Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.Etwas zur Policey der Freuden gen, und hier möchte ich wohl einmal fragen: Ob wirbey diesem Tausche gewonnen oder verlohren haben? Als Policeycommissarius sage ich, Nein. So viele Freuden uns auch der Schöpfer giebt, und so gern er es sehen muß, daß wir sie mit Dank und Mäßigung geniessen: so offenbar finde ich, daß die Leute bey dem mäßigen Ge- niessen zu Grunde gehen, die vorhin des Jahrs nur ein oder zweymal Kopfweh zu erleiden hatten; ich finde, daß es für die Pollcey leichter sey, einmal des Jahrs Anstal- ten gegen einen wilden Ochsen zu machen, als täglich die Kälber zu hüten. Bey allem dem aber ist es doch auch hier zu verwun- Thor- *) Cedron hist. p. 639.
Etwas zur Policey der Freuden gen, und hier moͤchte ich wohl einmal fragen: Ob wirbey dieſem Tauſche gewonnen oder verlohren haben? Als Policeycommiſſarius ſage ich, Nein. So viele Freuden uns auch der Schoͤpfer giebt, und ſo gern er es ſehen muß, daß wir ſie mit Dank und Maͤßigung genieſſen: ſo offenbar finde ich, daß die Leute bey dem maͤßigen Ge- nieſſen zu Grunde gehen, die vorhin des Jahrs nur ein oder zweymal Kopfweh zu erleiden hatten; ich finde, daß es fuͤr die Pollcey leichter ſey, einmal des Jahrs Anſtal- ten gegen einen wilden Ochſen zu machen, als taͤglich die Kaͤlber zu huͤten. Bey allem dem aber iſt es doch auch hier zu verwun- Thor- *) Cedron hiſt. p. 639.
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Etwas zur Policey der Freuden
gen, und hier moͤchte ich wohl einmal fragen: Ob wir
bey dieſem Tauſche gewonnen oder verlohren haben? Als
Policeycommiſſarius ſage ich, Nein. So viele Freuden
uns auch der Schoͤpfer giebt, und ſo gern er es ſehen
muß, daß wir ſie mit Dank und Maͤßigung genieſſen:
ſo offenbar finde ich, daß die Leute bey dem maͤßigen Ge-
nieſſen zu Grunde gehen, die vorhin des Jahrs nur ein
oder zweymal Kopfweh zu erleiden hatten; ich finde, daß
es fuͤr die Pollcey leichter ſey, einmal des Jahrs Anſtal-
ten gegen einen wilden Ochſen zu machen, als taͤglich die
Kaͤlber zu huͤten.
Bey allem dem aber iſt es doch auch hier zu verwun-
dern, daß die Freuden und Ergoͤtzungen unſerer Vorfah-
ren policeymaͤßiger geweſen ſind, als die unſrigen. Jn
der ganzen bekannten Welt ſind von den aͤlteſten Zeiten
her gewiſſe Tage dem Menſchen dergeſtalt frey gegeben
worden, daß er darinn vornehmen konnte was er wollte,
in ſo fern er nur keinen Klaͤger gegen ſich erweckte. Das
Amt der Obrigkeit ruhete an denſelben voͤllig, und der
Fiſcus ſelbſt konnte nichts beſſers thun als mitmachen.
Man findet alte Stadtordnungen, worinn an zweyen Ta-
gen des Jahrs alle Arten von Gluͤcksſpielen erlaubet wur-
den; die Obrigkeit duldete die Faſtnachtszechen, und
Mummereyen bis in die Kirchen, und ſorgte blos dafuͤr,
daß die unbaͤndigen Menſchen kein Ungluͤck anfiengen; die
Uebermaaße ſelbſt wehrete ſie keinem. Man erinnert ſich
der Saturnalien wie der Narrenfeſte; man weiß, was
zur Carnevalszeit in und auſſer den Kloͤſtern erlaubt war,
und man ſieht, ohne ein Montesquien zu ſeyn, daß aller
Welt Obrigkeit, den Patriarchen zu Conſtantinopel nicht
ausgeſchloſſen *), den Grundſatz angenommen hatte: die
Thor-
*) Cedron hiſt. p. 639.
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