Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.vier Parteien, S. 126 fg. -- Bluntschli, Psychologische Studien über Staat und Kirche. S. 229 ff.; Ders., Allgemeines Staatsrecht, Bd. I, S. 237 ff. -- Zächariä, Vierzig Bücher, 2. Aufl., Bd. III, S. 4 ff. 2) Der Versuche zu einer Eintheilung der Staaten nach ihren Ver- schiedenheiten gibt es sehr viele. Eine vollständige Aufzählung und Beur- theilung derselben wäre jedoch eben so zeitraubend als wenig belehrend; und die beste Kritik liegt ohnedem in der Aufstellung des wahren Eintheilungs- grundes. Daher denn hier nur einige wenige Beispiele und Bemerkungen. -- Die bekanntlich schon bei Herodot vorkommende und von Aristoteles (Polit., III, 4, 1) ausführlich besprochene Eintheilung der Staatsverfassungen nach der Zahl der Regierenden war vollkommen richtig innerhalb des Kreises des antiken Staates, und somit als Unterabtheilung dieser Staatsgattung. Allein unvollkommen war sie schon zur Zeit ihrer Aufstellung in so ferne, als sie die asiatischen, den Griechen doch nicht unbekannten, Theokratieen und Despotieen nicht berücksichtigte; und geradezu unbegreiflich ist es, daß man auch später, als neue Weltanschauungen noch weitere Grundverschiedenheiten von Staaten erzeugt hatten, bei diesem Eintheilungsgrunde stehen bleiben konnte. Eine Eintheilung, welche den Papst oder die Chalifen, Ludwig den Vierzehnten, einen König von Polen, den constitutionellen König von Eng- land, endlich den König von Dahome als staatsrechtliche Wesen derselben Art zusammenwirft, trägt ihre Fehlerhaftigkeit an der Stirne; und alle Flickereien haben das Uebel nur vermehrt, weil sie zu der Benützung eines blos untergeordneten äußerlichen Eintheilungsgrundes in der Regel noch den weiteren Fehler eines Herausfallens aus dem Eintheilungsprincipe fügten. Hierher gehören die Eintheilung von Montesquieu in Monarchieen, Republiken und Despotieen, von Heeren in Republiken, Autokratieen und Despotieen, von Machiavelli, J. v. Müller, Schmitthenner in Monarchieen und Republiken, von Haller in Fürstenthümer und freie Communitäten, von welchen die ersteren wieder in Staaten der Patrimonialherren, Priester oder Kriegshäupter zerfallen; endlich von Bluntschli in Ideokratieen, Demokratieen, Aristokratieen und Monarchieen, welche sämmtlich wieder mehrere Unterabtheilungen haben. Was aber Schleiermacher in der oben, Anmerk. 1, angeführten Abhandlung über das Verhältniß der drei Formen zu der geistigen Entwicklung der Bevölkerung sagt, ist zwar sehr geistreich und erklärend für das Bestehen derselben in den einzelnen Fällen: aber die Nichtunterscheidung wesentlich verschiedenartiger Zustände und die Unvollständigkeit der Aufzählung wird dadurch nicht beseitigt. Anscheinend tiefer geht allerdings die (schon von Aristoteles angedeutete) Eintheilung Kant's und vieler Franzosen, z. B. Lanjuinais' und Destutt's de Tracy, welche die Staaten eintheilen in solche, die das allgemeine und solche, die das besondere Beste wollen; allein sie ist als Ordnungsprincip vier Parteien, S. 126 fg. — Bluntſchli, Pſychologiſche Studien über Staat und Kirche. S. 229 ff.; Derſ., Allgemeines Staatsrecht, Bd. I, S. 237 ff. — Zächariä, Vierzig Bücher, 2. Aufl., Bd. III, S. 4 ff. 2) Der Verſuche zu einer Eintheilung