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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Sollten nicht Nebenwohner
handelt: so lange bleibt ihre gerühmte Justitz nur eine
Ruthe, womit der Allmächtige dieses Land züchtiget. Sie
können dieses in der Stadt, wo der Bürger den Schutz
seiner Obrigkeit, der er nach allen Umständen bekannt
ist, mündlich anrufen und immer auf dem kürzesten Wege
auch mehrentheils ohne alle Unkosten Hülfe haben kann,
so nicht einsehen, wie wir es auf dem Lande thun, wo
ein jeder so bald er etwas zu klagen hat, oder verklagt
wird, so gleich einige Meilen reisen muß, und keine Hülfe
erlangen kann, ohne einen Advocaten und Procurator
anzunehmen. Hier hat man immer nur die Wahl, ob
man sich dem einen Unglück überlassen, oder dem andern
entgegen gehen wolle. Jch kann Jhnen davon eine sehr
traurige Geschichte erzählen die sich hier in vorigem Jahre
zugetragen hat, und leider oft zuträgt.

Ein gewisser Kaufmann, dem alle Eingesessene sei-
nes Kirchspiels viel oder wenig schuldig sind, ward auf
einen Heuermann böse, der ihm sein Linnen nicht wie ge-
wöhnlich zum Verkauf gebracht, und die Kleidungsstücke
so er gebrauchte, von einem andern genommen hatte. --
Dieses müssen, im Vorbeygehen gesagt, alle die ihm ein-
mal schuldig sind, und weil sich das ganze Kirchspiel in
diesem Falle befindet, alle ohne Ausnahme thun; den
Preis setzt er in beyden Fällen wie er will, und was er
zu Buche schreibt das gilt von Rechtswegen. -- So
bald ward der Kaufmann die Abtrünnigkeit seines bishe-
rigen Sclaven nicht gewahr: so ließ er ihn auch wegen
funfzig Thaler, die er ihm laut seines Buches und der
darin enthaltenen wucherlichen Abrechnung schuldig seyn
sollte, an das entfernteste Gericht fordern, nöthigte den
Mann, welcher die Schuld, die von seiner Frauen erstem
Mann herrühren sollte, nicht wahr glaubte, zu einem

be-

Sollten nicht Nebenwohner
handelt: ſo lange bleibt ihre geruͤhmte Juſtitz nur eine
Ruthe, womit der Allmaͤchtige dieſes Land zuͤchtiget. Sie
koͤnnen dieſes in der Stadt, wo der Buͤrger den Schutz
ſeiner Obrigkeit, der er nach allen Umſtaͤnden bekannt
iſt, muͤndlich anrufen und immer auf dem kuͤrzeſten Wege
auch mehrentheils ohne alle Unkoſten Huͤlfe haben kann,
ſo nicht einſehen, wie wir es auf dem Lande thun, wo
ein jeder ſo bald er etwas zu klagen hat, oder verklagt
wird, ſo gleich einige Meilen reiſen muß, und keine Huͤlfe
erlangen kann, ohne einen Advocaten und Procurator
anzunehmen. Hier hat man immer nur die Wahl, ob
man ſich dem einen Ungluͤck uͤberlaſſen, oder dem andern
entgegen gehen wolle. Jch kann Jhnen davon eine ſehr
traurige Geſchichte erzaͤhlen die ſich hier in vorigem Jahre
zugetragen hat, und leider oft zutraͤgt.

Ein gewiſſer Kaufmann, dem alle Eingeſeſſene ſei-
nes Kirchſpiels viel oder wenig ſchuldig ſind, ward auf
einen Heuermann boͤſe, der ihm ſein Linnen nicht wie ge-
woͤhnlich zum Verkauf gebracht, und die Kleidungsſtuͤcke
ſo er gebrauchte, von einem andern genommen hatte. —
Dieſes muͤſſen, im Vorbeygehen geſagt, alle die ihm ein-
mal ſchuldig ſind, und weil ſich das ganze Kirchſpiel in
dieſem Falle befindet, alle ohne Ausnahme thun; den
Preis ſetzt er in beyden Faͤllen wie er will, und was er
zu Buche ſchreibt das gilt von Rechtswegen. — So
bald ward der Kaufmann die Abtruͤnnigkeit ſeines bishe-
rigen Sclaven nicht gewahr: ſo ließ er ihn auch wegen
funfzig Thaler, die er ihm laut ſeines Buches und der
darin enthaltenen wucherlichen Abrechnung ſchuldig ſeyn
ſollte, an das entfernteſte Gericht fordern, noͤthigte den
Mann, welcher die Schuld, die von ſeiner Frauen erſtem
Mann herruͤhren ſollte, nicht wahr glaubte, zu einem

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[302/0314] Sollten nicht Nebenwohner handelt: ſo lange bleibt ihre geruͤhmte Juſtitz nur eine Ruthe, womit der Allmaͤchtige dieſes Land zuͤchtiget. Sie koͤnnen dieſes in der Stadt, wo der Buͤrger den Schutz ſeiner Obrigkeit, der er nach allen Umſtaͤnden bekannt iſt, muͤndlich anrufen und immer auf dem kuͤrzeſten Wege auch mehrentheils ohne alle Unkoſten Huͤlfe haben kann, ſo nicht einſehen, wie wir es auf dem Lande thun, wo ein jeder ſo bald er etwas zu klagen hat, oder verklagt wird, ſo gleich einige Meilen reiſen muß, und keine Huͤlfe erlangen kann, ohne einen Advocaten und Procurator anzunehmen. Hier hat man immer nur die Wahl, ob man ſich dem einen Ungluͤck uͤberlaſſen, oder dem andern entgegen gehen wolle. Jch kann Jhnen davon eine ſehr traurige Geſchichte erzaͤhlen die ſich hier in vorigem Jahre zugetragen hat, und leider oft zutraͤgt. Ein gewiſſer Kaufmann, dem alle Eingeſeſſene ſei- nes Kirchſpiels viel oder wenig ſchuldig ſind, ward auf einen Heuermann boͤſe, der ihm ſein Linnen nicht wie ge- woͤhnlich zum Verkauf gebracht, und die Kleidungsſtuͤcke ſo er gebrauchte, von einem andern genommen hatte. — Dieſes muͤſſen, im Vorbeygehen geſagt, alle die ihm ein- mal ſchuldig ſind, und weil ſich das ganze Kirchſpiel in dieſem Falle befindet, alle ohne Ausnahme thun; den Preis ſetzt er in beyden Faͤllen wie er will, und was er zu Buche ſchreibt das gilt von Rechtswegen. — So bald ward der Kaufmann die Abtruͤnnigkeit ſeines bishe- rigen Sclaven nicht gewahr: ſo ließ er ihn auch wegen funfzig Thaler, die er ihm laut ſeines Buches und der darin enthaltenen wucherlichen Abrechnung ſchuldig ſeyn ſollte, an das entfernteſte Gericht fordern, noͤthigte den Mann, welcher die Schuld, die von ſeiner Frauen erſtem Mann herruͤhren ſollte, nicht wahr glaubte, zu einem be-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/314>, abgerufen am 25.11.2024.