Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

am besten zu veredeln?
wohl bereuen, nicht blos zum Pumpernickel erschaffen zu
seyn? Es kommt nur darauf an, wie ich das Ding in
meinem Kopfe drehe: so sind Sie Spreu oder Rose.

So viel bleibt indessen immer, wir mögen nun seyn
was wir wollen, richtig, daß die Drefpe wenn sie genutzt
und veredelt werden soll, eine ganz andre Behandlung
als das reine Korn erfordere, und daß mehrere Arbeit,
und mehrere Kunst dazu gehören, Baumwolle aus der
Heede als ein Stück Lowend aus gutem Flachse zu ma-
chen. Sie erinnern sich wie unser Jrokese die Ohren
spitzte, als er hörete, daß ein hübscher junger Mensch
verdammet wurde, zehn Jahre lang mit untergeschlage-
nen Beinen auf einem Tische zu sitzen, um sich dereinst
mit der Scheere und der Nadel in einem kleinen engen
Stübgen ernähren zu können. Das heißt, rief er, die
Drespe auf eine grausame Art veredlen; und was würde
er gesagt haben, wenn er gehört hätte, daß man solchen
jungen Burschen nicht allein manchen Feyertag, sondern
auch sogar den Trost sich alle vier Wochen einmal recht
ausdehnen zu können, oder den sogenannten blauen Mon-
tag abgeschnitten hätte?

Nun dächte ich gewönne die Sache schon eine andre
Gestalt, und wir hätten einiges Recht den Moralisten zu-
zurufen, nicht alles Hinterkorn sofort in den Wind zu
werfen, oder allenfalls für das Vieh schroten zu lassen,
wenn es nicht auf die nämliche Art brauchbar ist, wie das
reine. Es ist ein wunderliches Ding um diesen Abfall des
menschlichen Geschlechts, seitdem man keine Reviere von
hundert Meilen für die Jagd von hundert Jrokesen un-
gebauet lassen will, und noch wunderbarer ist es, daß
oft aus diesem Abfall das Korn erwächst, was in die Jro-
kesische Wildbahn gesäet wird. Nach dem Ausspruch un-

sers

am beſten zu veredeln?
wohl bereuen, nicht blos zum Pumpernickel erſchaffen zu
ſeyn? Es kommt nur darauf an, wie ich das Ding in
meinem Kopfe drehe: ſo ſind Sie Spreu oder Roſe.

So viel bleibt indeſſen immer, wir moͤgen nun ſeyn
was wir wollen, richtig, daß die Drefpe wenn ſie genutzt
und veredelt werden ſoll, eine ganz andre Behandlung
als das reine Korn erfordere, und daß mehrere Arbeit,
und mehrere Kunſt dazu gehoͤren, Baumwolle aus der
Heede als ein Stuͤck Lowend aus gutem Flachſe zu ma-
chen. Sie erinnern ſich wie unſer Jrokeſe die Ohren
ſpitzte, als er hoͤrete, daß ein huͤbſcher junger Menſch
verdammet wurde, zehn Jahre lang mit untergeſchlage-
nen Beinen auf einem Tiſche zu ſitzen, um ſich dereinſt
mit der Scheere und der Nadel in einem kleinen engen
Stuͤbgen ernaͤhren zu koͤnnen. Das heißt, rief er, die
Dreſpe auf eine grauſame Art veredlen; und was wuͤrde
er geſagt haben, wenn er gehoͤrt haͤtte, daß man ſolchen
jungen Burſchen nicht allein manchen Feyertag, ſondern
auch ſogar den Troſt ſich alle vier Wochen einmal recht
ausdehnen zu koͤnnen, oder den ſogenannten blauen Mon-
tag abgeſchnitten haͤtte?

Nun daͤchte ich gewoͤnne die Sache ſchon eine andre
Geſtalt, und wir haͤtten einiges Recht den Moraliſten zu-
zurufen, nicht alles Hinterkorn ſofort in den Wind zu
werfen, oder allenfalls fuͤr das Vieh ſchroten zu laſſen,
wenn es nicht auf die naͤmliche Art brauchbar iſt, wie das
reine. Es iſt ein wunderliches Ding um dieſen Abfall des
menſchlichen Geſchlechts, ſeitdem man keine Reviere von
hundert Meilen fuͤr die Jagd von hundert Jrokeſen un-
gebauet laſſen will, und noch wunderbarer iſt es, daß
oft aus dieſem Abfall das Korn erwaͤchſt, was in die Jro-
keſiſche Wildbahn geſaͤet wird. Nach dem Ausſpruch un-

ſers
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0059" n="47"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">am be&#x017F;ten zu veredeln?</hi></fw><lb/>
wohl bereuen, nicht blos zum Pumpernickel er&#x017F;chaffen zu<lb/>
&#x017F;eyn? Es kommt nur darauf an, wie ich das Ding in<lb/>
meinem Kopfe drehe: &#x017F;o &#x017F;ind Sie Spreu oder Ro&#x017F;e.</p><lb/>
            <p>So viel bleibt inde&#x017F;&#x017F;en immer, wir mo&#x0364;gen nun &#x017F;eyn<lb/>
was wir wollen, richtig, daß die Drefpe wenn &#x017F;ie genutzt<lb/>
und veredelt werden &#x017F;oll, eine ganz andre Behandlung<lb/>
als das reine Korn erfordere, und daß mehrere Arbeit,<lb/>
und mehrere Kun&#x017F;t dazu geho&#x0364;ren, Baumwolle aus der<lb/>
Heede als ein Stu&#x0364;ck Lowend aus gutem Flach&#x017F;e zu ma-<lb/>
chen. Sie erinnern &#x017F;ich wie un&#x017F;er Jroke&#x017F;e die Ohren<lb/>
&#x017F;pitzte, als er ho&#x0364;rete, daß ein hu&#x0364;b&#x017F;cher junger Men&#x017F;ch<lb/>
verdammet wurde, zehn Jahre lang mit unterge&#x017F;chlage-<lb/>
nen Beinen auf einem Ti&#x017F;che zu &#x017F;itzen, um &#x017F;ich derein&#x017F;t<lb/>
mit der Scheere und der Nadel in einem kleinen engen<lb/>
Stu&#x0364;bgen erna&#x0364;hren zu ko&#x0364;nnen. Das heißt, rief er, die<lb/>
Dre&#x017F;pe auf eine grau&#x017F;ame Art veredlen; und was wu&#x0364;rde<lb/>
er ge&#x017F;agt haben, wenn er geho&#x0364;rt ha&#x0364;tte, daß man &#x017F;olchen<lb/>
jungen Bur&#x017F;chen nicht allein manchen Feyertag, &#x017F;ondern<lb/>
auch &#x017F;ogar den Tro&#x017F;t &#x017F;ich alle vier Wochen einmal recht<lb/>
ausdehnen zu ko&#x0364;nnen, oder den &#x017F;ogenannten blauen Mon-<lb/>
tag abge&#x017F;chnitten ha&#x0364;tte?</p><lb/>
            <p>Nun da&#x0364;chte ich gewo&#x0364;nne die Sache &#x017F;chon eine andre<lb/>
Ge&#x017F;talt, und wir ha&#x0364;tten einiges Recht den Morali&#x017F;ten zu-<lb/>
zurufen, nicht alles Hinterkorn &#x017F;ofort in den Wind zu<lb/>
werfen, oder allenfalls fu&#x0364;r das Vieh &#x017F;chroten zu la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
wenn es nicht auf die na&#x0364;mliche Art brauchbar i&#x017F;t, wie das<lb/>
reine. Es i&#x017F;t ein wunderliches Ding um die&#x017F;en Abfall des<lb/>
men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;chlechts, &#x017F;eitdem man keine Reviere von<lb/>
hundert Meilen fu&#x0364;r die Jagd von hundert Jroke&#x017F;en un-<lb/>
gebauet la&#x017F;&#x017F;en will, und noch wunderbarer i&#x017F;t es, daß<lb/>
oft aus die&#x017F;em Abfall das Korn erwa&#x0364;ch&#x017F;t, was in die Jro-<lb/>
ke&#x017F;i&#x017F;che Wildbahn ge&#x017F;a&#x0364;et wird. Nach dem Aus&#x017F;pruch un-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ers</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0059] am beſten zu veredeln? wohl bereuen, nicht blos zum Pumpernickel erſchaffen zu ſeyn? Es kommt nur darauf an, wie ich das Ding in meinem Kopfe drehe: ſo ſind Sie Spreu oder Roſe. So viel bleibt indeſſen immer, wir moͤgen nun ſeyn was wir wollen, richtig, daß die Drefpe wenn ſie genutzt und veredelt werden ſoll, eine ganz andre Behandlung als das reine Korn erfordere, und daß mehrere Arbeit, und mehrere Kunſt dazu gehoͤren, Baumwolle aus der Heede als ein Stuͤck Lowend aus gutem Flachſe zu ma- chen. Sie erinnern ſich wie unſer Jrokeſe die Ohren ſpitzte, als er hoͤrete, daß ein huͤbſcher junger Menſch verdammet wurde, zehn Jahre lang mit untergeſchlage- nen Beinen auf einem Tiſche zu ſitzen, um ſich dereinſt mit der Scheere und der Nadel in einem kleinen engen Stuͤbgen ernaͤhren zu koͤnnen. Das heißt, rief er, die Dreſpe auf eine grauſame Art veredlen; und was wuͤrde er geſagt haben, wenn er gehoͤrt haͤtte, daß man ſolchen jungen Burſchen nicht allein manchen Feyertag, ſondern auch ſogar den Troſt ſich alle vier Wochen einmal recht ausdehnen zu koͤnnen, oder den ſogenannten blauen Mon- tag abgeſchnitten haͤtte? Nun daͤchte ich gewoͤnne die Sache ſchon eine andre Geſtalt, und wir haͤtten einiges Recht den Moraliſten zu- zurufen, nicht alles Hinterkorn ſofort in den Wind zu werfen, oder allenfalls fuͤr das Vieh ſchroten zu laſſen, wenn es nicht auf die naͤmliche Art brauchbar iſt, wie das reine. Es iſt ein wunderliches Ding um dieſen Abfall des menſchlichen Geſchlechts, ſeitdem man keine Reviere von hundert Meilen fuͤr die Jagd von hundert Jrokeſen un- gebauet laſſen will, und noch wunderbarer iſt es, daß oft aus dieſem Abfall das Korn erwaͤchſt, was in die Jro- keſiſche Wildbahn geſaͤet wird. Nach dem Ausſpruch un- ſers

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/59
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/59>, abgerufen am 21.11.2024.