;icht auf den Krieg thaten: &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
auch kein Zweifel u&#x0364;brig, daß das Voltigiren nicht zu-<lb/>
gleich &#x017F;eine unmittelbare Beziehung auf das Reiten hatte,<lb/>
wie &#x017F;ie denn auch mit einer verwundernswu&#x0364;rdigen Fer-<lb/>
tigkeit von ihren Pferden auf und ab &#x017F;etzten. Die deut-<lb/>
&#x017F;che Cavallerie war in allen Schlachten der ro&#x0364;mi&#x017F;chen<lb/>
u&#x0364;berlegen, und die ro&#x0364;mi&#x017F;chen Schrift&#x017F;teller &#x017F;ind froh, wenn<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;agen ko&#x0364;nnen: <hi rendition="#aq">equites ambigue certavere</hi> <note place="foot" n="**)"><hi rendition="#aq">Quatornos &#x017F;enosque equos tran&#x017F;ilire &#x017F;olitus. <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Flor</hi>.</hi> III.</hi> 3.</note>.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Jhre</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0027] der alten Deutſchen. Dieſe Springer waren aber auch nur in der erſten Linie, und die edelſten Juͤnglinge der Nation *). Ruͤbenfreſ- ſer ſchickten ſich dazu nicht; und nur unter den Englaͤn- dern, einer mehrentheils von Fleiſche lebenden Nation, ſicht man hie und da noch Juͤnglinge, die ohne Zulauf, uͤber eine Hecke von ſechs Fuß hinwegſetzen. Ueberhaupt uͤbertrafen ſie alle Nationen im Sprin- gen. Der Koͤnig der Cimbern Teutoboch **) ſetzte ge- woͤhnlich uͤber vier und ſechs Pferde weg, und der Koͤ- nig iſt ſelten der erſte und einzige in ſeiner Art. Ohne Zweifel gehoͤrte alſo das Voltigiren zur National-Erzie- hung, und das Gefolge (comitatus) des Koͤnigs war vermuthlich noch ſtaͤrker in dieſer Kunſt als er. Die Nerve ihres Arms, womit ſie einen Wurfſpieß auf eine ungeheure Weite (miſſilia in immenſum vibrant ſagt Ta- citus) ſchleudern konnten, mußte an der Mutter Bruſt geſpannet ſeyn. Da ſie alles in Abſicht auf den Krieg thaten: ſo iſt auch kein Zweifel uͤbrig, daß das Voltigiren nicht zu- gleich ſeine unmittelbare Beziehung auf das Reiten hatte, wie ſie denn auch mit einer verwundernswuͤrdigen Fer- tigkeit von ihren Pferden auf und ab ſetzten. Die deut- ſche Cavallerie war in allen Schlachten der roͤmiſchen uͤberlegen, und die roͤmiſchen Schriftſteller ſind froh, wenn ſie ſagen koͤnnen: equites ambigue certavere **). Jhre *) In univerſum aeſtimanti, plus penes peditem roboris: eoque mixti præliantur, apta & congruente ad equeſtrem pugnam velocitate peditum quos ex omni juventute delectos ante aciem ponunt. Tac. G. c. 6. **) Quatornos ſenosque equos tranſilire ſolitus. Flor. III. 3. **) Quatornos ſenosque equos tranſilire ſolitus. Flor. III. 3.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/27
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/27>, abgerufen am 03.12.2024.