der Staaten nach ihren Ver- ſchiedenheiten gibt es ſehr viele. Eine vollſtändige Aufzählung und Beur- theilung derſelben wäre jedoch eben ſo zeitraubend als wenig belehrend; und die beſte Kritik liegt ohnedem in der Aufſtellung des wahren Eintheilungs- grundes. Daher denn hier nur einige wenige Beiſpiele und Bemerkungen. — Die bekanntlich ſchon bei Herodot vorkommende und von Ariſtoteles (Polit., III, 4, 1) ausführlich beſprochene Eintheilung der Staatsverfaſſungen nach der Zahl der Regierenden war vollkommen richtig innerhalb des Kreiſes des antiken Staates, und ſomit als Unterabtheilung dieſer Staatsgattung. Allein unvollkommen war ſie ſchon zur Zeit ihrer Aufſtellung in ſo ferne, als ſie die aſiatiſchen, den Griechen doch nicht unbekannten, Theokratieen und Deſpotieen nicht berückſichtigte; und geradezu unbegreiflich iſt es, daß man auch ſpäter, als neue Weltanſchauungen noch weitere Grundverſchiedenheiten von Staaten erzeugt hatten, bei dieſem Eintheilungsgrunde ſtehen bleiben konnte. Eine Eintheilung, welche den Papſt oder die Chalifen, Ludwig den Vierzehnten, einen König von Polen, den conſtitutionellen König von Eng- land, endlich den König von Dahome als ſtaatsrechtliche Weſen derſelben Art zuſammenwirft, trägt ihre Fehlerhaftigkeit an der Stirne; und alle Flickereien haben das Uebel nur vermehrt, weil ſie zu der Benützung eines blos untergeordneten äußerlichen Eintheilungsgrundes in der Regel noch den weiteren Fehler eines Herausfallens aus dem Eintheilungsprincipe fügten. Hierher gehören die Eintheilung von Montesquieu in Monarchieen, Republiken und Despotieen, von Heeren in Republiken, Autokratieen und Despotieen, von Machiavelli, J. v. Müller, Schmitthenner in Monarchieen und Republiken, von Haller in Fürſtenthümer und freie Communitäten, von welchen die erſteren wieder in Staaten der Patrimonialherren, Prieſter oder Kriegshäupter zerfallen; endlich von Bluntſchli in Ideokratieen, Demokratieen, Ariſtokratieen und Monarchieen, welche ſämmtlich wieder mehrere Unterabtheilungen haben. Was aber Schleiermacher in der oben, Anmerk. 1, angeführten Abhandlung über das Verhältniß der drei Formen zu der geiſtigen Entwicklung der Bevölkerung ſagt, iſt zwar ſehr geiſtreich und erklärend für das Beſtehen derſelben in den einzelnen Fällen: aber die Nichtunterſcheidung weſentlich verſchiedenartiger Zuſtände und die Unvollſtändigkeit der Aufzählung wird dadurch nicht beſeitigt. Anſcheinend tiefer geht allerdings die (ſchon von Ariſtoteles angedeutete) Eintheilung Kant’s und vieler Franzoſen, z. B. Lanjuinais’ und Deſtutt’s de Tracy, welche die Staaten eintheilen in ſolche, die das allgemeine und ſolche, die das beſondere Beſte wollen; allein ſie iſt als Ordnungsprincip <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <note place="end" n="1)"><pb facs="#f0118" n="104"/> vier Parteien, S. 126 fg. — <hi rendition="#g">Bluntſchli</hi>, Pſychologiſche Studien über<lb/> Staat und Kirche. S. 229 ff.; <hi rendition="#g">Derſ.</hi>, Allgemeines Staatsrecht, Bd. <hi rendition="#aq">I,</hi><lb/> S. 237 ff. — <hi rendition="#g">Zächariä</hi>, Vierzig Bücher, 2. Aufl., Bd. <hi rendition="#aq">III,</hi> S. 4 ff.</note><lb/> <note place="end" n="2)">Der Verſuche zu einer Eintheilung der Staaten nach ihren Ver-<lb/> ſchiedenheiten gibt es ſehr viele. Eine vollſtändige Aufzählung und Beur-<lb/> theilung derſelben wäre jedoch eben ſo zeitraubend als wenig belehrend; und<lb/> die beſte Kritik liegt ohnedem in der Aufſtellung des wahren Eintheilungs-<lb/> grundes. Daher denn hier nur einige wenige Beiſpiele und Bemerkungen.<lb/> — Die bekanntlich ſchon bei <hi rendition="#g">Herodot</hi> vorkommende und von <hi rendition="#g">Ariſtoteles</hi><lb/> (<hi rendition="#aq">Polit., III,</hi> 4, 1) ausführlich beſprochene Eintheilung der Staatsverfaſſungen<lb/> nach der Zahl der Regierenden war vollkommen richtig innerhalb des Kreiſes<lb/> des antiken Staates, und ſomit als Unterabtheilung dieſer Staatsgattung.<lb/> Allein unvollkommen war ſie ſchon zur Zeit ihrer Aufſtellung in ſo ferne,<lb/> als ſie die aſiatiſchen, den Griechen doch nicht unbekannten, Theokratieen und<lb/> Deſpotieen nicht berückſichtigte; und geradezu unbegreiflich iſt es, daß man<lb/> auch ſpäter, als neue Weltanſchauungen noch weitere Grundverſchiedenheiten<lb/> von Staaten erzeugt hatten, bei dieſem Eintheilungsgrunde ſtehen bleiben<lb/> konnte. Eine Eintheilung, welche den Papſt oder die Chalifen, Ludwig den<lb/> Vierzehnten, einen König von Polen, den conſtitutionellen König von Eng-<lb/> land, endlich den König von Dahome als ſtaatsrechtliche Weſen derſelben<lb/> Art zuſammenwirft, trägt ihre Fehlerhaftigkeit an der Stirne; und alle<lb/> Flickereien haben das Uebel nur vermehrt, weil ſie zu der Benützung eines<lb/> blos untergeordneten äußerlichen Eintheilungsgrundes in der Regel noch<lb/> den weiteren Fehler eines Herausfallens aus dem Eintheilungsprincipe fügten.<lb/> Hierher gehören die Eintheilung von <hi rendition="#g">Montesquieu</hi> in Monarchieen,<lb/> Republiken und Despotieen, von <hi rendition="#g">Heeren</hi> in Republiken, Autokratieen und<lb/> Despotieen, von <hi rendition="#g">Machiavelli, J. v. Müller, Schmitthenner</hi><lb/> in Monarchieen und Republiken, von <hi rendition="#g">Haller</hi> in Fürſtenthümer und freie<lb/> Communitäten, von welchen die erſteren wieder in Staaten der Patrimonialherren,<lb/> Prieſter oder Kriegshäupter zerfallen; endlich von <hi rendition="#g">Bluntſchli</hi> in Ideokratieen,<lb/> Demokratieen, Ariſtokratieen und Monarchieen, welche ſämmtlich wieder<lb/> mehrere Unterabtheilungen haben. Was aber <hi rendition="#g">Schleiermacher</hi> in der<lb/> oben, Anmerk. 1, angeführten Abhandlung über das Verhältniß der drei<lb/> Formen zu der geiſtigen Entwicklung der Bevölkerung ſagt, iſt zwar ſehr<lb/> geiſtreich und erklärend für das Beſtehen derſelben in den einzelnen Fällen:<lb/> aber die Nichtunterſcheidung weſentlich verſchiedenartiger Zuſtände und die<lb/> Unvollſtändigkeit der Aufzählung wird dadurch nicht beſeitigt. Anſcheinend<lb/> tiefer geht allerdings die (ſchon von Ariſtoteles angedeutete) Eintheilung<lb/><hi rendition="#g">Kant’s</hi> und vieler Franzoſen, z. B. <hi rendition="#g">Lanjuinais’</hi> und <hi rendition="#g">Deſtutt’s<lb/> de Tracy</hi>, welche die Staaten eintheilen in ſolche, die das allgemeine<lb/> und ſolche, die das beſondere Beſte wollen; allein ſie iſt als Ordnungsprincip<lb/></note> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [104/0118]
¹⁾ vier Parteien, S. 126 fg. — Bluntſchli, Pſychologiſche Studien über
Staat und Kirche. S. 229 ff.; Derſ., Allgemeines Staatsrecht, Bd. I,
S. 237 ff. — Zächariä, Vierzig Bücher, 2. Aufl., Bd. III, S. 4 ff.
²⁾ Der Verſuche zu einer Eintheilung der Staaten nach ihren Ver-
ſchiedenheiten gibt es ſehr viele. Eine vollſtändige Aufzählung und Beur-
theilung derſelben wäre jedoch eben ſo zeitraubend als wenig belehrend; und
die beſte Kritik liegt ohnedem in der Aufſtellung des wahren Eintheilungs-
grundes. Daher denn hier nur einige wenige Beiſpiele und Bemerkungen.
— Die bekanntlich ſchon bei Herodot vorkommende und von Ariſtoteles
(Polit., III, 4, 1) ausführlich beſprochene Eintheilung der Staatsverfaſſungen
nach der Zahl der Regierenden war vollkommen richtig innerhalb des Kreiſes
des antiken Staates, und ſomit als Unterabtheilung dieſer Staatsgattung.
Allein unvollkommen war ſie ſchon zur Zeit ihrer Aufſtellung in ſo ferne,
als ſie die aſiatiſchen, den Griechen doch nicht unbekannten, Theokratieen und
Deſpotieen nicht berückſichtigte; und geradezu unbegreiflich iſt es, daß man
auch ſpäter, als neue Weltanſchauungen noch weitere Grundverſchiedenheiten
von Staaten erzeugt hatten, bei dieſem Eintheilungsgrunde ſtehen bleiben
konnte. Eine Eintheilung, welche den Papſt oder die Chalifen, Ludwig den
Vierzehnten, einen König von Polen, den conſtitutionellen König von Eng-
land, endlich den König von Dahome als ſtaatsrechtliche Weſen derſelben
Art zuſammenwirft, trägt ihre Fehlerhaftigkeit an der Stirne; und alle
Flickereien haben das Uebel nur vermehrt, weil ſie zu der Benützung eines
blos untergeordneten äußerlichen Eintheilungsgrundes in der Regel noch
den weiteren Fehler eines Herausfallens aus dem Eintheilungsprincipe fügten.
Hierher gehören die Eintheilung von Montesquieu in Monarchieen,
Republiken und Despotieen, von Heeren in Republiken, Autokratieen und
Despotieen, von Machiavelli, J. v. Müller, Schmitthenner
in Monarchieen und Republiken, von Haller in Fürſtenthümer und freie
Communitäten, von welchen die erſteren wieder in Staaten der Patrimonialherren,
Prieſter oder Kriegshäupter zerfallen; endlich von Bluntſchli in Ideokratieen,
Demokratieen, Ariſtokratieen und Monarchieen, welche ſämmtlich wieder
mehrere Unterabtheilungen haben. Was aber Schleiermacher in der
oben, Anmerk. 1, angeführten Abhandlung über das Verhältniß der drei
Formen zu der geiſtigen Entwicklung der Bevölkerung ſagt, iſt zwar ſehr
geiſtreich und erklärend für das Beſtehen derſelben in den einzelnen Fällen:
aber die Nichtunterſcheidung weſentlich verſchiedenartiger Zuſtände und die
Unvollſtändigkeit der Aufzählung wird dadurch nicht beſeitigt. Anſcheinend
tiefer geht allerdings die (ſchon von Ariſtoteles angedeutete) Eintheilung
Kant’s und vieler Franzoſen, z. B. Lanjuinais’ und Deſtutt’s
de Tracy, welche die Staaten eintheilen in ſolche, die das allgemeine
und ſolche, die das beſondere Beſte wollen; allein ſie iſt als Ordnungsprincip
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |