Du lachst! und meinst Westfalen seye nicht Ota- heiti? Je nun so kommen wir auf den rechten Fleck zu- sammen; so ist die Frage nicht, ob Redouten und Co- medien erlaubt sind, nein! alles kommt denn darauf an, ob sie dem Orte, worinn sie gehalten werden, angemes- sen sind; und ob die Person welche sie besucht ihre Pflich- ten dabey verletzt? Aber wozu denn die allgemeinen Ur- theile über ihre Sittlichkeit und Unsittlichkeit in Ansehung unbestimmter Oerter und Personen?
Man gewinnt doch noch immer etwas damit; man hält doch noch manchen zurück, der sich sonst diesem Ver- gnügen zu sehr überlassen würde? ..... sprichst du? O Freund! Freund! was soll der gemeine Mann denken, wenn die Sittenlehrer mit aller Macht der Beredsamkeit, Opern, Comedien und Redouten verdammen, und gleich- wohl sieht, daß die großen Fürsten und Fürstinnen, deren Weißheit und Tugend eben diese Sittenlehrer nicht genug zu erheben wissen, ihrer Lehre gerade zu entgegen han- deln? Wenn eben diejenigen, welche eine Sache zu prü- fen und zu schätzen wissen, sich an diesen Vergnügungen gar nichts abziehen lassen? Muß er hier nicht ganz irre werden? Muß er nicht zuletzt glauben, alle Sittenlehre sey bloßes Gewäsche, und indem er ein Gebot verachtet sieht, alle für gleich verächtlich halten? Und thäten wir nicht vernünftiger, wenn wir aufrichtig sagten: seidne Kleider sind gut, aber nicht für jedermann, als wenn wir, um die Unvermögenden abzuhalten, sich nicht auch darinn zu kleiden, sie für sündlich erkläreten, und uns gleichwohl selbst darinn brüsteten? Auch hier kommt alles auf die Gränzlinie an; und so schwer auch diese anzu- weisen seyn mag: so ist sie doch vorhanden, und wie manche andre Sache leichter im Griffe als im Ausdrucke.
Hier-
Ueber die Sittlichkeit der Vergnuͤgungen.
Du lachſt! und meinſt Weſtfalen ſeye nicht Ota- heiti? Je nun ſo kommen wir auf den rechten Fleck zu- ſammen; ſo iſt die Frage nicht, ob Redouten und Co- medien erlaubt ſind, nein! alles kommt denn darauf an, ob ſie dem Orte, worinn ſie gehalten werden, angemeſ- ſen ſind; und ob die Perſon welche ſie beſucht ihre Pflich- ten dabey verletzt? Aber wozu denn die allgemeinen Ur- theile uͤber ihre Sittlichkeit und Unſittlichkeit in Anſehung unbeſtimmter Oerter und Perſonen?
Man gewinnt doch noch immer etwas damit; man haͤlt doch noch manchen zuruͤck, der ſich ſonſt dieſem Ver- gnuͤgen zu ſehr uͤberlaſſen wuͤrde? ..... ſprichſt du? O Freund! Freund! was ſoll der gemeine Mann denken, wenn die Sittenlehrer mit aller Macht der Beredſamkeit, Opern, Comedien und Redouten verdammen, und gleich- wohl ſieht, daß die großen Fuͤrſten und Fuͤrſtinnen, deren Weißheit und Tugend eben dieſe Sittenlehrer nicht genug zu erheben wiſſen, ihrer Lehre gerade zu entgegen han- deln? Wenn eben diejenigen, welche eine Sache zu pruͤ- fen und zu ſchaͤtzen wiſſen, ſich an dieſen Vergnuͤgungen gar nichts abziehen laſſen? Muß er hier nicht ganz irre werden? Muß er nicht zuletzt glauben, alle Sittenlehre ſey bloßes Gewaͤſche, und indem er ein Gebot verachtet ſieht, alle fuͤr gleich veraͤchtlich halten? Und thaͤten wir nicht vernuͤnftiger, wenn wir aufrichtig ſagten: ſeidne Kleider ſind gut, aber nicht fuͤr jedermann, als wenn wir, um die Unvermoͤgenden abzuhalten, ſich nicht auch darinn zu kleiden, ſie fuͤr ſuͤndlich erklaͤreten, und uns gleichwohl ſelbſt darinn bruͤſteten? Auch hier kommt alles auf die Graͤnzlinie an; und ſo ſchwer auch dieſe anzu- weiſen ſeyn mag: ſo iſt ſie doch vorhanden, und wie manche andre Sache leichter im Griffe als im Ausdrucke.
Hier-
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Ueber die Sittlichkeit der Vergnuͤgungen.
Du lachſt! und meinſt Weſtfalen ſeye nicht Ota-
heiti? Je nun ſo kommen wir auf den rechten Fleck zu-
ſammen; ſo iſt die Frage nicht, ob Redouten und Co-
medien erlaubt ſind, nein! alles kommt denn darauf an,
ob ſie dem Orte, worinn ſie gehalten werden, angemeſ-
ſen ſind; und ob die Perſon welche ſie beſucht ihre Pflich-
ten dabey verletzt? Aber wozu denn die allgemeinen Ur-
theile uͤber ihre Sittlichkeit und Unſittlichkeit in Anſehung
unbeſtimmter Oerter und Perſonen?
Man gewinnt doch noch immer etwas damit; man
haͤlt doch noch manchen zuruͤck, der ſich ſonſt dieſem Ver-
gnuͤgen zu ſehr uͤberlaſſen wuͤrde? ..... ſprichſt du?
O Freund! Freund! was ſoll der gemeine Mann denken,
wenn die Sittenlehrer mit aller Macht der Beredſamkeit,
Opern, Comedien und Redouten verdammen, und gleich-
wohl ſieht, daß die großen Fuͤrſten und Fuͤrſtinnen, deren
Weißheit und Tugend eben dieſe Sittenlehrer nicht genug
zu erheben wiſſen, ihrer Lehre gerade zu entgegen han-
deln? Wenn eben diejenigen, welche eine Sache zu pruͤ-
fen und zu ſchaͤtzen wiſſen, ſich an dieſen Vergnuͤgungen
gar nichts abziehen laſſen? Muß er hier nicht ganz irre
werden? Muß er nicht zuletzt glauben, alle Sittenlehre
ſey bloßes Gewaͤſche, und indem er ein Gebot verachtet
ſieht, alle fuͤr gleich veraͤchtlich halten? Und thaͤten wir
nicht vernuͤnftiger, wenn wir aufrichtig ſagten: ſeidne
Kleider ſind gut, aber nicht fuͤr jedermann, als wenn
wir, um die Unvermoͤgenden abzuhalten, ſich nicht auch
darinn zu kleiden, ſie fuͤr ſuͤndlich erklaͤreten, und uns
gleichwohl ſelbſt darinn bruͤſteten? Auch hier kommt alles
auf die Graͤnzlinie an; und ſo ſchwer auch dieſe anzu-
weiſen ſeyn mag: ſo iſt ſie doch vorhanden, und wie
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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/42>, abgerufen am 03.12.2024.
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