Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.Schreiben einer alten Ehefrau etc. triebenen Forderungen. Glauben Sie aber auch indessennicht, daß ich mich so ganz dem Vergnügen, den Meini- gen zu meinen Füßen zu sehen, entzogen hatte. O hiezu findet sich weit eher Gelegenheit, wenn man sie nicht sucht, und sich zu entfernen scheinet, als wenn man sich allemal, und so oft es dem Herrn beliebt, auf der Ra- senbank finden läßt. Noch jetzt singe ich unterweilen mei- nen kleinen Enkeln, wenn sie bey mir sind, ein Liedgen vor, was ihn zur Zeit, als seine Liebe noch mit allen Hindernissen zu kämpfen hatte, in Entzückung setzte; und wenn dann die Kleinen rufen: Ancora! Ancora! Groß- mama, er aber die Augen voll Freudenthränen hat: so frage ich ihn wohl noch einmal, ob es ihm jetzt nicht zu gefährlich schiene, mich auf der Strickleiter vom Kirch- thurme zu holen? Aber dann ruft er eben so heftig wie die Kleinen: O! Ancora Großmama Ancora. XIII. Nachschrift. Noch eins, mein Kind! habe ich vergessen. Wie es mürri-
Schreiben einer alten Ehefrau ꝛc. triebenen Forderungen. Glauben Sie aber auch indeſſennicht, daß ich mich ſo ganz dem Vergnuͤgen, den Meini- gen zu meinen Fuͤßen zu ſehen, entzogen hatte. O hiezu findet ſich weit eher Gelegenheit, wenn man ſie nicht ſucht, und ſich zu entfernen ſcheinet, als wenn man ſich allemal, und ſo oft es dem Herrn beliebt, auf der Ra- ſenbank finden laͤßt. Noch jetzt ſinge ich unterweilen mei- nen kleinen Enkeln, wenn ſie bey mir ſind, ein Liedgen vor, was ihn zur Zeit, als ſeine Liebe noch mit allen Hinderniſſen zu kaͤmpfen hatte, in Entzuͤckung ſetzte; und wenn dann die Kleinen rufen: Ancora! Ancora! Groß- mama, er aber die Augen voll Freudenthraͤnen hat: ſo frage ich ihn wohl noch einmal, ob es ihm jetzt nicht zu gefaͤhrlich ſchiene, mich auf der Strickleiter vom Kirch- thurme zu holen? Aber dann ruft er eben ſo heftig wie die Kleinen: O! Ancora Großmama Ancora. XIII. Nachſchrift. Noch eins, mein Kind! habe ich vergeſſen. Wie es muͤrri-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0066" n="54"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Schreiben einer alten Ehefrau ꝛc.</hi></fw><lb/> triebenen Forderungen. Glauben Sie aber auch indeſſen<lb/> nicht, daß ich mich ſo ganz dem Vergnuͤgen, den Meini-<lb/> gen zu meinen Fuͤßen zu ſehen, entzogen hatte. O hiezu<lb/> findet ſich weit eher Gelegenheit, wenn man ſie nicht<lb/> ſucht, und ſich zu entfernen ſcheinet, als wenn man ſich<lb/> allemal, und ſo oft es dem Herrn beliebt, auf der Ra-<lb/> ſenbank finden laͤßt. Noch jetzt ſinge ich unterweilen mei-<lb/> nen kleinen Enkeln, wenn ſie bey mir ſind, ein Liedgen<lb/> vor, was ihn zur Zeit, als ſeine Liebe noch mit allen<lb/> Hinderniſſen zu kaͤmpfen hatte, in Entzuͤckung ſetzte; und<lb/> wenn dann die Kleinen rufen: <hi rendition="#aq">Ancora! Ancora!</hi> Groß-<lb/> mama, er aber die Augen voll Freudenthraͤnen hat: ſo<lb/> frage ich ihn wohl noch einmal, ob es ihm jetzt nicht zu<lb/> gefaͤhrlich ſchiene, mich auf der Strickleiter vom Kirch-<lb/> thurme zu holen? Aber dann ruft er eben ſo heftig wie<lb/> die Kleinen: O! <hi rendition="#aq">Ancora</hi> Großmama <hi rendition="#aq">Ancora.</hi></p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">XIII.</hi><lb/><hi rendition="#g">Nachſchrift</hi>.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">N</hi>och eins, mein Kind! habe ich vergeſſen. Wie es<lb/> mir vorkoͤmmt: ſo verlaſſen Sie ſich lediglich auf<lb/> ihre gute Sache und ihr gutes Herz, vielleicht auch wohl<lb/> ein bisgen auf ihre ſchoͤnen blauen Augen, und ſpintiſiren<lb/> gar nicht darauf, ihren Mann von neuem an ſich zu zie-<lb/> hen. Mich deucht, Sie ſind zu Hauſe gerade ſo wie vor<lb/> acht Tagen in der Geſellſchaft bey unſerm ehrbaren<lb/> G ...., wo ich euch ſo ſtille und ſteif antraf, als wenn<lb/> ihr nur zuſammen gekommen waͤret, um euch Lange-<lb/> weile zu machen. Merkten Sie aber nicht, wie bald ich<lb/> die ganze Geſellſchaft in Bewegung brachte. Dem alten<lb/> <fw place="bottom" type="catch">muͤrri-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0066]
Schreiben einer alten Ehefrau ꝛc.
triebenen Forderungen. Glauben Sie aber auch indeſſen
nicht, daß ich mich ſo ganz dem Vergnuͤgen, den Meini-
gen zu meinen Fuͤßen zu ſehen, entzogen hatte. O hiezu
findet ſich weit eher Gelegenheit, wenn man ſie nicht
ſucht, und ſich zu entfernen ſcheinet, als wenn man ſich
allemal, und ſo oft es dem Herrn beliebt, auf der Ra-
ſenbank finden laͤßt. Noch jetzt ſinge ich unterweilen mei-
nen kleinen Enkeln, wenn ſie bey mir ſind, ein Liedgen
vor, was ihn zur Zeit, als ſeine Liebe noch mit allen
Hinderniſſen zu kaͤmpfen hatte, in Entzuͤckung ſetzte; und
wenn dann die Kleinen rufen: Ancora! Ancora! Groß-
mama, er aber die Augen voll Freudenthraͤnen hat: ſo
frage ich ihn wohl noch einmal, ob es ihm jetzt nicht zu
gefaͤhrlich ſchiene, mich auf der Strickleiter vom Kirch-
thurme zu holen? Aber dann ruft er eben ſo heftig wie
die Kleinen: O! Ancora Großmama Ancora.
XIII.
Nachſchrift.
Noch eins, mein Kind! habe ich vergeſſen. Wie es
mir vorkoͤmmt: ſo verlaſſen Sie ſich lediglich auf
ihre gute Sache und ihr gutes Herz, vielleicht auch wohl
ein bisgen auf ihre ſchoͤnen blauen Augen, und ſpintiſiren
gar nicht darauf, ihren Mann von neuem an ſich zu zie-
hen. Mich deucht, Sie ſind zu Hauſe gerade ſo wie vor
acht Tagen in der Geſellſchaft bey unſerm ehrbaren
G ...., wo ich euch ſo ſtille und ſteif antraf, als wenn
ihr nur zuſammen gekommen waͤret, um euch Lange-
weile zu machen. Merkten Sie aber nicht, wie bald ich
die ganze Geſellſchaft in Bewegung brachte. Dem alten
muͤrri-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |